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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Albrocht von Roon

Aber zugleich konnte er dein Freunde melden, Bismarck sei soeben ein¬
getroffen! Am 18. September hatte Vismarck in Toulouse, das er auf einer
Reise durch die Pyrenäen und Südfrankreich soeben erreicht hatte, in Roons
Auftrage eine kurze Depesche ihres gemeinschaftlichen Freundes Moritz von
Blankenburg erhalten: ?sriouluin in nrorg.. v8vöoQLi?-v0U8.") Er fuhr Tag
und Nacht und langte am Morgen des 20. September in der preußischen
Hauptstadt an; Roon war ihm eine Strecke cntgegengereist. Am 23. Sep¬
tember strich das Abgeordnetenhaus mit 273 gegen 63 Stimmen abermals
die gesamten Kosten der Heeresreform und nahm darauf das verstümmelte
Budget mit 308 gegen 11 Stimmen an. Gleichzeitig erbaten drei Minister
ihre Entlassung.

Unmittelbar darauf erstattete Roon dem König auf Schloß Babelsbcrg
Bericht über dies trostlose Ergebnis. Der Monarch war tief niedergeschlagen,
und wieder riet Roon: "Berufen Euer Majestät Bismarck." Wenige Stunden
später hatte dieser mit dem König die entscheidende Unterredung im Parke
von Babelsberg. Das erste, was ihm der Monarch mitteilte, war der Ent¬
wurf zur Erklärung seiner Abdankung. Betroffen, aber mit größter Bestimmt¬
heit erwiderte Vismarck, dahin dürfe es in Preußen niemals kommen, und
nun erklärte er sich bereit, die Regierung zu übernehmen ohne Budget, ohne
die Armeereorganisation preiszugeben, ohne Programm. Dieses dreimalige
feste und klare Ja verwandelte den König. War feine Haltung vorher die
eines tiefgebeugten Mnunes gewesen, so schritt er jetzt aufrecht, fest und straff
von dannen. Der Bund fürs Leben war geschloffen.

Am nächsten Tage, am 24. September, brachte der "Staatsanzeiger" den
königlichen Erlaß, der dem Wirklichen Geheimen Rate von Bismarck-Schön-
hausen zunächst den provisorischen Vorsitz im Staatsministerium übertrug. Das
Ministerium hatte sein Haupt gefunden, und das war in erster Linie Roons
Verdienst. Er hatte den Plan zur Heeresreform entworfen, ihn binnen kurzem
in angestrengtester Thätigkeit verwirklicht und zwei Jahre lang in aufreibenden
Parlamentarischen Kampfe vertreten; er hatte das Ministerium zu einem ein¬
heitlichen geschloßnen Körper umgestaltet und schließlich dafür gesorgt, daß
der rechte Mann an seine Spitze gerufen wurde.

neidlos trat er seitdem in die zweite Stelle zurück. Unbefangen und
bereitwillig hat er die immer erstaunlicher sich entfaltende Genialität des großen
Staatsmannes um seiner Seite anerkannt, und trotz mancher Verschiedenheit
ihrer Anschauungen im einzelnen ist ihr freundschaftliches und vertrauensvolles
Verhältnis niemals gestört worden. Aber wenn Roon willig dem gewaltigen
Amtsgenossen den Vorrang ließ, in seinem Fache ist er um so eifriger thätig



*) Nach einer Mitteilung Bismcircks bei H. Kohl, Die politischen Reden des Fürsten
Bismarck II. .14, N. 1.
Albrocht von Roon

Aber zugleich konnte er dein Freunde melden, Bismarck sei soeben ein¬
getroffen! Am 18. September hatte Vismarck in Toulouse, das er auf einer
Reise durch die Pyrenäen und Südfrankreich soeben erreicht hatte, in Roons
Auftrage eine kurze Depesche ihres gemeinschaftlichen Freundes Moritz von
Blankenburg erhalten: ?sriouluin in nrorg.. v8vöoQLi?-v0U8.") Er fuhr Tag
und Nacht und langte am Morgen des 20. September in der preußischen
Hauptstadt an; Roon war ihm eine Strecke cntgegengereist. Am 23. Sep¬
tember strich das Abgeordnetenhaus mit 273 gegen 63 Stimmen abermals
die gesamten Kosten der Heeresreform und nahm darauf das verstümmelte
Budget mit 308 gegen 11 Stimmen an. Gleichzeitig erbaten drei Minister
ihre Entlassung.

Unmittelbar darauf erstattete Roon dem König auf Schloß Babelsbcrg
Bericht über dies trostlose Ergebnis. Der Monarch war tief niedergeschlagen,
und wieder riet Roon: „Berufen Euer Majestät Bismarck." Wenige Stunden
später hatte dieser mit dem König die entscheidende Unterredung im Parke
von Babelsberg. Das erste, was ihm der Monarch mitteilte, war der Ent¬
wurf zur Erklärung seiner Abdankung. Betroffen, aber mit größter Bestimmt¬
heit erwiderte Vismarck, dahin dürfe es in Preußen niemals kommen, und
nun erklärte er sich bereit, die Regierung zu übernehmen ohne Budget, ohne
die Armeereorganisation preiszugeben, ohne Programm. Dieses dreimalige
feste und klare Ja verwandelte den König. War feine Haltung vorher die
eines tiefgebeugten Mnunes gewesen, so schritt er jetzt aufrecht, fest und straff
von dannen. Der Bund fürs Leben war geschloffen.

Am nächsten Tage, am 24. September, brachte der „Staatsanzeiger" den
königlichen Erlaß, der dem Wirklichen Geheimen Rate von Bismarck-Schön-
hausen zunächst den provisorischen Vorsitz im Staatsministerium übertrug. Das
Ministerium hatte sein Haupt gefunden, und das war in erster Linie Roons
Verdienst. Er hatte den Plan zur Heeresreform entworfen, ihn binnen kurzem
in angestrengtester Thätigkeit verwirklicht und zwei Jahre lang in aufreibenden
Parlamentarischen Kampfe vertreten; er hatte das Ministerium zu einem ein¬
heitlichen geschloßnen Körper umgestaltet und schließlich dafür gesorgt, daß
der rechte Mann an seine Spitze gerufen wurde.

neidlos trat er seitdem in die zweite Stelle zurück. Unbefangen und
bereitwillig hat er die immer erstaunlicher sich entfaltende Genialität des großen
Staatsmannes um seiner Seite anerkannt, und trotz mancher Verschiedenheit
ihrer Anschauungen im einzelnen ist ihr freundschaftliches und vertrauensvolles
Verhältnis niemals gestört worden. Aber wenn Roon willig dem gewaltigen
Amtsgenossen den Vorrang ließ, in seinem Fache ist er um so eifriger thätig



*) Nach einer Mitteilung Bismcircks bei H. Kohl, Die politischen Reden des Fürsten
Bismarck II. .14, N. 1.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/271>, abgerufen am 22.12.2024.