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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Albrecht von Roon

Händler, des patriotischen Friedrich Perthes, dem tiefsten Kenner des deutschen
Staatslebens vor der Revolution und während der napoleonischen Zeit, der
deshalb auch den Erscheinungen seiner eignen gährenden Zeit ein unbefangnes
Verständnis entgegenbrachte und allmählich auf Roons Anschauungen stei¬
genden Einfluß gewann.

Aber im Mittelpunkte aller dieser Interessen stand für Roon doch immer
seine Aufgabe als Erzieher. Sie war bei der Eigentümlichkeit des Prinzen
und der Verhältnisse nicht leicht, namentlich dann nicht, wenn das Ziel das
war, das die Prinzessin von Preußen mit den Worten bezeichnete: preußische
Prinzlichkeit in deutsche Fürstlichkeit umzuwandeln. Der Prinz hatte keine
recht glückliche Jugend gehabt. Seinen Eltern stand er fast fremd und kühl,
jedenfalls ohne jegliche Zuneigung gegenüber; als seine Heimat hat der sieb¬
zehnjährige nicht etwa das Vaterhaus, sondern sein Regiment bezeichnet. Das
gab ihm etwas verschlossenes, unnahbares, und da sich damit ein starkes Selbst¬
gefühl verband, so war es schwer, sein Vertrauen zu gewinnen und so Ein¬
fluß auf ihn auszuüben. In welchem Maße dies trotzdem Roon gelungen ist,
bezeugt das unzerstörbare Verhältnis, das sich zwischen ihm und seinem Zögling
fürs ganze Leben bildete. Denn Roon wußte wie vielleicht kein zweiter diese
Natur zu begreifen und zu behandeln, weil sie ihm innerlich verwandt war.

Diese Beziehungen noch enger zu gestalten, dienten zwei Reisen, die im
Herbst 1846 und 1847 zur weitern Ausbildung des Prinzen nach Südfrank-
reich und Oberitalien unternommen wurden. Zum erstenmale sah Roon ein
größeres Stück von der Welt, die er als Geograph so meisterlich zu schildern
gewußt hatte, noch ehe sie ihm vor das leibliche Auge getreten war, und in der
Unmittelbarkeit und Frische, l >it der er in den Briefen an seine Fran das Geschaute
in scharfen, klaren Zügen wiederzugeben weiß, tritt ebenso die lebendige Em¬
pfindung für die landschaftliche Schönheit, wie das geschulte Auge des Geo¬
graphen hervor, in einer Weise, die an Moltkes klassische Schilderungen erinnert.

Das Verhältnis Roons zum Prinzen sollte auch die Ursache werden, die
ihm zuerst das verschlungue Getriebe der Politik nahe brachte. Er war auf¬
gewachsen in den Überlieferungen- des unumschränkten Königtums von Gottes
Gnaden und hatte sich bisher den abweichenden Zeitmeinnngen gegenüber ab¬
wehrend verhalten. Da berief König Friedrich Wilhelm der Vierte im Februar
1847 den Vereinigten Landtag und führte damit Preußen, ohne es eigentlich
zu wollen, auf die Bahn des konstitutionellen Lebens. Freilich standen sich
von Anfang an zwei Anschauungen scharf gegenüber. Der König betrachtete
die Rechte, die er dem Landtage eingernnmt hatte, als ein freies
Geschenk königlicher Gnade gemäß der Zusage von 1815; die Mehrheit
der Abgeordneten lebte in den Anschauungen des französisch-englischen Libera¬
lismus und war geneigt, eine sehr wesentliche Erweiterung jener Rechte als
selbstverständlich in Anspruch zu nehmen. Bekanntlich ist wegen dieses Wider-


Greuzboten IV I3S2
Albrecht von Roon

Händler, des patriotischen Friedrich Perthes, dem tiefsten Kenner des deutschen
Staatslebens vor der Revolution und während der napoleonischen Zeit, der
deshalb auch den Erscheinungen seiner eignen gährenden Zeit ein unbefangnes
Verständnis entgegenbrachte und allmählich auf Roons Anschauungen stei¬
genden Einfluß gewann.

Aber im Mittelpunkte aller dieser Interessen stand für Roon doch immer
seine Aufgabe als Erzieher. Sie war bei der Eigentümlichkeit des Prinzen
und der Verhältnisse nicht leicht, namentlich dann nicht, wenn das Ziel das
war, das die Prinzessin von Preußen mit den Worten bezeichnete: preußische
Prinzlichkeit in deutsche Fürstlichkeit umzuwandeln. Der Prinz hatte keine
recht glückliche Jugend gehabt. Seinen Eltern stand er fast fremd und kühl,
jedenfalls ohne jegliche Zuneigung gegenüber; als seine Heimat hat der sieb¬
zehnjährige nicht etwa das Vaterhaus, sondern sein Regiment bezeichnet. Das
gab ihm etwas verschlossenes, unnahbares, und da sich damit ein starkes Selbst¬
gefühl verband, so war es schwer, sein Vertrauen zu gewinnen und so Ein¬
fluß auf ihn auszuüben. In welchem Maße dies trotzdem Roon gelungen ist,
bezeugt das unzerstörbare Verhältnis, das sich zwischen ihm und seinem Zögling
fürs ganze Leben bildete. Denn Roon wußte wie vielleicht kein zweiter diese
Natur zu begreifen und zu behandeln, weil sie ihm innerlich verwandt war.

Diese Beziehungen noch enger zu gestalten, dienten zwei Reisen, die im
Herbst 1846 und 1847 zur weitern Ausbildung des Prinzen nach Südfrank-
reich und Oberitalien unternommen wurden. Zum erstenmale sah Roon ein
größeres Stück von der Welt, die er als Geograph so meisterlich zu schildern
gewußt hatte, noch ehe sie ihm vor das leibliche Auge getreten war, und in der
Unmittelbarkeit und Frische, l >it der er in den Briefen an seine Fran das Geschaute
in scharfen, klaren Zügen wiederzugeben weiß, tritt ebenso die lebendige Em¬
pfindung für die landschaftliche Schönheit, wie das geschulte Auge des Geo¬
graphen hervor, in einer Weise, die an Moltkes klassische Schilderungen erinnert.

Das Verhältnis Roons zum Prinzen sollte auch die Ursache werden, die
ihm zuerst das verschlungue Getriebe der Politik nahe brachte. Er war auf¬
gewachsen in den Überlieferungen- des unumschränkten Königtums von Gottes
Gnaden und hatte sich bisher den abweichenden Zeitmeinnngen gegenüber ab¬
wehrend verhalten. Da berief König Friedrich Wilhelm der Vierte im Februar
1847 den Vereinigten Landtag und führte damit Preußen, ohne es eigentlich
zu wollen, auf die Bahn des konstitutionellen Lebens. Freilich standen sich
von Anfang an zwei Anschauungen scharf gegenüber. Der König betrachtete
die Rechte, die er dem Landtage eingernnmt hatte, als ein freies
Geschenk königlicher Gnade gemäß der Zusage von 1815; die Mehrheit
der Abgeordneten lebte in den Anschauungen des französisch-englischen Libera¬
lismus und war geneigt, eine sehr wesentliche Erweiterung jener Rechte als
selbstverständlich in Anspruch zu nehmen. Bekanntlich ist wegen dieses Wider-


Greuzboten IV I3S2
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[0225] Albrecht von Roon Händler, des patriotischen Friedrich Perthes, dem tiefsten Kenner des deutschen Staatslebens vor der Revolution und während der napoleonischen Zeit, der deshalb auch den Erscheinungen seiner eignen gährenden Zeit ein unbefangnes Verständnis entgegenbrachte und allmählich auf Roons Anschauungen stei¬ genden Einfluß gewann. Aber im Mittelpunkte aller dieser Interessen stand für Roon doch immer seine Aufgabe als Erzieher. Sie war bei der Eigentümlichkeit des Prinzen und der Verhältnisse nicht leicht, namentlich dann nicht, wenn das Ziel das war, das die Prinzessin von Preußen mit den Worten bezeichnete: preußische Prinzlichkeit in deutsche Fürstlichkeit umzuwandeln. Der Prinz hatte keine recht glückliche Jugend gehabt. Seinen Eltern stand er fast fremd und kühl, jedenfalls ohne jegliche Zuneigung gegenüber; als seine Heimat hat der sieb¬ zehnjährige nicht etwa das Vaterhaus, sondern sein Regiment bezeichnet. Das gab ihm etwas verschlossenes, unnahbares, und da sich damit ein starkes Selbst¬ gefühl verband, so war es schwer, sein Vertrauen zu gewinnen und so Ein¬ fluß auf ihn auszuüben. In welchem Maße dies trotzdem Roon gelungen ist, bezeugt das unzerstörbare Verhältnis, das sich zwischen ihm und seinem Zögling fürs ganze Leben bildete. Denn Roon wußte wie vielleicht kein zweiter diese Natur zu begreifen und zu behandeln, weil sie ihm innerlich verwandt war. Diese Beziehungen noch enger zu gestalten, dienten zwei Reisen, die im Herbst 1846 und 1847 zur weitern Ausbildung des Prinzen nach Südfrank- reich und Oberitalien unternommen wurden. Zum erstenmale sah Roon ein größeres Stück von der Welt, die er als Geograph so meisterlich zu schildern gewußt hatte, noch ehe sie ihm vor das leibliche Auge getreten war, und in der Unmittelbarkeit und Frische, l >it der er in den Briefen an seine Fran das Geschaute in scharfen, klaren Zügen wiederzugeben weiß, tritt ebenso die lebendige Em¬ pfindung für die landschaftliche Schönheit, wie das geschulte Auge des Geo¬ graphen hervor, in einer Weise, die an Moltkes klassische Schilderungen erinnert. Das Verhältnis Roons zum Prinzen sollte auch die Ursache werden, die ihm zuerst das verschlungue Getriebe der Politik nahe brachte. Er war auf¬ gewachsen in den Überlieferungen- des unumschränkten Königtums von Gottes Gnaden und hatte sich bisher den abweichenden Zeitmeinnngen gegenüber ab¬ wehrend verhalten. Da berief König Friedrich Wilhelm der Vierte im Februar 1847 den Vereinigten Landtag und führte damit Preußen, ohne es eigentlich zu wollen, auf die Bahn des konstitutionellen Lebens. Freilich standen sich von Anfang an zwei Anschauungen scharf gegenüber. Der König betrachtete die Rechte, die er dem Landtage eingernnmt hatte, als ein freies Geschenk königlicher Gnade gemäß der Zusage von 1815; die Mehrheit der Abgeordneten lebte in den Anschauungen des französisch-englischen Libera¬ lismus und war geneigt, eine sehr wesentliche Erweiterung jener Rechte als selbstverständlich in Anspruch zu nehmen. Bekanntlich ist wegen dieses Wider- Greuzboten IV I3S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/225>, abgerufen am 22.12.2024.