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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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durch Abtrennung von Polen im Jahre 1)63 souverän gewordnen Herzoge,
deren Zahl durch fortdauernde Erbteilungen zeitweise in Oberschlesien vier be¬
trug -- Ratibor, Oppeln, Beuthen und Taschen --, in Mittel- und Nieder¬
schlesien nicht geringer war, besaßen den größten Teil des ganzen Landes als
Dvmäueugut und veräußerten es im Laufe der Zeit durch Eiuzclvcrkänfe und
Verschreibungen aller Art unter Festsetzung verschiedner Abgaben. Ost- und
Westpreußen waren von den deutscheu Rittern erobert, das ganze weite Gebiet
dieser beiden Provinzen war von ihnen als Eigentum in Besitz genommen
und wurde in gleicher Weise wie in Schlesien dnrch die Herzoge gegen Fest¬
setzung von Abgaben veräußert, das Laud wurde durch deutsche Ansiedler
tolonisirt. Die von den Ansiedlern übernommenen Abgaben bestanden in der
Regel aus Naturalabgaben und Natnraldiensten, ans Haferlieferungcn für die
Pferde der Ritter, aus persönlichen Ritterdiensten, aus verschiednen zum Ban
der Burgen dienenden Pflichten, deu sogenannten Burgdiensten. Die Natural¬
abgaben und Naturaldienste wurden von den Pflichtigen auch unter den Her¬
zogen und Königen fortgeleistet. Noch gegen das Ende der Regierung König
Friedrichs des Ersten waren die ritterdienstpslichtigen Besitzer in zwei Regi¬
menter Dragoner eingeteilt. Zu den Übungen mußten sie in Person erscheinen
oder einen montirten Manu mit Waffen und Pferd stelle". Erst König Friedrich
Wilhelm der Erste hob im Jahre 1713 diese für die Gutsbesitzer lästige Einrich¬
tung auf nud setzte an ihre Stelle eine Geldabgabe, die für den einzelnen
Ritterdienst bei den adlichen Güter" zehn Thaler, bei den preußisch-freien
Gütern, deren Dienst von geringerm Werte gewesen sein muß, sechsnndzwei-
drittel Thaler jährlich betrug. Auch die übrigen Nntnraldieuste und Na¬
turalabgaben waren im Laufe der Zeit in Geld verwandelt worden, die Hafer¬
lieferung in sogenanntes Fouragegeld, die Einquartierungslasten in sogenannte
Servisgelder. Diese Gelder und die Nitterdienstgelder sind in der Provinz
Preußen bis zum 1. Januar 1865 als Grundsteuer erhoben worden, hatten
also offenbar die rechtliche Natur von Neallasten. Gleiche Verfassungszustande
wie für Schlesien und Preußen wären wohl für alle östlichen Provinzen
nachzuweisen.

Als UrsvrungSanelle der Grundsteuer für den ganzen Staat kommt
noch das während des Mittelalters in Deutschland allgemein bestehende
Lehusverhältuis in Betracht. Die Landesherren verliehen ihre Güter zu Lchus-
rechteu, die größer" Domüueu an Ritter und Reisige, mich kleinere Besitzungen
wurden zu Lehnsrechten mit verschiednen Abgaben ausgethan. Einzelne kleine
Landesherren suchten Schutz bei einem mächtiger" Herrn und gaben, vor¬
behaltlich ihrer Souveränität, ihre Besitzungen zu Lehn. So begaben sich im
Jahre 1327 sämtliche vberschlesische Herzoge in den Schutz des Königs Johann
von Böhmen, ihnen folgten bald die nieder- und mittelschlesischen Herzoge, und
in dieser Weise gelangte die ganze Provinz in Lehnsverband mit dem König-


Gi-euzlwtcu IV 1392

durch Abtrennung von Polen im Jahre 1)63 souverän gewordnen Herzoge,
deren Zahl durch fortdauernde Erbteilungen zeitweise in Oberschlesien vier be¬
trug — Ratibor, Oppeln, Beuthen und Taschen —, in Mittel- und Nieder¬
schlesien nicht geringer war, besaßen den größten Teil des ganzen Landes als
Dvmäueugut und veräußerten es im Laufe der Zeit durch Eiuzclvcrkänfe und
Verschreibungen aller Art unter Festsetzung verschiedner Abgaben. Ost- und
Westpreußen waren von den deutscheu Rittern erobert, das ganze weite Gebiet
dieser beiden Provinzen war von ihnen als Eigentum in Besitz genommen
und wurde in gleicher Weise wie in Schlesien dnrch die Herzoge gegen Fest¬
setzung von Abgaben veräußert, das Laud wurde durch deutsche Ansiedler
tolonisirt. Die von den Ansiedlern übernommenen Abgaben bestanden in der
Regel aus Naturalabgaben und Natnraldiensten, ans Haferlieferungcn für die
Pferde der Ritter, aus persönlichen Ritterdiensten, aus verschiednen zum Ban
der Burgen dienenden Pflichten, deu sogenannten Burgdiensten. Die Natural¬
abgaben und Naturaldienste wurden von den Pflichtigen auch unter den Her¬
zogen und Königen fortgeleistet. Noch gegen das Ende der Regierung König
Friedrichs des Ersten waren die ritterdienstpslichtigen Besitzer in zwei Regi¬
menter Dragoner eingeteilt. Zu den Übungen mußten sie in Person erscheinen
oder einen montirten Manu mit Waffen und Pferd stelle«. Erst König Friedrich
Wilhelm der Erste hob im Jahre 1713 diese für die Gutsbesitzer lästige Einrich¬
tung auf nud setzte an ihre Stelle eine Geldabgabe, die für den einzelnen
Ritterdienst bei den adlichen Güter» zehn Thaler, bei den preußisch-freien
Gütern, deren Dienst von geringerm Werte gewesen sein muß, sechsnndzwei-
drittel Thaler jährlich betrug. Auch die übrigen Nntnraldieuste und Na¬
turalabgaben waren im Laufe der Zeit in Geld verwandelt worden, die Hafer¬
lieferung in sogenanntes Fouragegeld, die Einquartierungslasten in sogenannte
Servisgelder. Diese Gelder und die Nitterdienstgelder sind in der Provinz
Preußen bis zum 1. Januar 1865 als Grundsteuer erhoben worden, hatten
also offenbar die rechtliche Natur von Neallasten. Gleiche Verfassungszustande
wie für Schlesien und Preußen wären wohl für alle östlichen Provinzen
nachzuweisen.

Als UrsvrungSanelle der Grundsteuer für den ganzen Staat kommt
noch das während des Mittelalters in Deutschland allgemein bestehende
Lehusverhältuis in Betracht. Die Landesherren verliehen ihre Güter zu Lchus-
rechteu, die größer» Domüueu an Ritter und Reisige, mich kleinere Besitzungen
wurden zu Lehnsrechten mit verschiednen Abgaben ausgethan. Einzelne kleine
Landesherren suchten Schutz bei einem mächtiger» Herrn und gaben, vor¬
behaltlich ihrer Souveränität, ihre Besitzungen zu Lehn. So begaben sich im
Jahre 1327 sämtliche vberschlesische Herzoge in den Schutz des Königs Johann
von Böhmen, ihnen folgten bald die nieder- und mittelschlesischen Herzoge, und
in dieser Weise gelangte die ganze Provinz in Lehnsverband mit dem König-


Gi-euzlwtcu IV 1392
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[0257] durch Abtrennung von Polen im Jahre 1)63 souverän gewordnen Herzoge, deren Zahl durch fortdauernde Erbteilungen zeitweise in Oberschlesien vier be¬ trug — Ratibor, Oppeln, Beuthen und Taschen —, in Mittel- und Nieder¬ schlesien nicht geringer war, besaßen den größten Teil des ganzen Landes als Dvmäueugut und veräußerten es im Laufe der Zeit durch Eiuzclvcrkänfe und Verschreibungen aller Art unter Festsetzung verschiedner Abgaben. Ost- und Westpreußen waren von den deutscheu Rittern erobert, das ganze weite Gebiet dieser beiden Provinzen war von ihnen als Eigentum in Besitz genommen und wurde in gleicher Weise wie in Schlesien dnrch die Herzoge gegen Fest¬ setzung von Abgaben veräußert, das Laud wurde durch deutsche Ansiedler tolonisirt. Die von den Ansiedlern übernommenen Abgaben bestanden in der Regel aus Naturalabgaben und Natnraldiensten, ans Haferlieferungcn für die Pferde der Ritter, aus persönlichen Ritterdiensten, aus verschiednen zum Ban der Burgen dienenden Pflichten, deu sogenannten Burgdiensten. Die Natural¬ abgaben und Naturaldienste wurden von den Pflichtigen auch unter den Her¬ zogen und Königen fortgeleistet. Noch gegen das Ende der Regierung König Friedrichs des Ersten waren die ritterdienstpslichtigen Besitzer in zwei Regi¬ menter Dragoner eingeteilt. Zu den Übungen mußten sie in Person erscheinen oder einen montirten Manu mit Waffen und Pferd stelle«. Erst König Friedrich Wilhelm der Erste hob im Jahre 1713 diese für die Gutsbesitzer lästige Einrich¬ tung auf nud setzte an ihre Stelle eine Geldabgabe, die für den einzelnen Ritterdienst bei den adlichen Güter» zehn Thaler, bei den preußisch-freien Gütern, deren Dienst von geringerm Werte gewesen sein muß, sechsnndzwei- drittel Thaler jährlich betrug. Auch die übrigen Nntnraldieuste und Na¬ turalabgaben waren im Laufe der Zeit in Geld verwandelt worden, die Hafer¬ lieferung in sogenanntes Fouragegeld, die Einquartierungslasten in sogenannte Servisgelder. Diese Gelder und die Nitterdienstgelder sind in der Provinz Preußen bis zum 1. Januar 1865 als Grundsteuer erhoben worden, hatten also offenbar die rechtliche Natur von Neallasten. Gleiche Verfassungszustande wie für Schlesien und Preußen wären wohl für alle östlichen Provinzen nachzuweisen. Als UrsvrungSanelle der Grundsteuer für den ganzen Staat kommt noch das während des Mittelalters in Deutschland allgemein bestehende Lehusverhältuis in Betracht. Die Landesherren verliehen ihre Güter zu Lchus- rechteu, die größer» Domüueu an Ritter und Reisige, mich kleinere Besitzungen wurden zu Lehnsrechten mit verschiednen Abgaben ausgethan. Einzelne kleine Landesherren suchten Schutz bei einem mächtiger» Herrn und gaben, vor¬ behaltlich ihrer Souveränität, ihre Besitzungen zu Lehn. So begaben sich im Jahre 1327 sämtliche vberschlesische Herzoge in den Schutz des Königs Johann von Böhmen, ihnen folgten bald die nieder- und mittelschlesischen Herzoge, und in dieser Weise gelangte die ganze Provinz in Lehnsverband mit dem König- Gi-euzlwtcu IV 1392

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/257>, abgerufen am 23.07.2024.