Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Lin amerikanischer Sozialist Verschaffen könnten. Durch die Verstaatlichung brauche kein Mensch ans seinem Die beiden Länder, in denen der Sozialismus um meisten Aussicht auf Lin amerikanischer Sozialist Verschaffen könnten. Durch die Verstaatlichung brauche kein Mensch ans seinem Die beiden Länder, in denen der Sozialismus um meisten Aussicht auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213143"/> <fw type="header" place="top"> Lin amerikanischer Sozialist</fw><lb/> <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> Verschaffen könnten. Durch die Verstaatlichung brauche kein Mensch ans seinem<lb/> Hause getrieben zu werden; nur eben die Verfügung über die Produktions¬<lb/> mittel, die Macht, ihre Mitmenschen von deren Benützung zur Befriedigung<lb/> iheer Bedürfnisse auszuschließen und sie so im Elend festzuhalten, werde ihnen<lb/> genommen werden; das Kapital werde aufhören, die Arbeit zu beherrschen; es<lb/> werde fortan der hilfreiche Diener der Arbeit fürs Gemeinwohl sein und damit<lb/> seine Bestimmung erreichen: es werde dann wirkliches Volksvermögen, und der<lb/> Staat sein Verwalter sein. Die Entschädigung der Kapitalisten in der oben<lb/> angegebnen Weise werde bei weitem nicht so viel kosten, wie so mancher un¬<lb/> sinnige Krieg.</p><lb/> <p xml:id="ID_57"> Die beiden Länder, in denen der Sozialismus um meisten Aussicht auf<lb/> baldige Verwirklichung hat, sind nach des Verfassers Ansicht England und die<lb/> Vereinigten Staaten, nicht bloß weil dort der auf die Spitze getriebne Kapi¬<lb/> talismus nahe daran ist, ins Gegenteil umzuschlagen, sondern anch weil, in<lb/> Amerika wenigstens, die Geister durch die herrschende demokratische Gesinnung<lb/> auf den Umschwung vorbereitet sind. Gronlund hält es schon für einen sehr<lb/> nützlichen Fortschritt, daß die junge Amerikanerin lieber in die Fabrik als in<lb/> Dienst geht, weil sie das Entwürdigende eines persönlichen Dienstverhältnisses<lb/> fühle, daß sich überhaupt ein geborner Amerikaner nicht leicht mehr zu einer<lb/> Dienstbotenstelle herabläßt. (Wir Deutschen sind in diesem Punkte leider sort-<lb/> geschrittner, als der Amerikaner ahnt.) In Europa wirkten, meint er, u. a. das<lb/> Trinkgelderunwesen und die anerzvgne Ehrfurcht vor Titeln zusammen, die<lb/> ärmere Bevölkerung durch das stets wach erhaltne Gefühl der Unterwürfigkeit<lb/> ,zu lahmen. Namentlich auf dem europäischen Festlande seien die einer echt<lb/> demokratischen Entwicklung im Wege stehenden Hindernisse sehr groß, und für<lb/> den Fall einer stegreichen Revolution drohe die Gefahr der Reaktion. Eine<lb/> Hauptstütze des herrschenden Kapitalismus bilde in allen Ländern die verächt¬<lb/> liche Klasse jener armen Teufel, die in der eitel» Hoffnung, es könne ihnen<lb/> selbst noch einmal glücken, reich zu werden und die Seligkeiten des Reichtums<lb/> zu kosten, einstweilen fortfahren, für die Reichen zu arbeiten und deren vor¬<lb/> gebliche Rechte zu verteidigen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Lin amerikanischer Sozialist
Verschaffen könnten. Durch die Verstaatlichung brauche kein Mensch ans seinem
Hause getrieben zu werden; nur eben die Verfügung über die Produktions¬
mittel, die Macht, ihre Mitmenschen von deren Benützung zur Befriedigung
iheer Bedürfnisse auszuschließen und sie so im Elend festzuhalten, werde ihnen
genommen werden; das Kapital werde aufhören, die Arbeit zu beherrschen; es
werde fortan der hilfreiche Diener der Arbeit fürs Gemeinwohl sein und damit
seine Bestimmung erreichen: es werde dann wirkliches Volksvermögen, und der
Staat sein Verwalter sein. Die Entschädigung der Kapitalisten in der oben
angegebnen Weise werde bei weitem nicht so viel kosten, wie so mancher un¬
sinnige Krieg.
Die beiden Länder, in denen der Sozialismus um meisten Aussicht auf
baldige Verwirklichung hat, sind nach des Verfassers Ansicht England und die
Vereinigten Staaten, nicht bloß weil dort der auf die Spitze getriebne Kapi¬
talismus nahe daran ist, ins Gegenteil umzuschlagen, sondern anch weil, in
Amerika wenigstens, die Geister durch die herrschende demokratische Gesinnung
auf den Umschwung vorbereitet sind. Gronlund hält es schon für einen sehr
nützlichen Fortschritt, daß die junge Amerikanerin lieber in die Fabrik als in
Dienst geht, weil sie das Entwürdigende eines persönlichen Dienstverhältnisses
fühle, daß sich überhaupt ein geborner Amerikaner nicht leicht mehr zu einer
Dienstbotenstelle herabläßt. (Wir Deutschen sind in diesem Punkte leider sort-
geschrittner, als der Amerikaner ahnt.) In Europa wirkten, meint er, u. a. das
Trinkgelderunwesen und die anerzvgne Ehrfurcht vor Titeln zusammen, die
ärmere Bevölkerung durch das stets wach erhaltne Gefühl der Unterwürfigkeit
,zu lahmen. Namentlich auf dem europäischen Festlande seien die einer echt
demokratischen Entwicklung im Wege stehenden Hindernisse sehr groß, und für
den Fall einer stegreichen Revolution drohe die Gefahr der Reaktion. Eine
Hauptstütze des herrschenden Kapitalismus bilde in allen Ländern die verächt¬
liche Klasse jener armen Teufel, die in der eitel» Hoffnung, es könne ihnen
selbst noch einmal glücken, reich zu werden und die Seligkeiten des Reichtums
zu kosten, einstweilen fortfahren, für die Reichen zu arbeiten und deren vor¬
gebliche Rechte zu verteidigen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |