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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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und mit zahlreichen Unterhaltungsmitteln, damit es die große Menge anzöge.
Das gab der Errichtung des Museums wieder einen ganz sonderbaren Cha¬
rakter, der Grundgedanke der Ausstellung wurde verdunkelt, verwischt, ver¬
wirrt, und damit auch die Stimmung des Publikums, der öffentlichen Mei¬
nung. Ein Museum ist ein Ort stiller Betrachtung, die Ausstellung aber
wurde ein Sammelplatz der mannigfaltigsten Vergnügungen. Hier spielte ein
Marionettentheater, dort war ein Panorama zu sehen, an fünf, sechs Orten
zugleich war Musik zu hören, an den Abenden gab es Konzerte in der Musik¬
halle, Vorstellungen im Ausstellungstheater, die Schrammeln bei Stalehner
in Alt-Wien, Volkssänger anderwärts --- man wurde nach zehn Seiten hin
gelockt, und diese Anhäufung von musikalischen und theatralischen Produktionen
förderte keineswegs die Würde der Kunst. Man liebt am meisten den sel¬
tenen Freund, und die Kunst ist ein solcher Freund. Wenn täglich die aus¬
gesuchtesten Kunstgenüsse geboten werden, so sinkt ihr Wert und auch die
Aufnahmefähigkeit der Menschen. Etwas andres ist die berufsmäßige Beschäf¬
tigung mit den Künsten, etwas andres das Verhältnis des Genießenden zu
ihnen. Durch diesen Jahrmarkt der Künste sind sie nicht populärer geworden,
das Publikum hat es durch seine Zurückhaltung gezeigt. Meist wurde ebenso
in der Torhalle wie im Schattenspiel- und im Ausstellungstheater vor wenigen
zahlenden Menschen gespielt, in den meisten Fällen sammelten sich eingeladne
Personen, die in engerer Beziehung zu den Spielenden oder den Unternehmern
standen, oder die ihr Beruf dazu zwang, hineinzugehen -- es war meist eine
kühle Stimmung vorherrschend. Nur als Maseagni nach Wien kam und
im Ausstellungstheater das Orchester dirigirte, gab es endlosen Jubel, und
Wien berauschte sich eine Woche laug in der Feier des jungen Musikers. Aber
das wäre auch ohne die Ausstellung geschehen, und als er Abschied nahm, da
war das Ausstellungstheater gerade wieder so leer wie zuvor. Freilich trugen
zu dieser Zurückhaltung des Publikums auch die teuern Preise bei, die man
für die Billets zahlen mußte, wenn man sie nicht -- geschenkt erhielt. Und
damit berühren wir die andern, nicht im Wesen des Unternehmens gelegnen
Schwächen. Die Ausstellung wird allgemein aus die Anregung der Fürstin
Metternich zurückgeführt. Diese hohe Dame von Geist und Herz hat den edeln
Ehrgeiz, den Wienern Schauspiele zu bereiten, die den Reichen mit Heiterkeit
das Geld aus der Tasche locken, um es dem Gewerbestande zuzuführen. Das
Wiener Gewerbe erwies sich denn auch am Schluß der Ausstellung dankbar
für diese Gesinnung: es unterzeichnete eine Huldigungsadresse an die Fürstin.
Diese selbst um der Spitze des ganzen Ausstelluugsunternehmens war aber mich
die Führerin der ganzen, ihr anhängenden Aristokratie zum Besuche der Aus¬
stellung. Der Adel gab durch seinen zahlreichen Besuch nud durch Entfaltung
seines Reichtums deu ersten Wochen der Ausstellung ein glänzendes Gepräge.
Auf dem Hintergrunde der Rotunde, die die kostbarsten Schätze der Mensch-


und mit zahlreichen Unterhaltungsmitteln, damit es die große Menge anzöge.
Das gab der Errichtung des Museums wieder einen ganz sonderbaren Cha¬
rakter, der Grundgedanke der Ausstellung wurde verdunkelt, verwischt, ver¬
wirrt, und damit auch die Stimmung des Publikums, der öffentlichen Mei¬
nung. Ein Museum ist ein Ort stiller Betrachtung, die Ausstellung aber
wurde ein Sammelplatz der mannigfaltigsten Vergnügungen. Hier spielte ein
Marionettentheater, dort war ein Panorama zu sehen, an fünf, sechs Orten
zugleich war Musik zu hören, an den Abenden gab es Konzerte in der Musik¬
halle, Vorstellungen im Ausstellungstheater, die Schrammeln bei Stalehner
in Alt-Wien, Volkssänger anderwärts —- man wurde nach zehn Seiten hin
gelockt, und diese Anhäufung von musikalischen und theatralischen Produktionen
förderte keineswegs die Würde der Kunst. Man liebt am meisten den sel¬
tenen Freund, und die Kunst ist ein solcher Freund. Wenn täglich die aus¬
gesuchtesten Kunstgenüsse geboten werden, so sinkt ihr Wert und auch die
Aufnahmefähigkeit der Menschen. Etwas andres ist die berufsmäßige Beschäf¬
tigung mit den Künsten, etwas andres das Verhältnis des Genießenden zu
ihnen. Durch diesen Jahrmarkt der Künste sind sie nicht populärer geworden,
das Publikum hat es durch seine Zurückhaltung gezeigt. Meist wurde ebenso
in der Torhalle wie im Schattenspiel- und im Ausstellungstheater vor wenigen
zahlenden Menschen gespielt, in den meisten Fällen sammelten sich eingeladne
Personen, die in engerer Beziehung zu den Spielenden oder den Unternehmern
standen, oder die ihr Beruf dazu zwang, hineinzugehen — es war meist eine
kühle Stimmung vorherrschend. Nur als Maseagni nach Wien kam und
im Ausstellungstheater das Orchester dirigirte, gab es endlosen Jubel, und
Wien berauschte sich eine Woche laug in der Feier des jungen Musikers. Aber
das wäre auch ohne die Ausstellung geschehen, und als er Abschied nahm, da
war das Ausstellungstheater gerade wieder so leer wie zuvor. Freilich trugen
zu dieser Zurückhaltung des Publikums auch die teuern Preise bei, die man
für die Billets zahlen mußte, wenn man sie nicht — geschenkt erhielt. Und
damit berühren wir die andern, nicht im Wesen des Unternehmens gelegnen
Schwächen. Die Ausstellung wird allgemein aus die Anregung der Fürstin
Metternich zurückgeführt. Diese hohe Dame von Geist und Herz hat den edeln
Ehrgeiz, den Wienern Schauspiele zu bereiten, die den Reichen mit Heiterkeit
das Geld aus der Tasche locken, um es dem Gewerbestande zuzuführen. Das
Wiener Gewerbe erwies sich denn auch am Schluß der Ausstellung dankbar
für diese Gesinnung: es unterzeichnete eine Huldigungsadresse an die Fürstin.
Diese selbst um der Spitze des ganzen Ausstelluugsunternehmens war aber mich
die Führerin der ganzen, ihr anhängenden Aristokratie zum Besuche der Aus¬
stellung. Der Adel gab durch seinen zahlreichen Besuch nud durch Entfaltung
seines Reichtums deu ersten Wochen der Ausstellung ein glänzendes Gepräge.
Auf dem Hintergrunde der Rotunde, die die kostbarsten Schätze der Mensch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/275>, abgerufen am 23.07.2024.