Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
<Lin Lcmkdepotgesotz

Depot kommt entweder unmittelbar auf einem der bezeichneten Wege in die
Hand des Bankiers, indem es der Deponent zu einem der genannten Zwecke
giebt, der Depositar zu demselben Zwecke von diesem empfängt. Oder aber
das Depot bildet sich mittelbar für den Depottundeu in dein Gewahrsam des
Bankiers; es kommt nicht durch unmittelbare Übertragung vonseiten des erstern,
sondern durch Ubereigunng vonseiten eines dritten in seinen Besitz, infolge von
Geschäften, Anlaufen und Verkaufen marktläufiger Wertpapiere, die der Bankier
in eignem Namen, aber für Rechnung seines Kunden mit dem dritten ab¬
schließt. Der Bankier handelt hier als Kommissionär. Das Depot heißt dar¬
nach Kommissionsdepot.

In diesem Kommissionsdepot sitzt der wunde Punkt, an dem die Reform-
arbeit zu beginnen hat, wenn es ihr wirklich um die Beseitigung von Übel¬
ständen Ernst ist. Auf diesem Gebiete bewegt sich die große Mehrzahl jener
Unterschlagungen, die die Wogen der öffentlichen Erregung im vorigen Jahre
in schäumende Bewegung gesetzt haben. Unterschlagungen -- denn das waren
sie nach unserm beschränkten Unterthcinenverstcmde, nicht freilich nach der Ansicht
der allvermögenden Bankwelt. Ist es doch vor Gericht von hinzugezognen
Börsensachverständigen wiederholt als "Handelsbrauch" hingestellt worden, daß
die angekauften Effekten von den Einkaufskommissionären den Kommittenten
nicht wirklich übereignet werden, sondern daß ihnen nur der Anspruch auf
einen bestimmten Betrag der Effekten gutgeschrieben wird, sodaß der Kommit-
tent bis zur geschehenen Übereignung lediglich einen obligatorischen Anspruch
besitzt und im Konkurse des Kommissionärs kein Anssvnderungsrecht bezüglich
der angeschafften Effekten geltend machen, sondern nur die Forderung auf ver¬
hältnismäßige Befriedigung aus der Masse anmelden kann! Und keine gesetz¬
liche Vorschrift tritt der Ausbildung eines solchen, allen Begriffen von Moral
und Recht ins Gesicht schlagenden "Handelsbrauchs" in den Weg. Die ge¬
setzliche Regelung des Kommissionsgeschäfts, wie sie in unserm Handelsgesetz¬
buch nach schweren Kämpfen zu stände gekommen ist, zeigt hier eine empfind¬
liche Lücke. Die Frage, mit welchem Augenblicke Gefahr und Eigentum der
infolge einer Einkanfskommission erstandnen Ware auf den Kommittenten über¬
gehe, ist eine offne, und die Praxis der Gerichte hat nur dazu beigetragen,
die in dieser Beziehung herrschende Unklarheit und Verwirrung noch zu er¬
höhen. Wenn auch das Reichsgericht die von dem Reichsoberhandelsgericht
aufgestellte gefährliche Nechtsansicht, daß der Kommissionär seiner Verpflich¬
tung zur Übergabe der eingekauften Papiere durch Gewährung von Papieren
derselben Gattung genüge, mit Erfolg bekämpft und sich dem entgegengesetzten
Grundsätze angeschlossen hat, daß der Kommissionär die bestimmten eingekauften
Stücke dem Kommittenten zu gewähren hat, so ist doch damit die Frage, mit
welchem Augenblicke die in Kommission eingekauften Werte der Verfügungs¬
gewalt des Depositars entzogen sind, nichts weniger als gelöst.


<Lin Lcmkdepotgesotz

Depot kommt entweder unmittelbar auf einem der bezeichneten Wege in die
Hand des Bankiers, indem es der Deponent zu einem der genannten Zwecke
giebt, der Depositar zu demselben Zwecke von diesem empfängt. Oder aber
das Depot bildet sich mittelbar für den Depottundeu in dein Gewahrsam des
Bankiers; es kommt nicht durch unmittelbare Übertragung vonseiten des erstern,
sondern durch Ubereigunng vonseiten eines dritten in seinen Besitz, infolge von
Geschäften, Anlaufen und Verkaufen marktläufiger Wertpapiere, die der Bankier
in eignem Namen, aber für Rechnung seines Kunden mit dem dritten ab¬
schließt. Der Bankier handelt hier als Kommissionär. Das Depot heißt dar¬
nach Kommissionsdepot.

In diesem Kommissionsdepot sitzt der wunde Punkt, an dem die Reform-
arbeit zu beginnen hat, wenn es ihr wirklich um die Beseitigung von Übel¬
ständen Ernst ist. Auf diesem Gebiete bewegt sich die große Mehrzahl jener
Unterschlagungen, die die Wogen der öffentlichen Erregung im vorigen Jahre
in schäumende Bewegung gesetzt haben. Unterschlagungen — denn das waren
sie nach unserm beschränkten Unterthcinenverstcmde, nicht freilich nach der Ansicht
der allvermögenden Bankwelt. Ist es doch vor Gericht von hinzugezognen
Börsensachverständigen wiederholt als „Handelsbrauch" hingestellt worden, daß
die angekauften Effekten von den Einkaufskommissionären den Kommittenten
nicht wirklich übereignet werden, sondern daß ihnen nur der Anspruch auf
einen bestimmten Betrag der Effekten gutgeschrieben wird, sodaß der Kommit-
tent bis zur geschehenen Übereignung lediglich einen obligatorischen Anspruch
besitzt und im Konkurse des Kommissionärs kein Anssvnderungsrecht bezüglich
der angeschafften Effekten geltend machen, sondern nur die Forderung auf ver¬
hältnismäßige Befriedigung aus der Masse anmelden kann! Und keine gesetz¬
liche Vorschrift tritt der Ausbildung eines solchen, allen Begriffen von Moral
und Recht ins Gesicht schlagenden „Handelsbrauchs" in den Weg. Die ge¬
setzliche Regelung des Kommissionsgeschäfts, wie sie in unserm Handelsgesetz¬
buch nach schweren Kämpfen zu stände gekommen ist, zeigt hier eine empfind¬
liche Lücke. Die Frage, mit welchem Augenblicke Gefahr und Eigentum der
infolge einer Einkanfskommission erstandnen Ware auf den Kommittenten über¬
gehe, ist eine offne, und die Praxis der Gerichte hat nur dazu beigetragen,
die in dieser Beziehung herrschende Unklarheit und Verwirrung noch zu er¬
höhen. Wenn auch das Reichsgericht die von dem Reichsoberhandelsgericht
aufgestellte gefährliche Nechtsansicht, daß der Kommissionär seiner Verpflich¬
tung zur Übergabe der eingekauften Papiere durch Gewährung von Papieren
derselben Gattung genüge, mit Erfolg bekämpft und sich dem entgegengesetzten
Grundsätze angeschlossen hat, daß der Kommissionär die bestimmten eingekauften
Stücke dem Kommittenten zu gewähren hat, so ist doch damit die Frage, mit
welchem Augenblicke die in Kommission eingekauften Werte der Verfügungs¬
gewalt des Depositars entzogen sind, nichts weniger als gelöst.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213414"/>
          <fw type="header" place="top"> &lt;Lin Lcmkdepotgesotz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_907" prev="#ID_906"> Depot kommt entweder unmittelbar auf einem der bezeichneten Wege in die<lb/>
Hand des Bankiers, indem es der Deponent zu einem der genannten Zwecke<lb/>
giebt, der Depositar zu demselben Zwecke von diesem empfängt. Oder aber<lb/>
das Depot bildet sich mittelbar für den Depottundeu in dein Gewahrsam des<lb/>
Bankiers; es kommt nicht durch unmittelbare Übertragung vonseiten des erstern,<lb/>
sondern durch Ubereigunng vonseiten eines dritten in seinen Besitz, infolge von<lb/>
Geschäften, Anlaufen und Verkaufen marktläufiger Wertpapiere, die der Bankier<lb/>
in eignem Namen, aber für Rechnung seines Kunden mit dem dritten ab¬<lb/>
schließt. Der Bankier handelt hier als Kommissionär. Das Depot heißt dar¬<lb/>
nach Kommissionsdepot.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_908"> In diesem Kommissionsdepot sitzt der wunde Punkt, an dem die Reform-<lb/>
arbeit zu beginnen hat, wenn es ihr wirklich um die Beseitigung von Übel¬<lb/>
ständen Ernst ist. Auf diesem Gebiete bewegt sich die große Mehrzahl jener<lb/>
Unterschlagungen, die die Wogen der öffentlichen Erregung im vorigen Jahre<lb/>
in schäumende Bewegung gesetzt haben. Unterschlagungen &#x2014; denn das waren<lb/>
sie nach unserm beschränkten Unterthcinenverstcmde, nicht freilich nach der Ansicht<lb/>
der allvermögenden Bankwelt. Ist es doch vor Gericht von hinzugezognen<lb/>
Börsensachverständigen wiederholt als &#x201E;Handelsbrauch" hingestellt worden, daß<lb/>
die angekauften Effekten von den Einkaufskommissionären den Kommittenten<lb/>
nicht wirklich übereignet werden, sondern daß ihnen nur der Anspruch auf<lb/>
einen bestimmten Betrag der Effekten gutgeschrieben wird, sodaß der Kommit-<lb/>
tent bis zur geschehenen Übereignung lediglich einen obligatorischen Anspruch<lb/>
besitzt und im Konkurse des Kommissionärs kein Anssvnderungsrecht bezüglich<lb/>
der angeschafften Effekten geltend machen, sondern nur die Forderung auf ver¬<lb/>
hältnismäßige Befriedigung aus der Masse anmelden kann! Und keine gesetz¬<lb/>
liche Vorschrift tritt der Ausbildung eines solchen, allen Begriffen von Moral<lb/>
und Recht ins Gesicht schlagenden &#x201E;Handelsbrauchs" in den Weg. Die ge¬<lb/>
setzliche Regelung des Kommissionsgeschäfts, wie sie in unserm Handelsgesetz¬<lb/>
buch nach schweren Kämpfen zu stände gekommen ist, zeigt hier eine empfind¬<lb/>
liche Lücke. Die Frage, mit welchem Augenblicke Gefahr und Eigentum der<lb/>
infolge einer Einkanfskommission erstandnen Ware auf den Kommittenten über¬<lb/>
gehe, ist eine offne, und die Praxis der Gerichte hat nur dazu beigetragen,<lb/>
die in dieser Beziehung herrschende Unklarheit und Verwirrung noch zu er¬<lb/>
höhen. Wenn auch das Reichsgericht die von dem Reichsoberhandelsgericht<lb/>
aufgestellte gefährliche Nechtsansicht, daß der Kommissionär seiner Verpflich¬<lb/>
tung zur Übergabe der eingekauften Papiere durch Gewährung von Papieren<lb/>
derselben Gattung genüge, mit Erfolg bekämpft und sich dem entgegengesetzten<lb/>
Grundsätze angeschlossen hat, daß der Kommissionär die bestimmten eingekauften<lb/>
Stücke dem Kommittenten zu gewähren hat, so ist doch damit die Frage, mit<lb/>
welchem Augenblicke die in Kommission eingekauften Werte der Verfügungs¬<lb/>
gewalt des Depositars entzogen sind, nichts weniger als gelöst.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0300] <Lin Lcmkdepotgesotz Depot kommt entweder unmittelbar auf einem der bezeichneten Wege in die Hand des Bankiers, indem es der Deponent zu einem der genannten Zwecke giebt, der Depositar zu demselben Zwecke von diesem empfängt. Oder aber das Depot bildet sich mittelbar für den Depottundeu in dein Gewahrsam des Bankiers; es kommt nicht durch unmittelbare Übertragung vonseiten des erstern, sondern durch Ubereigunng vonseiten eines dritten in seinen Besitz, infolge von Geschäften, Anlaufen und Verkaufen marktläufiger Wertpapiere, die der Bankier in eignem Namen, aber für Rechnung seines Kunden mit dem dritten ab¬ schließt. Der Bankier handelt hier als Kommissionär. Das Depot heißt dar¬ nach Kommissionsdepot. In diesem Kommissionsdepot sitzt der wunde Punkt, an dem die Reform- arbeit zu beginnen hat, wenn es ihr wirklich um die Beseitigung von Übel¬ ständen Ernst ist. Auf diesem Gebiete bewegt sich die große Mehrzahl jener Unterschlagungen, die die Wogen der öffentlichen Erregung im vorigen Jahre in schäumende Bewegung gesetzt haben. Unterschlagungen — denn das waren sie nach unserm beschränkten Unterthcinenverstcmde, nicht freilich nach der Ansicht der allvermögenden Bankwelt. Ist es doch vor Gericht von hinzugezognen Börsensachverständigen wiederholt als „Handelsbrauch" hingestellt worden, daß die angekauften Effekten von den Einkaufskommissionären den Kommittenten nicht wirklich übereignet werden, sondern daß ihnen nur der Anspruch auf einen bestimmten Betrag der Effekten gutgeschrieben wird, sodaß der Kommit- tent bis zur geschehenen Übereignung lediglich einen obligatorischen Anspruch besitzt und im Konkurse des Kommissionärs kein Anssvnderungsrecht bezüglich der angeschafften Effekten geltend machen, sondern nur die Forderung auf ver¬ hältnismäßige Befriedigung aus der Masse anmelden kann! Und keine gesetz¬ liche Vorschrift tritt der Ausbildung eines solchen, allen Begriffen von Moral und Recht ins Gesicht schlagenden „Handelsbrauchs" in den Weg. Die ge¬ setzliche Regelung des Kommissionsgeschäfts, wie sie in unserm Handelsgesetz¬ buch nach schweren Kämpfen zu stände gekommen ist, zeigt hier eine empfind¬ liche Lücke. Die Frage, mit welchem Augenblicke Gefahr und Eigentum der infolge einer Einkanfskommission erstandnen Ware auf den Kommittenten über¬ gehe, ist eine offne, und die Praxis der Gerichte hat nur dazu beigetragen, die in dieser Beziehung herrschende Unklarheit und Verwirrung noch zu er¬ höhen. Wenn auch das Reichsgericht die von dem Reichsoberhandelsgericht aufgestellte gefährliche Nechtsansicht, daß der Kommissionär seiner Verpflich¬ tung zur Übergabe der eingekauften Papiere durch Gewährung von Papieren derselben Gattung genüge, mit Erfolg bekämpft und sich dem entgegengesetzten Grundsätze angeschlossen hat, daß der Kommissionär die bestimmten eingekauften Stücke dem Kommittenten zu gewähren hat, so ist doch damit die Frage, mit welchem Augenblicke die in Kommission eingekauften Werte der Verfügungs¬ gewalt des Depositars entzogen sind, nichts weniger als gelöst.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/300
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/300>, abgerufen am 23.07.2024.