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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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UnsöiA'moment Mvvväiüro ass jönnös WvL geschaffen. Es ist darin eine
Überzeugung von der Wichtigkeit der Sache ausgedrückt, die ebenso die ehrt,
für die sie gehegt wird, wie den, der sie hegt. Leider scheint sich eine solche
Überzeugung bei uns erst jetzt Bahn zu brechen, nachdem das höhere Mädchen¬
schulwesen seit Jahrzehnten die Rolle des Aschenbrödels gespielt hat. Wir
hoffen, daß diese Überzeugung bei Negierung und Volksvertretern Anklang
finden werde, damit die Angelegenheit auch in Preußen die Würdigung er¬
fahre, deren sie sich außerhalb Preußens allgemein erfreut.

Es möge, dn sich nun eine vermutlich für lange Jahre bindende Ord¬
nung des höhern Mädchenschulwesens anbahnt, einem Manne, der selbst eine
große derartige Anstalt leitet und seit Jahren sich mit den einschlügigen Fragen
beschäftigt hat, vergönnt fein, an dieser weithin sichtbaren Stelle ein Wort
vor der entscheidenden Stunde zu sage".

Die größer" unter unsern höhern Mädchenschulen nehmen die Schülerinnen
vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten sechzehnten Lebensjahre in Anspruch.
Sie betreiben, nachdem der Unterricht in den drei ersten Schuljahren selbstver¬
ständlich nur die gewöhnlichen Gegenstände des Elementarunterrichts umfaßt hat,
vom vierten Schuljahre um neben den allen (niedern wie höhern) Schulen ge¬
meinsamen Fächern (Religion, Deutsch, Rechnen, Geschichte, Geographie, Natur¬
kunde) zunächst auch noch Französisch und vom sechsten oder siebenten Schul¬
jahre an auch Englisch. Im ganzen werden -- Turnen und technische Fächer
eingerechnet -- dreizehn Unterrichtsgegenstnnde betrieben. Die wöchentliche
Stundenzahl beträgt in der eigentlichen höhern Abteilung, d. h. vom zehnten
bis sechzehnten Lebensjahre, dreißig Stunden. Diese Einrichtungen in ihrer
Allgemeinheit sind allen deutschen Mädchenschulen gemeinsam. Gegen sie hat
sich aber von all den Augriffen, die im Laufe der Jahre das Töchterschulwesen
erfahren hat, noch keiner gerichtet. Die Angriffe gegen die "höhere Tochter"
sind fast immer von Leuten ausgegangen, die in die wesentlichen Bedingungen
eines für Mädchen bestimmten Unterrichts nur unzureichende Einsicht hatten,
und selbst wenn diese Leute, was freilich selten vorgekommen ist, mit ihrer
Kritik ernstere Absichten hatten, als aus ihren meist recht billigen Witzen zu
erkennen war, so ist es ihnen doch nicht möglich gewesen, den eigentlichen
Schaden, an dem diese Schulen kranken, aufzudecken.

Dieser Schade liegt darin, daß die höhern Mädchenschulen im Gange
ihrer Entwicklung völlig abhängig geblieben sind von dem Vorbilde der
Knabenschulen.

Es ist selbstverständlich, daß, abgesehen von den weiblichen Handarbeiten,
die Wahl der Unterrichtsfächer nicht wohl eine andre sein konnte als bei den
Knabenschulen. Daß man aber für die Übermittelung dieser Stoffe bei Mädchen
im allgemeinen dieselben Unterrichtsmethoden anwendet wie bei Knaben, das
heißt die Mädchennatur gänzlich verkennen. Ein nicht geringer Anlaß zu


UnsöiA'moment Mvvväiüro ass jönnös WvL geschaffen. Es ist darin eine
Überzeugung von der Wichtigkeit der Sache ausgedrückt, die ebenso die ehrt,
für die sie gehegt wird, wie den, der sie hegt. Leider scheint sich eine solche
Überzeugung bei uns erst jetzt Bahn zu brechen, nachdem das höhere Mädchen¬
schulwesen seit Jahrzehnten die Rolle des Aschenbrödels gespielt hat. Wir
hoffen, daß diese Überzeugung bei Negierung und Volksvertretern Anklang
finden werde, damit die Angelegenheit auch in Preußen die Würdigung er¬
fahre, deren sie sich außerhalb Preußens allgemein erfreut.

Es möge, dn sich nun eine vermutlich für lange Jahre bindende Ord¬
nung des höhern Mädchenschulwesens anbahnt, einem Manne, der selbst eine
große derartige Anstalt leitet und seit Jahren sich mit den einschlügigen Fragen
beschäftigt hat, vergönnt fein, an dieser weithin sichtbaren Stelle ein Wort
vor der entscheidenden Stunde zu sage».

Die größer« unter unsern höhern Mädchenschulen nehmen die Schülerinnen
vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten sechzehnten Lebensjahre in Anspruch.
Sie betreiben, nachdem der Unterricht in den drei ersten Schuljahren selbstver¬
ständlich nur die gewöhnlichen Gegenstände des Elementarunterrichts umfaßt hat,
vom vierten Schuljahre um neben den allen (niedern wie höhern) Schulen ge¬
meinsamen Fächern (Religion, Deutsch, Rechnen, Geschichte, Geographie, Natur¬
kunde) zunächst auch noch Französisch und vom sechsten oder siebenten Schul¬
jahre an auch Englisch. Im ganzen werden — Turnen und technische Fächer
eingerechnet — dreizehn Unterrichtsgegenstnnde betrieben. Die wöchentliche
Stundenzahl beträgt in der eigentlichen höhern Abteilung, d. h. vom zehnten
bis sechzehnten Lebensjahre, dreißig Stunden. Diese Einrichtungen in ihrer
Allgemeinheit sind allen deutschen Mädchenschulen gemeinsam. Gegen sie hat
sich aber von all den Augriffen, die im Laufe der Jahre das Töchterschulwesen
erfahren hat, noch keiner gerichtet. Die Angriffe gegen die „höhere Tochter"
sind fast immer von Leuten ausgegangen, die in die wesentlichen Bedingungen
eines für Mädchen bestimmten Unterrichts nur unzureichende Einsicht hatten,
und selbst wenn diese Leute, was freilich selten vorgekommen ist, mit ihrer
Kritik ernstere Absichten hatten, als aus ihren meist recht billigen Witzen zu
erkennen war, so ist es ihnen doch nicht möglich gewesen, den eigentlichen
Schaden, an dem diese Schulen kranken, aufzudecken.

Dieser Schade liegt darin, daß die höhern Mädchenschulen im Gange
ihrer Entwicklung völlig abhängig geblieben sind von dem Vorbilde der
Knabenschulen.

Es ist selbstverständlich, daß, abgesehen von den weiblichen Handarbeiten,
die Wahl der Unterrichtsfächer nicht wohl eine andre sein konnte als bei den
Knabenschulen. Daß man aber für die Übermittelung dieser Stoffe bei Mädchen
im allgemeinen dieselben Unterrichtsmethoden anwendet wie bei Knaben, das
heißt die Mädchennatur gänzlich verkennen. Ein nicht geringer Anlaß zu


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[0320] UnsöiA'moment Mvvväiüro ass jönnös WvL geschaffen. Es ist darin eine Überzeugung von der Wichtigkeit der Sache ausgedrückt, die ebenso die ehrt, für die sie gehegt wird, wie den, der sie hegt. Leider scheint sich eine solche Überzeugung bei uns erst jetzt Bahn zu brechen, nachdem das höhere Mädchen¬ schulwesen seit Jahrzehnten die Rolle des Aschenbrödels gespielt hat. Wir hoffen, daß diese Überzeugung bei Negierung und Volksvertretern Anklang finden werde, damit die Angelegenheit auch in Preußen die Würdigung er¬ fahre, deren sie sich außerhalb Preußens allgemein erfreut. Es möge, dn sich nun eine vermutlich für lange Jahre bindende Ord¬ nung des höhern Mädchenschulwesens anbahnt, einem Manne, der selbst eine große derartige Anstalt leitet und seit Jahren sich mit den einschlügigen Fragen beschäftigt hat, vergönnt fein, an dieser weithin sichtbaren Stelle ein Wort vor der entscheidenden Stunde zu sage». Die größer« unter unsern höhern Mädchenschulen nehmen die Schülerinnen vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten sechzehnten Lebensjahre in Anspruch. Sie betreiben, nachdem der Unterricht in den drei ersten Schuljahren selbstver¬ ständlich nur die gewöhnlichen Gegenstände des Elementarunterrichts umfaßt hat, vom vierten Schuljahre um neben den allen (niedern wie höhern) Schulen ge¬ meinsamen Fächern (Religion, Deutsch, Rechnen, Geschichte, Geographie, Natur¬ kunde) zunächst auch noch Französisch und vom sechsten oder siebenten Schul¬ jahre an auch Englisch. Im ganzen werden — Turnen und technische Fächer eingerechnet — dreizehn Unterrichtsgegenstnnde betrieben. Die wöchentliche Stundenzahl beträgt in der eigentlichen höhern Abteilung, d. h. vom zehnten bis sechzehnten Lebensjahre, dreißig Stunden. Diese Einrichtungen in ihrer Allgemeinheit sind allen deutschen Mädchenschulen gemeinsam. Gegen sie hat sich aber von all den Augriffen, die im Laufe der Jahre das Töchterschulwesen erfahren hat, noch keiner gerichtet. Die Angriffe gegen die „höhere Tochter" sind fast immer von Leuten ausgegangen, die in die wesentlichen Bedingungen eines für Mädchen bestimmten Unterrichts nur unzureichende Einsicht hatten, und selbst wenn diese Leute, was freilich selten vorgekommen ist, mit ihrer Kritik ernstere Absichten hatten, als aus ihren meist recht billigen Witzen zu erkennen war, so ist es ihnen doch nicht möglich gewesen, den eigentlichen Schaden, an dem diese Schulen kranken, aufzudecken. Dieser Schade liegt darin, daß die höhern Mädchenschulen im Gange ihrer Entwicklung völlig abhängig geblieben sind von dem Vorbilde der Knabenschulen. Es ist selbstverständlich, daß, abgesehen von den weiblichen Handarbeiten, die Wahl der Unterrichtsfächer nicht wohl eine andre sein konnte als bei den Knabenschulen. Daß man aber für die Übermittelung dieser Stoffe bei Mädchen im allgemeinen dieselben Unterrichtsmethoden anwendet wie bei Knaben, das heißt die Mädchennatur gänzlich verkennen. Ein nicht geringer Anlaß zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/320>, abgerufen am 25.08.2024.