Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Albrecht von Roon damit der Grundlage für die Umgestaltung des deutschen Heerwesens, also für die Es ist kein Zufall, daß die drei großen Genossen Kaiser Wilhelms des Eine harte, einförmige, liebeleere Jugend war ihm beschieden, in noch Albrecht von Roon damit der Grundlage für die Umgestaltung des deutschen Heerwesens, also für die Es ist kein Zufall, daß die drei großen Genossen Kaiser Wilhelms des Eine harte, einförmige, liebeleere Jugend war ihm beschieden, in noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213333"/> <fw type="header" place="top"> Albrecht von Roon</fw><lb/> <p xml:id="ID_646" prev="#ID_645"> damit der Grundlage für die Umgestaltung des deutschen Heerwesens, also für die<lb/> Erkämpfung des deutscheu Reichs. In diesen Jahren hat er auch als Staats¬<lb/> mann eine sehr bedeutende, bisher wenig bekannte Rolle gespielt. Ich will<lb/> daher im Anschluß an die „Denkwürdigkeiten" versuchen zu schildern, wie Roon<lb/> zum Kriegsminister wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Es ist kein Zufall, daß die drei großen Genossen Kaiser Wilhelms des<lb/> Ersten aus dem nordostdeutschen Tiefland und aus dem kleinen Adel stammen.<lb/> Denn in diesen Landschaften und in diesen Kreisen waren die Erinnerungen<lb/> an die Befreiungskriege und die Beziehungen zum Staats- und Heeresdienst<lb/> besonders kräftig, und unerschütterlich fest stand dort die monarchische Gesinnung,<lb/> unberührt von allen den wechselnden Theorien und Meinungen einer Führenden<lb/> Zeit. Doch ist das Geschlecht der Roon weder in Preußen noch überhaupt<lb/> in Deutschland einheimisch. Die Herrschaft Roon, von der es den Namen<lb/> trägt, liegt ans der Insel Isselmonde im Mündungsdelta der Maas, also auf<lb/> holländischem Boden, und sie war nachweislich seit dem vierzehnten Jahrhun¬<lb/> dert die Heimat der Familie. Vor den kirchlich-politischen Drangsalen unter<lb/> Philipp dem Zweiten wich mit tausend andern glaubenstrenen Niederländern<lb/> um 1560 auch Blasius von Roon aus der Heimat. Die streng reformirte<lb/> Familie, die solche Gesinnung auch in der fortgesetzten Anwendung biblischer<lb/> Vornamen verrät, siedelte nach Frankfurt am Main über und verzweigte sich<lb/> dann weiter über Deutschland, auch nach Preußen. Ein Johann Noah von Roon<lb/> kam 1765 als Kaufherr nach Berlin, 1780, nachdem er fast sein ganzes Ver¬<lb/> mögen verloren hatte, nach Frankfurt a. O. Dies war der Großvater Albrechts<lb/> von Roon, der Vater des Heinrich Friedrich Jsaak von Roon, der 1768 in<lb/> Berlin geboren wurde und später in Kriegsdienste trat. Dieser schloß, nach¬<lb/> dem seine erste Ehe der Tod gelöst hatte, die zweite geschieden war, im Jahre<lb/> 1796 eine dritte mit Ulrike von Borcke, einer Tochter der Oberhofmeisterin<lb/> der ersten geschiednen Gemahlin König Friedrich Wilhelms des Zweiten, Elisa¬<lb/> beth von Braunschweig-Wolfenbüttel, die der noch junge und verwegne Edel¬<lb/> mann aus dem Schlosse von Stettin, wo er damals eine Festungshaft ver¬<lb/> büßte, entführte. Die Borcke gehören zu den wenigen noch übrigen altpvm-<lb/> merschen Adelsgeschlechtern slawischen Ursprungs. Mit den Mitteln dieser<lb/> Familie erwarb Heinrich von Roon, der damals schon verabschiedet war, 1799<lb/> die kleine Herrschaft Plenshagen östlich von Kolberg. Hier erblickte als jüngstes<lb/> und einziges überlebendes Kind seiner Eltern Albrecht Theodor Emil von Roon<lb/> am 30. April 1803 das Licht der Welt.</p><lb/> <p xml:id="ID_648" next="#ID_649"> Eine harte, einförmige, liebeleere Jugend war ihm beschieden, in noch<lb/> höherm Maße als seinem spätern Kampf- und Siegesgenofsen Moltke. Der<lb/> Vater, ein unsteter, in seiner Jugend leidenschaftlicher Mann, ohne rechten<lb/> innern Halt, war schon damals so leidend, daß ihn der Sohn nie anders als<lb/> im Lehn- oder Rollstuhle sitzend gekannt hat; anch die Mutter, still, scheu und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
Albrecht von Roon
damit der Grundlage für die Umgestaltung des deutschen Heerwesens, also für die
Erkämpfung des deutscheu Reichs. In diesen Jahren hat er auch als Staats¬
mann eine sehr bedeutende, bisher wenig bekannte Rolle gespielt. Ich will
daher im Anschluß an die „Denkwürdigkeiten" versuchen zu schildern, wie Roon
zum Kriegsminister wurde.
Es ist kein Zufall, daß die drei großen Genossen Kaiser Wilhelms des
Ersten aus dem nordostdeutschen Tiefland und aus dem kleinen Adel stammen.
Denn in diesen Landschaften und in diesen Kreisen waren die Erinnerungen
an die Befreiungskriege und die Beziehungen zum Staats- und Heeresdienst
besonders kräftig, und unerschütterlich fest stand dort die monarchische Gesinnung,
unberührt von allen den wechselnden Theorien und Meinungen einer Führenden
Zeit. Doch ist das Geschlecht der Roon weder in Preußen noch überhaupt
in Deutschland einheimisch. Die Herrschaft Roon, von der es den Namen
trägt, liegt ans der Insel Isselmonde im Mündungsdelta der Maas, also auf
holländischem Boden, und sie war nachweislich seit dem vierzehnten Jahrhun¬
dert die Heimat der Familie. Vor den kirchlich-politischen Drangsalen unter
Philipp dem Zweiten wich mit tausend andern glaubenstrenen Niederländern
um 1560 auch Blasius von Roon aus der Heimat. Die streng reformirte
Familie, die solche Gesinnung auch in der fortgesetzten Anwendung biblischer
Vornamen verrät, siedelte nach Frankfurt am Main über und verzweigte sich
dann weiter über Deutschland, auch nach Preußen. Ein Johann Noah von Roon
kam 1765 als Kaufherr nach Berlin, 1780, nachdem er fast sein ganzes Ver¬
mögen verloren hatte, nach Frankfurt a. O. Dies war der Großvater Albrechts
von Roon, der Vater des Heinrich Friedrich Jsaak von Roon, der 1768 in
Berlin geboren wurde und später in Kriegsdienste trat. Dieser schloß, nach¬
dem seine erste Ehe der Tod gelöst hatte, die zweite geschieden war, im Jahre
1796 eine dritte mit Ulrike von Borcke, einer Tochter der Oberhofmeisterin
der ersten geschiednen Gemahlin König Friedrich Wilhelms des Zweiten, Elisa¬
beth von Braunschweig-Wolfenbüttel, die der noch junge und verwegne Edel¬
mann aus dem Schlosse von Stettin, wo er damals eine Festungshaft ver¬
büßte, entführte. Die Borcke gehören zu den wenigen noch übrigen altpvm-
merschen Adelsgeschlechtern slawischen Ursprungs. Mit den Mitteln dieser
Familie erwarb Heinrich von Roon, der damals schon verabschiedet war, 1799
die kleine Herrschaft Plenshagen östlich von Kolberg. Hier erblickte als jüngstes
und einziges überlebendes Kind seiner Eltern Albrecht Theodor Emil von Roon
am 30. April 1803 das Licht der Welt.
Eine harte, einförmige, liebeleere Jugend war ihm beschieden, in noch
höherm Maße als seinem spätern Kampf- und Siegesgenofsen Moltke. Der
Vater, ein unsteter, in seiner Jugend leidenschaftlicher Mann, ohne rechten
innern Halt, war schon damals so leidend, daß ihn der Sohn nie anders als
im Lehn- oder Rollstuhle sitzend gekannt hat; anch die Mutter, still, scheu und
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