Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin amerikanischer Sozialist

von 87400000 Pfund Sterling im Jahre 1850 auf 366800000 im Jahre
1880 gestiegen. Da aber die Zahl der Arbeiter ebenfalls bedeutend gewachsen
ist, so hat sich das Durchschnittseinkommen des Arbeiters nur von 49 Pfund
12 Schilling aus 69 Pfund 4 Schilling, also von 992 auf 1384 Mark
gehoben, der durchschnittliche Unternehmerprosit dagegen ist von 6000 auf
12960 Mark gestiegen, weil sich die Zahl der Unternehmungen nicht in
demselben Maße vermehrt; von 1370 bis 1880 ist sie stationär geblieben,
und seitdem dürfte sie sogar zurückgegangen sein. Gronlund beschreibt nun
den Prozeß eines Unternehmens und zeigt daran, was übrigens lange vor
den Sozialisten schon Adam Smith gethan hat, daß der Unternehmergewinn
nicht etwa der Lohn für die Betriebsleitung oder für irgend welche andre
Leistung sei, sondern lediglich ein Abzug vom Arbeitsverdienst, von dem der
Kapitalist einen Teil dein Arbeiter vorzuenthalten die Macht habe, weil es
von der Erlaubnis des Kapitalisten abhänge, ob der Arbeiter arbeiten und
sich sein Brot verdienen dürfe oder nicht. Er glaubt daher den Unternehmer¬
gewinn schlechtweg als lloseinA, als Raub bezeichnen zu dürfen. Im Jahre
1880, sagt Gronlnnd, nahm der Unternehmer jedem Arbeiter durchschnittlich
64 Pfund 14 Schillinge ab, während er ihm 69 Pfund 4 Schillinge ließ.
Wer also in diesem Jahre 10 Arbeiter beschäftigte, der raubte 647, wer 100,
der raubte 6470, wer 1000, der raubte 64700 Pfund. Seine ganze Gegen¬
leistung bestand darin, daß er dem Arbeiter gestattete, die im Besitz der Unter¬
nehmer befindlichen Grundstücke, Maschinen und sonstigen Hilfsmittel unsrer
Zivilisation zur Arbeit zu benutzen. (Diese Darstellung enthält insofern eine
Ungerechtigkeit, als in dem Gewinnanteile des Unternehmers noch die Er¬
stattung von Zinsen und Landrente steckt, die er zu zahlen hat; auf einer
zweiten Zeichnung feiner "Kuchen" macht das Gronlund bemerkbar. Sollten
auch die Auflagen für Maschinen, Gebäude und Rohmaterial darin stecken,
was nicht deutlich zu erkennen ist, so wäre die Ungerechtigkeit noch großer.)
Aufgehäufter Raub also, sonst nichts, ist das, was man heutzutage Kapital
nennt. Die Vorstellung, daß Kapital durch sparen entstehen könne, ist lächerlich.
Alles, was wir besitzen, besteht teils in verzehrbaren Dingen, teils in Arbeits¬
mitteln und unverzehrbaren Stoffen. Die Güter der ersten Art müssen eben
verzehrt und können nicht gespart werden, wenn sie nicht verderben sollen
(im englischen, wo t>o Wvv ursprünglich retten oder unversehrt erhalten be¬
deutet, tritt der Widersinn noch deutlicher hervor), und die Kapitalisten "retten"
hier in demselben Sinne, wie die Soldaten requirirte Hühnchen vor dem Feinde
"retten." Maschinen, Holz und Leder aber können nicht gegessen werden, und
will man es den Kapitalisten durchaus als ein Verdienst anrechnen, daß sie
diese Dinge unverzehrt lassen, so mag man sie auch dafür preisen, daß sie
den Mond noch nicht aufgegessen haben. Wir bemerken hierzu, daß Adam
Smith, der Begründer der Spartheorie, das Wort w sa,of in einem ganz


Lin amerikanischer Sozialist

von 87400000 Pfund Sterling im Jahre 1850 auf 366800000 im Jahre
1880 gestiegen. Da aber die Zahl der Arbeiter ebenfalls bedeutend gewachsen
ist, so hat sich das Durchschnittseinkommen des Arbeiters nur von 49 Pfund
12 Schilling aus 69 Pfund 4 Schilling, also von 992 auf 1384 Mark
gehoben, der durchschnittliche Unternehmerprosit dagegen ist von 6000 auf
12960 Mark gestiegen, weil sich die Zahl der Unternehmungen nicht in
demselben Maße vermehrt; von 1370 bis 1880 ist sie stationär geblieben,
und seitdem dürfte sie sogar zurückgegangen sein. Gronlund beschreibt nun
den Prozeß eines Unternehmens und zeigt daran, was übrigens lange vor
den Sozialisten schon Adam Smith gethan hat, daß der Unternehmergewinn
nicht etwa der Lohn für die Betriebsleitung oder für irgend welche andre
Leistung sei, sondern lediglich ein Abzug vom Arbeitsverdienst, von dem der
Kapitalist einen Teil dein Arbeiter vorzuenthalten die Macht habe, weil es
von der Erlaubnis des Kapitalisten abhänge, ob der Arbeiter arbeiten und
sich sein Brot verdienen dürfe oder nicht. Er glaubt daher den Unternehmer¬
gewinn schlechtweg als lloseinA, als Raub bezeichnen zu dürfen. Im Jahre
1880, sagt Gronlnnd, nahm der Unternehmer jedem Arbeiter durchschnittlich
64 Pfund 14 Schillinge ab, während er ihm 69 Pfund 4 Schillinge ließ.
Wer also in diesem Jahre 10 Arbeiter beschäftigte, der raubte 647, wer 100,
der raubte 6470, wer 1000, der raubte 64700 Pfund. Seine ganze Gegen¬
leistung bestand darin, daß er dem Arbeiter gestattete, die im Besitz der Unter¬
nehmer befindlichen Grundstücke, Maschinen und sonstigen Hilfsmittel unsrer
Zivilisation zur Arbeit zu benutzen. (Diese Darstellung enthält insofern eine
Ungerechtigkeit, als in dem Gewinnanteile des Unternehmers noch die Er¬
stattung von Zinsen und Landrente steckt, die er zu zahlen hat; auf einer
zweiten Zeichnung feiner „Kuchen" macht das Gronlund bemerkbar. Sollten
auch die Auflagen für Maschinen, Gebäude und Rohmaterial darin stecken,
was nicht deutlich zu erkennen ist, so wäre die Ungerechtigkeit noch großer.)
Aufgehäufter Raub also, sonst nichts, ist das, was man heutzutage Kapital
nennt. Die Vorstellung, daß Kapital durch sparen entstehen könne, ist lächerlich.
Alles, was wir besitzen, besteht teils in verzehrbaren Dingen, teils in Arbeits¬
mitteln und unverzehrbaren Stoffen. Die Güter der ersten Art müssen eben
verzehrt und können nicht gespart werden, wenn sie nicht verderben sollen
(im englischen, wo t>o Wvv ursprünglich retten oder unversehrt erhalten be¬
deutet, tritt der Widersinn noch deutlicher hervor), und die Kapitalisten „retten"
hier in demselben Sinne, wie die Soldaten requirirte Hühnchen vor dem Feinde
„retten." Maschinen, Holz und Leder aber können nicht gegessen werden, und
will man es den Kapitalisten durchaus als ein Verdienst anrechnen, daß sie
diese Dinge unverzehrt lassen, so mag man sie auch dafür preisen, daß sie
den Mond noch nicht aufgegessen haben. Wir bemerken hierzu, daß Adam
Smith, der Begründer der Spartheorie, das Wort w sa,of in einem ganz


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213134"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin amerikanischer Sozialist</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_39" prev="#ID_38" next="#ID_40"> von 87400000 Pfund Sterling im Jahre 1850 auf 366800000 im Jahre<lb/>
1880 gestiegen. Da aber die Zahl der Arbeiter ebenfalls bedeutend gewachsen<lb/>
ist, so hat sich das Durchschnittseinkommen des Arbeiters nur von 49 Pfund<lb/>
12 Schilling aus 69 Pfund 4 Schilling, also von 992 auf 1384 Mark<lb/>
gehoben, der durchschnittliche Unternehmerprosit dagegen ist von 6000 auf<lb/>
12960 Mark gestiegen, weil sich die Zahl der Unternehmungen nicht in<lb/>
demselben Maße vermehrt; von 1370 bis 1880 ist sie stationär geblieben,<lb/>
und seitdem dürfte sie sogar zurückgegangen sein. Gronlund beschreibt nun<lb/>
den Prozeß eines Unternehmens und zeigt daran, was übrigens lange vor<lb/>
den Sozialisten schon Adam Smith gethan hat, daß der Unternehmergewinn<lb/>
nicht etwa der Lohn für die Betriebsleitung oder für irgend welche andre<lb/>
Leistung sei, sondern lediglich ein Abzug vom Arbeitsverdienst, von dem der<lb/>
Kapitalist einen Teil dein Arbeiter vorzuenthalten die Macht habe, weil es<lb/>
von der Erlaubnis des Kapitalisten abhänge, ob der Arbeiter arbeiten und<lb/>
sich sein Brot verdienen dürfe oder nicht. Er glaubt daher den Unternehmer¬<lb/>
gewinn schlechtweg als lloseinA, als Raub bezeichnen zu dürfen. Im Jahre<lb/>
1880, sagt Gronlnnd, nahm der Unternehmer jedem Arbeiter durchschnittlich<lb/>
64 Pfund 14 Schillinge ab, während er ihm 69 Pfund 4 Schillinge ließ.<lb/>
Wer also in diesem Jahre 10 Arbeiter beschäftigte, der raubte 647, wer 100,<lb/>
der raubte 6470, wer 1000, der raubte 64700 Pfund. Seine ganze Gegen¬<lb/>
leistung bestand darin, daß er dem Arbeiter gestattete, die im Besitz der Unter¬<lb/>
nehmer befindlichen Grundstücke, Maschinen und sonstigen Hilfsmittel unsrer<lb/>
Zivilisation zur Arbeit zu benutzen. (Diese Darstellung enthält insofern eine<lb/>
Ungerechtigkeit, als in dem Gewinnanteile des Unternehmers noch die Er¬<lb/>
stattung von Zinsen und Landrente steckt, die er zu zahlen hat; auf einer<lb/>
zweiten Zeichnung feiner &#x201E;Kuchen" macht das Gronlund bemerkbar. Sollten<lb/>
auch die Auflagen für Maschinen, Gebäude und Rohmaterial darin stecken,<lb/>
was nicht deutlich zu erkennen ist, so wäre die Ungerechtigkeit noch großer.)<lb/>
Aufgehäufter Raub also, sonst nichts, ist das, was man heutzutage Kapital<lb/>
nennt. Die Vorstellung, daß Kapital durch sparen entstehen könne, ist lächerlich.<lb/>
Alles, was wir besitzen, besteht teils in verzehrbaren Dingen, teils in Arbeits¬<lb/>
mitteln und unverzehrbaren Stoffen. Die Güter der ersten Art müssen eben<lb/>
verzehrt und können nicht gespart werden, wenn sie nicht verderben sollen<lb/>
(im englischen, wo t&gt;o Wvv ursprünglich retten oder unversehrt erhalten be¬<lb/>
deutet, tritt der Widersinn noch deutlicher hervor), und die Kapitalisten &#x201E;retten"<lb/>
hier in demselben Sinne, wie die Soldaten requirirte Hühnchen vor dem Feinde<lb/>
&#x201E;retten." Maschinen, Holz und Leder aber können nicht gegessen werden, und<lb/>
will man es den Kapitalisten durchaus als ein Verdienst anrechnen, daß sie<lb/>
diese Dinge unverzehrt lassen, so mag man sie auch dafür preisen, daß sie<lb/>
den Mond noch nicht aufgegessen haben. Wir bemerken hierzu, daß Adam<lb/>
Smith, der Begründer der Spartheorie, das Wort w sa,of in einem ganz</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Lin amerikanischer Sozialist von 87400000 Pfund Sterling im Jahre 1850 auf 366800000 im Jahre 1880 gestiegen. Da aber die Zahl der Arbeiter ebenfalls bedeutend gewachsen ist, so hat sich das Durchschnittseinkommen des Arbeiters nur von 49 Pfund 12 Schilling aus 69 Pfund 4 Schilling, also von 992 auf 1384 Mark gehoben, der durchschnittliche Unternehmerprosit dagegen ist von 6000 auf 12960 Mark gestiegen, weil sich die Zahl der Unternehmungen nicht in demselben Maße vermehrt; von 1370 bis 1880 ist sie stationär geblieben, und seitdem dürfte sie sogar zurückgegangen sein. Gronlund beschreibt nun den Prozeß eines Unternehmens und zeigt daran, was übrigens lange vor den Sozialisten schon Adam Smith gethan hat, daß der Unternehmergewinn nicht etwa der Lohn für die Betriebsleitung oder für irgend welche andre Leistung sei, sondern lediglich ein Abzug vom Arbeitsverdienst, von dem der Kapitalist einen Teil dein Arbeiter vorzuenthalten die Macht habe, weil es von der Erlaubnis des Kapitalisten abhänge, ob der Arbeiter arbeiten und sich sein Brot verdienen dürfe oder nicht. Er glaubt daher den Unternehmer¬ gewinn schlechtweg als lloseinA, als Raub bezeichnen zu dürfen. Im Jahre 1880, sagt Gronlnnd, nahm der Unternehmer jedem Arbeiter durchschnittlich 64 Pfund 14 Schillinge ab, während er ihm 69 Pfund 4 Schillinge ließ. Wer also in diesem Jahre 10 Arbeiter beschäftigte, der raubte 647, wer 100, der raubte 6470, wer 1000, der raubte 64700 Pfund. Seine ganze Gegen¬ leistung bestand darin, daß er dem Arbeiter gestattete, die im Besitz der Unter¬ nehmer befindlichen Grundstücke, Maschinen und sonstigen Hilfsmittel unsrer Zivilisation zur Arbeit zu benutzen. (Diese Darstellung enthält insofern eine Ungerechtigkeit, als in dem Gewinnanteile des Unternehmers noch die Er¬ stattung von Zinsen und Landrente steckt, die er zu zahlen hat; auf einer zweiten Zeichnung feiner „Kuchen" macht das Gronlund bemerkbar. Sollten auch die Auflagen für Maschinen, Gebäude und Rohmaterial darin stecken, was nicht deutlich zu erkennen ist, so wäre die Ungerechtigkeit noch großer.) Aufgehäufter Raub also, sonst nichts, ist das, was man heutzutage Kapital nennt. Die Vorstellung, daß Kapital durch sparen entstehen könne, ist lächerlich. Alles, was wir besitzen, besteht teils in verzehrbaren Dingen, teils in Arbeits¬ mitteln und unverzehrbaren Stoffen. Die Güter der ersten Art müssen eben verzehrt und können nicht gespart werden, wenn sie nicht verderben sollen (im englischen, wo t>o Wvv ursprünglich retten oder unversehrt erhalten be¬ deutet, tritt der Widersinn noch deutlicher hervor), und die Kapitalisten „retten" hier in demselben Sinne, wie die Soldaten requirirte Hühnchen vor dem Feinde „retten." Maschinen, Holz und Leder aber können nicht gegessen werden, und will man es den Kapitalisten durchaus als ein Verdienst anrechnen, daß sie diese Dinge unverzehrt lassen, so mag man sie auch dafür preisen, daß sie den Mond noch nicht aufgegessen haben. Wir bemerken hierzu, daß Adam Smith, der Begründer der Spartheorie, das Wort w sa,of in einem ganz

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/20>, abgerufen am 03.07.2024.