Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Die preußische Zteilcrreform Steuer, wenn auch nicht in ihrem ganzen, so doch in einem wesentlichen Be¬ Nachdem sehr bald nach dem ersten unglücklichen napoleonischen Kriege Die Geschichte früherer Jahrhunderte, namentlich des Mittelalters, zeigt Die preußische Zteilcrreform Steuer, wenn auch nicht in ihrem ganzen, so doch in einem wesentlichen Be¬ Nachdem sehr bald nach dem ersten unglücklichen napoleonischen Kriege Die Geschichte früherer Jahrhunderte, namentlich des Mittelalters, zeigt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213370"/> <fw type="header" place="top"> Die preußische Zteilcrreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_761" prev="#ID_760"> Steuer, wenn auch nicht in ihrem ganzen, so doch in einem wesentlichen Be¬<lb/> trage in frühern Jahrhunderten und bis in die neueste Zeit als unzweifelhafte<lb/> Neallast, nämlich als Teil des Kaufpreises auferlegt worden ist und noch jetzt<lb/> auferlegt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_762"> Nachdem sehr bald nach dem ersten unglücklichen napoleonischen Kriege<lb/> durch das Edikt und Hausgesetz vom 6. November 1809 die Vernußerlichkeit<lb/> der Domänen ausgesprochen war, erfolgten in allen Provinzen des Staats<lb/> zahlreiche Dvmänenverkäufe. Ganze Landgüter, fiskalische Forst- und Doma-<lb/> uialgruudstücke aller Art wurden veräußert und mit Grundsteuer belegt, deren<lb/> kapitalisirter Betrag von den Kaufpreisen abgezogen wurde. Das dann er¬<lb/> schienene Edikt wegen Veräußerung der Domänen, Forsten und geistlichen<lb/> Güter vom 27. Juni 1811 gab für die Festsetzung der Abgaben und des Kauf¬<lb/> preises folgende Bestimmungen: 8 3- Die Kauf- und Erbpachtssumme wird<lb/> in der Regel nach den alten Anschlägen bestimmt. H 4. Von dem alten Er¬<lb/> trage wird zum Besten der Erwerber (!) der Betrag der übernommenen Bar-<lb/> nnd Natnralabgaben abgezogen. § 5. Der nach diesen Abzügen (!) verbleibende<lb/> reine Ertrag giebt, fünfundzwanzigmal genommen, den geringsten Kaufpreis.<lb/> Nach unserm juristischen Verständnis hat eine so übernommene Steuer die<lb/> Natur einer Neallast, denn sie ist ein Teil des Kaufpreises und wurde dem<lb/> Erwerber durch einen Teil des Grundstücks (den unbezahlten) unmittelbar ver¬<lb/> gütet. Wenn der ursprüngliche Erwerber das Grundstück veräußert, wird da¬<lb/> durch allein die rechtliche Natur der Abgabe nicht verändert. Die Abgabe<lb/> war bei der Erwerbung, also bei einem zweiseitigen Geschäfte verabredet,<lb/> ihr Betrag und ebenso ihre rechtliche Natur kann durch eine einseitige Hand¬<lb/> lung nicht verändert werden. Enneecerus wird als Jurist diesen Satz als<lb/> richtig anerkennen. Domänengrundstücke werden aber noch heute täglich ver¬<lb/> äußert und uach 8 10 des Grundsteuergesetzes vom 21. Mui 1861 mit einer<lb/> Grundsteuer belegt, die nach dem Katastralsteuercrtrage vor dein Verkaufe be¬<lb/> rechnet und dem Käufer genannt, auch von dem anschlagsmäßigen Ertrage<lb/> abgezogen wird. Mag nun der Verkauf freihändig oder lizitatiousweise ge¬<lb/> schehen, immer wird der Käufer einen Kaufpreis übernehmen, der hinter dem<lb/> wahren Werte nach seiner Schätzung um den kapitalisirten Betrag der Abgabe<lb/> zurückbleibt, und die bei solchen Verkäufen neu entstandne Grundsteuer wird<lb/> immer die rechtliche Natur einer Reallast annehmen. Alle diese durch zahl¬<lb/> lose zweiseitige Kontrakte überuommne Gruudsteuerbeträge sollen ferner nicht<lb/> mehr erhoben werden!</p><lb/> <p xml:id="ID_763" next="#ID_764"> Die Geschichte früherer Jahrhunderte, namentlich des Mittelalters, zeigt<lb/> unzweideutig, daß die Grundsteuer ursprünglich aus gleichen Rechtsgeschäften,<lb/> aus Verkäufen und Verleihungen hervorgegangen ist. Die Landesherren<lb/> waren Eigentümer großer Domänen, veräußerten diese gegen bestimmte<lb/> Abgaben, und diese Abgaben bildeten später die Grundsteuer. Die schlesischen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
Die preußische Zteilcrreform
Steuer, wenn auch nicht in ihrem ganzen, so doch in einem wesentlichen Be¬
trage in frühern Jahrhunderten und bis in die neueste Zeit als unzweifelhafte
Neallast, nämlich als Teil des Kaufpreises auferlegt worden ist und noch jetzt
auferlegt wird.
Nachdem sehr bald nach dem ersten unglücklichen napoleonischen Kriege
durch das Edikt und Hausgesetz vom 6. November 1809 die Vernußerlichkeit
der Domänen ausgesprochen war, erfolgten in allen Provinzen des Staats
zahlreiche Dvmänenverkäufe. Ganze Landgüter, fiskalische Forst- und Doma-
uialgruudstücke aller Art wurden veräußert und mit Grundsteuer belegt, deren
kapitalisirter Betrag von den Kaufpreisen abgezogen wurde. Das dann er¬
schienene Edikt wegen Veräußerung der Domänen, Forsten und geistlichen
Güter vom 27. Juni 1811 gab für die Festsetzung der Abgaben und des Kauf¬
preises folgende Bestimmungen: 8 3- Die Kauf- und Erbpachtssumme wird
in der Regel nach den alten Anschlägen bestimmt. H 4. Von dem alten Er¬
trage wird zum Besten der Erwerber (!) der Betrag der übernommenen Bar-
nnd Natnralabgaben abgezogen. § 5. Der nach diesen Abzügen (!) verbleibende
reine Ertrag giebt, fünfundzwanzigmal genommen, den geringsten Kaufpreis.
Nach unserm juristischen Verständnis hat eine so übernommene Steuer die
Natur einer Neallast, denn sie ist ein Teil des Kaufpreises und wurde dem
Erwerber durch einen Teil des Grundstücks (den unbezahlten) unmittelbar ver¬
gütet. Wenn der ursprüngliche Erwerber das Grundstück veräußert, wird da¬
durch allein die rechtliche Natur der Abgabe nicht verändert. Die Abgabe
war bei der Erwerbung, also bei einem zweiseitigen Geschäfte verabredet,
ihr Betrag und ebenso ihre rechtliche Natur kann durch eine einseitige Hand¬
lung nicht verändert werden. Enneecerus wird als Jurist diesen Satz als
richtig anerkennen. Domänengrundstücke werden aber noch heute täglich ver¬
äußert und uach 8 10 des Grundsteuergesetzes vom 21. Mui 1861 mit einer
Grundsteuer belegt, die nach dem Katastralsteuercrtrage vor dein Verkaufe be¬
rechnet und dem Käufer genannt, auch von dem anschlagsmäßigen Ertrage
abgezogen wird. Mag nun der Verkauf freihändig oder lizitatiousweise ge¬
schehen, immer wird der Käufer einen Kaufpreis übernehmen, der hinter dem
wahren Werte nach seiner Schätzung um den kapitalisirten Betrag der Abgabe
zurückbleibt, und die bei solchen Verkäufen neu entstandne Grundsteuer wird
immer die rechtliche Natur einer Reallast annehmen. Alle diese durch zahl¬
lose zweiseitige Kontrakte überuommne Gruudsteuerbeträge sollen ferner nicht
mehr erhoben werden!
Die Geschichte früherer Jahrhunderte, namentlich des Mittelalters, zeigt
unzweideutig, daß die Grundsteuer ursprünglich aus gleichen Rechtsgeschäften,
aus Verkäufen und Verleihungen hervorgegangen ist. Die Landesherren
waren Eigentümer großer Domänen, veräußerten diese gegen bestimmte
Abgaben, und diese Abgaben bildeten später die Grundsteuer. Die schlesischen,
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