Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die antike Kunst und die Schule

klassische Kunst beschränken oder noch weiter fortsetzen soll (frühchristliche Ba¬
silika, romanische Basilika, gothische Kathedrale, Wiederaufleben der klassischen
Formen in der Renaissance, Komposition in den Gemälde" Raffaels), darüber
werden die Meinungen stets verschieden sein. Die Hauptforderung ist, daß
die Einführung in die klassische Kunst mehr sei als eine Illustration zu den
alten Schriftstellern. Das wichtigste beim Unterricht selbst ist, daß der Schüler
lernt, indem er sieht. Nicht darum handelt es sich, daß er zu den vielen
Namen, die er schon weiß (oder auch nicht weiß), ein Dutzend neue hinzufügt,
sondern daß er Anschauungskraft und Unterscheidungsvermögen im Blick hat.

Deshalb sollen auch die Abbildungen, die ihm gezeigt werden, möglichst
gut und deutlich sein, und zur Belebung der Phantasie sind neue Rekonstruk¬
tionen und Ergänzungen nicht zu verschmähen. Unter den Hilfsmitteln, die
der Schule für einen solchen Unterricht zu Gebote stehen, sind in erster Reihe
die bekannten Launitzschen Wandtafeln zu nennen. Eine Auswahl daraus
giebt für die Einführung in die klassische Baukunst die nötigen Grund- und
Aufrisse, Ansichten und Rekonstruktionen. Zur Ergänzung dienen die betref¬
fenden Tafeln der Vaumeifterschen Bilderhefte, der Secmannschen Bilderbogen
oder des Schreiberschen Bilderatlas. Zur Einführung in die griechische Plastik
muß von Umrißzeichnungen möglichst abgesehen werden, weil sie häufig im
einzelnen nicht treu sind. Auch die Vereinigung zahlreicher Abbildungen auf
einer Tafel sollte vermieden werden. Das beste sind Photographien. Sie
sind jetzt so billig, daß sich jedes größere Gymnasium eine Sammlung von
Abbildungen der schönsten griechischen und römischen Kunstwerke anlegen kann.
Beachtenswert ist der Gedanke, von dem die Herausgeber der klassischen Bilder¬
mappe ausgehen.^) Die Lichtdrucke ihrer Sammlung sind noch billiger als
Photographien, und die kurzen Bemerkungen ans dem Umschlage, die mit
wenigen Worten über die kunstgeschichtliche Stellung des abgebildeten Kunst¬
werkes und seine Besprechung an einer bestimmten Stelle des Unterrichts
Auskunft geben, werden manchem willkommen sein. Freilich will auch die
Rildermappe zunächst nur zur Erläuterung wichtiger Schulschriftsteller dienen,
doch kann man schon jetzt mehrere der nicht eingehefteten, sondern lose bei¬
gegebnen Tafeln so zusammenstellen, daß man dem Schüler daran eine künst¬
lerische Entwicklung veranschaulichen kann. Vielleicht bringen die spätern Hefte
noch mehr Stoff zu solchen Betrachtungen.

Bei den Forderungen, die die Einführung in die klassische Kunst an den
Lehrer stellen muß, ist es doppelt beklagenswert, daß die archäologischen Vor-"



*) Klassische Bildermappe. Abbildungen künstlerischer Werke zur Erläuterung wichtiger
Schnlschriftsteller. Herausgegeben unter Mitwirkung von Dr. Ednard Anthes und Dr. Gustav
Forbach von Dr. Ferdinand Bender. 1. und 2. Heft: Zu Lessings Laokoon? 3. und 4. Heft:
Zu Ciceros Reden gegen C, Verres; S., 6. und 7. Heft: Zu den Gedichten des Horaz.
Darmstadt, Zedler und Vogel, 1890 bis 1391.
Die antike Kunst und die Schule

klassische Kunst beschränken oder noch weiter fortsetzen soll (frühchristliche Ba¬
silika, romanische Basilika, gothische Kathedrale, Wiederaufleben der klassischen
Formen in der Renaissance, Komposition in den Gemälde» Raffaels), darüber
werden die Meinungen stets verschieden sein. Die Hauptforderung ist, daß
die Einführung in die klassische Kunst mehr sei als eine Illustration zu den
alten Schriftstellern. Das wichtigste beim Unterricht selbst ist, daß der Schüler
lernt, indem er sieht. Nicht darum handelt es sich, daß er zu den vielen
Namen, die er schon weiß (oder auch nicht weiß), ein Dutzend neue hinzufügt,
sondern daß er Anschauungskraft und Unterscheidungsvermögen im Blick hat.

Deshalb sollen auch die Abbildungen, die ihm gezeigt werden, möglichst
gut und deutlich sein, und zur Belebung der Phantasie sind neue Rekonstruk¬
tionen und Ergänzungen nicht zu verschmähen. Unter den Hilfsmitteln, die
der Schule für einen solchen Unterricht zu Gebote stehen, sind in erster Reihe
die bekannten Launitzschen Wandtafeln zu nennen. Eine Auswahl daraus
giebt für die Einführung in die klassische Baukunst die nötigen Grund- und
Aufrisse, Ansichten und Rekonstruktionen. Zur Ergänzung dienen die betref¬
fenden Tafeln der Vaumeifterschen Bilderhefte, der Secmannschen Bilderbogen
oder des Schreiberschen Bilderatlas. Zur Einführung in die griechische Plastik
muß von Umrißzeichnungen möglichst abgesehen werden, weil sie häufig im
einzelnen nicht treu sind. Auch die Vereinigung zahlreicher Abbildungen auf
einer Tafel sollte vermieden werden. Das beste sind Photographien. Sie
sind jetzt so billig, daß sich jedes größere Gymnasium eine Sammlung von
Abbildungen der schönsten griechischen und römischen Kunstwerke anlegen kann.
Beachtenswert ist der Gedanke, von dem die Herausgeber der klassischen Bilder¬
mappe ausgehen.^) Die Lichtdrucke ihrer Sammlung sind noch billiger als
Photographien, und die kurzen Bemerkungen ans dem Umschlage, die mit
wenigen Worten über die kunstgeschichtliche Stellung des abgebildeten Kunst¬
werkes und seine Besprechung an einer bestimmten Stelle des Unterrichts
Auskunft geben, werden manchem willkommen sein. Freilich will auch die
Rildermappe zunächst nur zur Erläuterung wichtiger Schulschriftsteller dienen,
doch kann man schon jetzt mehrere der nicht eingehefteten, sondern lose bei¬
gegebnen Tafeln so zusammenstellen, daß man dem Schüler daran eine künst¬
lerische Entwicklung veranschaulichen kann. Vielleicht bringen die spätern Hefte
noch mehr Stoff zu solchen Betrachtungen.

Bei den Forderungen, die die Einführung in die klassische Kunst an den
Lehrer stellen muß, ist es doppelt beklagenswert, daß die archäologischen Vor-"



*) Klassische Bildermappe. Abbildungen künstlerischer Werke zur Erläuterung wichtiger
Schnlschriftsteller. Herausgegeben unter Mitwirkung von Dr. Ednard Anthes und Dr. Gustav
Forbach von Dr. Ferdinand Bender. 1. und 2. Heft: Zu Lessings Laokoon? 3. und 4. Heft:
Zu Ciceros Reden gegen C, Verres; S., 6. und 7. Heft: Zu den Gedichten des Horaz.
Darmstadt, Zedler und Vogel, 1890 bis 1391.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213351"/>
          <fw type="header" place="top"> Die antike Kunst und die Schule</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_692" prev="#ID_691"> klassische Kunst beschränken oder noch weiter fortsetzen soll (frühchristliche Ba¬<lb/>
silika, romanische Basilika, gothische Kathedrale, Wiederaufleben der klassischen<lb/>
Formen in der Renaissance, Komposition in den Gemälde» Raffaels), darüber<lb/>
werden die Meinungen stets verschieden sein. Die Hauptforderung ist, daß<lb/>
die Einführung in die klassische Kunst mehr sei als eine Illustration zu den<lb/>
alten Schriftstellern. Das wichtigste beim Unterricht selbst ist, daß der Schüler<lb/>
lernt, indem er sieht. Nicht darum handelt es sich, daß er zu den vielen<lb/>
Namen, die er schon weiß (oder auch nicht weiß), ein Dutzend neue hinzufügt,<lb/>
sondern daß er Anschauungskraft und Unterscheidungsvermögen im Blick hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_693"> Deshalb sollen auch die Abbildungen, die ihm gezeigt werden, möglichst<lb/>
gut und deutlich sein, und zur Belebung der Phantasie sind neue Rekonstruk¬<lb/>
tionen und Ergänzungen nicht zu verschmähen. Unter den Hilfsmitteln, die<lb/>
der Schule für einen solchen Unterricht zu Gebote stehen, sind in erster Reihe<lb/>
die bekannten Launitzschen Wandtafeln zu nennen. Eine Auswahl daraus<lb/>
giebt für die Einführung in die klassische Baukunst die nötigen Grund- und<lb/>
Aufrisse, Ansichten und Rekonstruktionen. Zur Ergänzung dienen die betref¬<lb/>
fenden Tafeln der Vaumeifterschen Bilderhefte, der Secmannschen Bilderbogen<lb/>
oder des Schreiberschen Bilderatlas. Zur Einführung in die griechische Plastik<lb/>
muß von Umrißzeichnungen möglichst abgesehen werden, weil sie häufig im<lb/>
einzelnen nicht treu sind. Auch die Vereinigung zahlreicher Abbildungen auf<lb/>
einer Tafel sollte vermieden werden. Das beste sind Photographien. Sie<lb/>
sind jetzt so billig, daß sich jedes größere Gymnasium eine Sammlung von<lb/>
Abbildungen der schönsten griechischen und römischen Kunstwerke anlegen kann.<lb/>
Beachtenswert ist der Gedanke, von dem die Herausgeber der klassischen Bilder¬<lb/>
mappe ausgehen.^) Die Lichtdrucke ihrer Sammlung sind noch billiger als<lb/>
Photographien, und die kurzen Bemerkungen ans dem Umschlage, die mit<lb/>
wenigen Worten über die kunstgeschichtliche Stellung des abgebildeten Kunst¬<lb/>
werkes und seine Besprechung an einer bestimmten Stelle des Unterrichts<lb/>
Auskunft geben, werden manchem willkommen sein. Freilich will auch die<lb/>
Rildermappe zunächst nur zur Erläuterung wichtiger Schulschriftsteller dienen,<lb/>
doch kann man schon jetzt mehrere der nicht eingehefteten, sondern lose bei¬<lb/>
gegebnen Tafeln so zusammenstellen, daß man dem Schüler daran eine künst¬<lb/>
lerische Entwicklung veranschaulichen kann. Vielleicht bringen die spätern Hefte<lb/>
noch mehr Stoff zu solchen Betrachtungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> Bei den Forderungen, die die Einführung in die klassische Kunst an den<lb/>
Lehrer stellen muß, ist es doppelt beklagenswert, daß die archäologischen Vor-"</p><lb/>
          <note xml:id="FID_18" place="foot"> *) Klassische Bildermappe. Abbildungen künstlerischer Werke zur Erläuterung wichtiger<lb/>
Schnlschriftsteller. Herausgegeben unter Mitwirkung von Dr. Ednard Anthes und Dr. Gustav<lb/>
Forbach von Dr. Ferdinand Bender. 1. und 2. Heft: Zu Lessings Laokoon? 3. und 4. Heft:<lb/>
Zu Ciceros Reden gegen C, Verres; S., 6. und 7. Heft: Zu den Gedichten des Horaz.<lb/>
Darmstadt, Zedler und Vogel, 1890 bis 1391.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] Die antike Kunst und die Schule klassische Kunst beschränken oder noch weiter fortsetzen soll (frühchristliche Ba¬ silika, romanische Basilika, gothische Kathedrale, Wiederaufleben der klassischen Formen in der Renaissance, Komposition in den Gemälde» Raffaels), darüber werden die Meinungen stets verschieden sein. Die Hauptforderung ist, daß die Einführung in die klassische Kunst mehr sei als eine Illustration zu den alten Schriftstellern. Das wichtigste beim Unterricht selbst ist, daß der Schüler lernt, indem er sieht. Nicht darum handelt es sich, daß er zu den vielen Namen, die er schon weiß (oder auch nicht weiß), ein Dutzend neue hinzufügt, sondern daß er Anschauungskraft und Unterscheidungsvermögen im Blick hat. Deshalb sollen auch die Abbildungen, die ihm gezeigt werden, möglichst gut und deutlich sein, und zur Belebung der Phantasie sind neue Rekonstruk¬ tionen und Ergänzungen nicht zu verschmähen. Unter den Hilfsmitteln, die der Schule für einen solchen Unterricht zu Gebote stehen, sind in erster Reihe die bekannten Launitzschen Wandtafeln zu nennen. Eine Auswahl daraus giebt für die Einführung in die klassische Baukunst die nötigen Grund- und Aufrisse, Ansichten und Rekonstruktionen. Zur Ergänzung dienen die betref¬ fenden Tafeln der Vaumeifterschen Bilderhefte, der Secmannschen Bilderbogen oder des Schreiberschen Bilderatlas. Zur Einführung in die griechische Plastik muß von Umrißzeichnungen möglichst abgesehen werden, weil sie häufig im einzelnen nicht treu sind. Auch die Vereinigung zahlreicher Abbildungen auf einer Tafel sollte vermieden werden. Das beste sind Photographien. Sie sind jetzt so billig, daß sich jedes größere Gymnasium eine Sammlung von Abbildungen der schönsten griechischen und römischen Kunstwerke anlegen kann. Beachtenswert ist der Gedanke, von dem die Herausgeber der klassischen Bilder¬ mappe ausgehen.^) Die Lichtdrucke ihrer Sammlung sind noch billiger als Photographien, und die kurzen Bemerkungen ans dem Umschlage, die mit wenigen Worten über die kunstgeschichtliche Stellung des abgebildeten Kunst¬ werkes und seine Besprechung an einer bestimmten Stelle des Unterrichts Auskunft geben, werden manchem willkommen sein. Freilich will auch die Rildermappe zunächst nur zur Erläuterung wichtiger Schulschriftsteller dienen, doch kann man schon jetzt mehrere der nicht eingehefteten, sondern lose bei¬ gegebnen Tafeln so zusammenstellen, daß man dem Schüler daran eine künst¬ lerische Entwicklung veranschaulichen kann. Vielleicht bringen die spätern Hefte noch mehr Stoff zu solchen Betrachtungen. Bei den Forderungen, die die Einführung in die klassische Kunst an den Lehrer stellen muß, ist es doppelt beklagenswert, daß die archäologischen Vor-" *) Klassische Bildermappe. Abbildungen künstlerischer Werke zur Erläuterung wichtiger Schnlschriftsteller. Herausgegeben unter Mitwirkung von Dr. Ednard Anthes und Dr. Gustav Forbach von Dr. Ferdinand Bender. 1. und 2. Heft: Zu Lessings Laokoon? 3. und 4. Heft: Zu Ciceros Reden gegen C, Verres; S., 6. und 7. Heft: Zu den Gedichten des Horaz. Darmstadt, Zedler und Vogel, 1890 bis 1391.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/237>, abgerufen am 22.12.2024.