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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Albrecht von Roon

gewesen, und ein Lohn ist seiner treuen Arbeit hier geworden, ein so voll¬
gerütteltes Maß der Erfolge und des Ruhmes, wie es selten einem Sterb¬
lichen zuteil geworden ist.

Im dänischen Kriege von 1864 bestand das umgebildete Heer ruhmvoll
die erste Feuerprobe, und die junge Flotte erhielt ihre Bluttaufe auf der
Höhe von Arkona. Zwei Jahre später entfaltete zum Erstaunen und Entsetzen
der Welt die neue Organisation ihre ganze ungeheure Kraft, und als am
Nachmittage des 3. Juli 1866 Roon und Bismarck ans der Höhe von Sadvwa
neben einander beim König hielten und hinuntersahen auf die wogende Schlacht
und auf das unaufhaltsame Vordringen der blauen Heersäulen, da konnte
Roon seinem Kampfgenossen freudig zurufen: "Diesmal hat uns der brave
Musketier herausgerissen!" Dann schuf er die zahlreichen Neufvrmationen,
die die Erwerbung der neuen Provinzen und die Gründung des Norddeutschen
Bundes notwendig machten, und er sah zugleich, wie das Muster, das er auf¬
gestellt hatte, auch für Süddeutschland Vorbild wurde.

Als dann der Krieg von 1870 so jus und unerwartet ausbrach, da konnte es
Roon, während sich das überwältigend großartige Schauspiel der Mobilisirnng
des gesamten deutschen Heeres planmäßig ohne Rast, aber ohne Hast vollzog,
behaglich nussprechen, die dein Mvbilisirungsbefehle folgenden vierzehn Tage
seien fast die sorg- und arbeitslosesten seines gesamten Dienstlebens gewesen;
so musterhaft arbeitete die ungeheure Maschine, die er ersonnen hatte! Und
nun folgte er dem unaufhaltsamen Siegeszuge unsers Heeres nach Frankreich
hinein, und immer neue Massen füllten nach seinem Plane die Lücken, die
Wunden und Tod immer und immer wieder rissen. Aber auch er mußte mit
seinem Herzblute für die Siege zahlen. Bei Sedan erhielt sein zweiter Sohn
Bernhard, Hauptmann und Batteriechef in der Gardeartillerie, die Todes¬
wunde, und am Nachmittage des 2. September, inmitten des Jubels, mit dem
das siegreiche Heer seinen König und Kriegsherrn auf dem Schlachtfelde be¬
grüßte, nahm der Schöpfer dieses Heeres den letzten Abschied von dem geliebten
Sohne. Aber er fand die christliche Fassung, an seine Gemahlin zu ihrem
Geburtstage mit der Trauerbinde zugleich die tröstenden Worte zu schreiben:
"Unser Sohn ist uns vorausgegangen, was ist das weiter!"

Endlich kam der unvergeßliche 16. Juni 1871; da ritt Graf Roon, der
eherne Waffenschmied des deutschen Heeres, an der Spitze dieses Heeres dem
Kaiser voran in die Reichshauptstadt ein, neben ihm der Meister der Staats-
kttnst und der große Schlachtendenker, umbraust von vieltausendstimmigem
Jubelruf; er aber schaute gerad und fest vor sich hin, als ginge ihn das alles
gar nichts an.

Doch bald nach dem Kriege fühlte er, daß seine körperliche Kraft, die
schon vorher oft ins Schwanken geraten war und ihm den Gedanken des
Rücktritts schon wiederholt (so 1867) nahe gelegt hatte, den Anstrengungen


Albrecht von Roon

gewesen, und ein Lohn ist seiner treuen Arbeit hier geworden, ein so voll¬
gerütteltes Maß der Erfolge und des Ruhmes, wie es selten einem Sterb¬
lichen zuteil geworden ist.

Im dänischen Kriege von 1864 bestand das umgebildete Heer ruhmvoll
die erste Feuerprobe, und die junge Flotte erhielt ihre Bluttaufe auf der
Höhe von Arkona. Zwei Jahre später entfaltete zum Erstaunen und Entsetzen
der Welt die neue Organisation ihre ganze ungeheure Kraft, und als am
Nachmittage des 3. Juli 1866 Roon und Bismarck ans der Höhe von Sadvwa
neben einander beim König hielten und hinuntersahen auf die wogende Schlacht
und auf das unaufhaltsame Vordringen der blauen Heersäulen, da konnte
Roon seinem Kampfgenossen freudig zurufen: „Diesmal hat uns der brave
Musketier herausgerissen!" Dann schuf er die zahlreichen Neufvrmationen,
die die Erwerbung der neuen Provinzen und die Gründung des Norddeutschen
Bundes notwendig machten, und er sah zugleich, wie das Muster, das er auf¬
gestellt hatte, auch für Süddeutschland Vorbild wurde.

Als dann der Krieg von 1870 so jus und unerwartet ausbrach, da konnte es
Roon, während sich das überwältigend großartige Schauspiel der Mobilisirnng
des gesamten deutschen Heeres planmäßig ohne Rast, aber ohne Hast vollzog,
behaglich nussprechen, die dein Mvbilisirungsbefehle folgenden vierzehn Tage
seien fast die sorg- und arbeitslosesten seines gesamten Dienstlebens gewesen;
so musterhaft arbeitete die ungeheure Maschine, die er ersonnen hatte! Und
nun folgte er dem unaufhaltsamen Siegeszuge unsers Heeres nach Frankreich
hinein, und immer neue Massen füllten nach seinem Plane die Lücken, die
Wunden und Tod immer und immer wieder rissen. Aber auch er mußte mit
seinem Herzblute für die Siege zahlen. Bei Sedan erhielt sein zweiter Sohn
Bernhard, Hauptmann und Batteriechef in der Gardeartillerie, die Todes¬
wunde, und am Nachmittage des 2. September, inmitten des Jubels, mit dem
das siegreiche Heer seinen König und Kriegsherrn auf dem Schlachtfelde be¬
grüßte, nahm der Schöpfer dieses Heeres den letzten Abschied von dem geliebten
Sohne. Aber er fand die christliche Fassung, an seine Gemahlin zu ihrem
Geburtstage mit der Trauerbinde zugleich die tröstenden Worte zu schreiben:
„Unser Sohn ist uns vorausgegangen, was ist das weiter!"

Endlich kam der unvergeßliche 16. Juni 1871; da ritt Graf Roon, der
eherne Waffenschmied des deutschen Heeres, an der Spitze dieses Heeres dem
Kaiser voran in die Reichshauptstadt ein, neben ihm der Meister der Staats-
kttnst und der große Schlachtendenker, umbraust von vieltausendstimmigem
Jubelruf; er aber schaute gerad und fest vor sich hin, als ginge ihn das alles
gar nichts an.

Doch bald nach dem Kriege fühlte er, daß seine körperliche Kraft, die
schon vorher oft ins Schwanken geraten war und ihm den Gedanken des
Rücktritts schon wiederholt (so 1867) nahe gelegt hatte, den Anstrengungen


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[0272] Albrecht von Roon gewesen, und ein Lohn ist seiner treuen Arbeit hier geworden, ein so voll¬ gerütteltes Maß der Erfolge und des Ruhmes, wie es selten einem Sterb¬ lichen zuteil geworden ist. Im dänischen Kriege von 1864 bestand das umgebildete Heer ruhmvoll die erste Feuerprobe, und die junge Flotte erhielt ihre Bluttaufe auf der Höhe von Arkona. Zwei Jahre später entfaltete zum Erstaunen und Entsetzen der Welt die neue Organisation ihre ganze ungeheure Kraft, und als am Nachmittage des 3. Juli 1866 Roon und Bismarck ans der Höhe von Sadvwa neben einander beim König hielten und hinuntersahen auf die wogende Schlacht und auf das unaufhaltsame Vordringen der blauen Heersäulen, da konnte Roon seinem Kampfgenossen freudig zurufen: „Diesmal hat uns der brave Musketier herausgerissen!" Dann schuf er die zahlreichen Neufvrmationen, die die Erwerbung der neuen Provinzen und die Gründung des Norddeutschen Bundes notwendig machten, und er sah zugleich, wie das Muster, das er auf¬ gestellt hatte, auch für Süddeutschland Vorbild wurde. Als dann der Krieg von 1870 so jus und unerwartet ausbrach, da konnte es Roon, während sich das überwältigend großartige Schauspiel der Mobilisirnng des gesamten deutschen Heeres planmäßig ohne Rast, aber ohne Hast vollzog, behaglich nussprechen, die dein Mvbilisirungsbefehle folgenden vierzehn Tage seien fast die sorg- und arbeitslosesten seines gesamten Dienstlebens gewesen; so musterhaft arbeitete die ungeheure Maschine, die er ersonnen hatte! Und nun folgte er dem unaufhaltsamen Siegeszuge unsers Heeres nach Frankreich hinein, und immer neue Massen füllten nach seinem Plane die Lücken, die Wunden und Tod immer und immer wieder rissen. Aber auch er mußte mit seinem Herzblute für die Siege zahlen. Bei Sedan erhielt sein zweiter Sohn Bernhard, Hauptmann und Batteriechef in der Gardeartillerie, die Todes¬ wunde, und am Nachmittage des 2. September, inmitten des Jubels, mit dem das siegreiche Heer seinen König und Kriegsherrn auf dem Schlachtfelde be¬ grüßte, nahm der Schöpfer dieses Heeres den letzten Abschied von dem geliebten Sohne. Aber er fand die christliche Fassung, an seine Gemahlin zu ihrem Geburtstage mit der Trauerbinde zugleich die tröstenden Worte zu schreiben: „Unser Sohn ist uns vorausgegangen, was ist das weiter!" Endlich kam der unvergeßliche 16. Juni 1871; da ritt Graf Roon, der eherne Waffenschmied des deutschen Heeres, an der Spitze dieses Heeres dem Kaiser voran in die Reichshauptstadt ein, neben ihm der Meister der Staats- kttnst und der große Schlachtendenker, umbraust von vieltausendstimmigem Jubelruf; er aber schaute gerad und fest vor sich hin, als ginge ihn das alles gar nichts an. Doch bald nach dem Kriege fühlte er, daß seine körperliche Kraft, die schon vorher oft ins Schwanken geraten war und ihm den Gedanken des Rücktritts schon wiederholt (so 1867) nahe gelegt hatte, den Anstrengungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/272>, abgerufen am 23.07.2024.