Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die anatolische Bahn

wagen herstellte. An den Lieferungen für den Oberbau, der rund 70000
Tonnen nu Beffemerschienen, Flußstahlschwellen und kleinerem Eisenzeuge
gebrauchte, wnreu Krupp in Essen, die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, der
Aachener Hüttenverein Note Erde, Funcke und Hueck in Hagen, die Union in
Dortmund zusammen mit ungefähr neunzig Prozent beteiligt. Die Brücken
lieferte ebenfalls die Maschinenfabrik in Eßlingen, die Weichen und Kreuzungen
Gruson in Buckan, die Telegraphenstangen Huldschinsky in Gleiwitz und Mannes¬
mann in Remscheid, die Laternen A. Schultz in Berlin u. a. in. Es ist also
nicht zu verkennen, daß der Bau der anatvlischen Bahn für die deutsche In¬
dustrie von großer Bedeutung gewesen ist, und er wird es hoffentlich auch
noch weiterhin sein, falls der Bau der 1400 Kilometer langen Hauptstrecke von
Angora bis Bagdad und der Nebenlinien der Deutschen Bank anvertraut wird.

Dann ist aber auch zu hoffen, daß sich deutsches Geld an der Erschließung
Kleinasiens und an der Hebung seiner reichen Mineralschätze beteiligen wird.
Der Gasse, die der deutsche Baumeister westlicher Kultur geöffnet hat, wird
bald auch der deutsche Kaufmann folgen. Soll doch dem Deutschen der tür¬
kische Bauer, wie F. Dernburg versichert, der Ende des vorigen Jahres die
Bahn bereiste, großes Vertrauen entgegenbringen. Daher darf es wohl kaum
Zufall genannt werden, wenn sich die Gesellschaft vereinigter deutscher Petrv-
leumwerke kürzlich entschlossen hat, Bohrversuche auf Petroleum in der Pro¬
vinz Aleppo anstellen zu lassen.

Für die deutsche Industrie wird sich längs der Bahn auch eine Absatz¬
quelle für eiserne Ackergeräte und landwirtschaftliche Maschinen eröffnen, denn
der türkische Bauer führt noch immer den hölzernen Pflug und benutzt noch
die denkbar einfachsten Werkzeuge zum Ackerbau. Der Ackerbau hat aber in
dem fruchtbaren Sakariathale eine große Zukunft. Schon im vergangnen
Jahre hat Kleinasien, als uns Nußland seiue Thore verschloß, für den deutschen
Getreidemarkt geliefert. Nach dem Berichte der Gesellschaft wurden im Jahre 1891
37389 Tonnen Getreide verfrachtet, 4243 Tonnen Trauben, 1984 Tonnen
Tabak, 2247 Tonnen Wolle, 2262 Tonnen Gemüse und 2681 Tonnen Früchte;
der Viehverkehr brachte 14690 Franks Einnahme. Und das war im dritten
Betriebsjahre, wo nur 217 Kilometer dem Verkehre übergeben waren! Durch
die anatolische Bahn ist den Erzeugnissen des nordwestlichen Kleinasiens
auch der Koustcmtinopeler Markt eröffnet worden; daher macht sich schon
jetzt eine Steigerung des Preises der Landwirtschaftserzeuguisse und ein
wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Die Folge ist eine in die Augen
fallende Zunahme des Anbaus längs der Bahn.

Auch Ansiedler hat die neue Bahn schon hierher gelockt. Es sind das
Muhammedaner, die aus den christlich gewordnen Balkanstaaten, aus Serbien,
Bosnien und Bulgarien, auswandern. Die Türkei nimmt sie mit offnen
Armen auf, denn sie erhält dadurch alte Unterthanen zurück, die ihr als


Grenzboten IV 1892 2"
Die anatolische Bahn

wagen herstellte. An den Lieferungen für den Oberbau, der rund 70000
Tonnen nu Beffemerschienen, Flußstahlschwellen und kleinerem Eisenzeuge
gebrauchte, wnreu Krupp in Essen, die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, der
Aachener Hüttenverein Note Erde, Funcke und Hueck in Hagen, die Union in
Dortmund zusammen mit ungefähr neunzig Prozent beteiligt. Die Brücken
lieferte ebenfalls die Maschinenfabrik in Eßlingen, die Weichen und Kreuzungen
Gruson in Buckan, die Telegraphenstangen Huldschinsky in Gleiwitz und Mannes¬
mann in Remscheid, die Laternen A. Schultz in Berlin u. a. in. Es ist also
nicht zu verkennen, daß der Bau der anatvlischen Bahn für die deutsche In¬
dustrie von großer Bedeutung gewesen ist, und er wird es hoffentlich auch
noch weiterhin sein, falls der Bau der 1400 Kilometer langen Hauptstrecke von
Angora bis Bagdad und der Nebenlinien der Deutschen Bank anvertraut wird.

Dann ist aber auch zu hoffen, daß sich deutsches Geld an der Erschließung
Kleinasiens und an der Hebung seiner reichen Mineralschätze beteiligen wird.
Der Gasse, die der deutsche Baumeister westlicher Kultur geöffnet hat, wird
bald auch der deutsche Kaufmann folgen. Soll doch dem Deutschen der tür¬
kische Bauer, wie F. Dernburg versichert, der Ende des vorigen Jahres die
Bahn bereiste, großes Vertrauen entgegenbringen. Daher darf es wohl kaum
Zufall genannt werden, wenn sich die Gesellschaft vereinigter deutscher Petrv-
leumwerke kürzlich entschlossen hat, Bohrversuche auf Petroleum in der Pro¬
vinz Aleppo anstellen zu lassen.

Für die deutsche Industrie wird sich längs der Bahn auch eine Absatz¬
quelle für eiserne Ackergeräte und landwirtschaftliche Maschinen eröffnen, denn
der türkische Bauer führt noch immer den hölzernen Pflug und benutzt noch
die denkbar einfachsten Werkzeuge zum Ackerbau. Der Ackerbau hat aber in
dem fruchtbaren Sakariathale eine große Zukunft. Schon im vergangnen
Jahre hat Kleinasien, als uns Nußland seiue Thore verschloß, für den deutschen
Getreidemarkt geliefert. Nach dem Berichte der Gesellschaft wurden im Jahre 1891
37389 Tonnen Getreide verfrachtet, 4243 Tonnen Trauben, 1984 Tonnen
Tabak, 2247 Tonnen Wolle, 2262 Tonnen Gemüse und 2681 Tonnen Früchte;
der Viehverkehr brachte 14690 Franks Einnahme. Und das war im dritten
Betriebsjahre, wo nur 217 Kilometer dem Verkehre übergeben waren! Durch
die anatolische Bahn ist den Erzeugnissen des nordwestlichen Kleinasiens
auch der Koustcmtinopeler Markt eröffnet worden; daher macht sich schon
jetzt eine Steigerung des Preises der Landwirtschaftserzeuguisse und ein
wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Die Folge ist eine in die Augen
fallende Zunahme des Anbaus längs der Bahn.

Auch Ansiedler hat die neue Bahn schon hierher gelockt. Es sind das
Muhammedaner, die aus den christlich gewordnen Balkanstaaten, aus Serbien,
Bosnien und Bulgarien, auswandern. Die Türkei nimmt sie mit offnen
Armen auf, denn sie erhält dadurch alte Unterthanen zurück, die ihr als


Grenzboten IV 1892 2»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0161" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213275"/>
          <fw type="header" place="top"> Die anatolische Bahn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_447" prev="#ID_446"> wagen herstellte. An den Lieferungen für den Oberbau, der rund 70000<lb/>
Tonnen nu Beffemerschienen, Flußstahlschwellen und kleinerem Eisenzeuge<lb/>
gebrauchte, wnreu Krupp in Essen, die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, der<lb/>
Aachener Hüttenverein Note Erde, Funcke und Hueck in Hagen, die Union in<lb/>
Dortmund zusammen mit ungefähr neunzig Prozent beteiligt. Die Brücken<lb/>
lieferte ebenfalls die Maschinenfabrik in Eßlingen, die Weichen und Kreuzungen<lb/>
Gruson in Buckan, die Telegraphenstangen Huldschinsky in Gleiwitz und Mannes¬<lb/>
mann in Remscheid, die Laternen A. Schultz in Berlin u. a. in. Es ist also<lb/>
nicht zu verkennen, daß der Bau der anatvlischen Bahn für die deutsche In¬<lb/>
dustrie von großer Bedeutung gewesen ist, und er wird es hoffentlich auch<lb/>
noch weiterhin sein, falls der Bau der 1400 Kilometer langen Hauptstrecke von<lb/>
Angora bis Bagdad und der Nebenlinien der Deutschen Bank anvertraut wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_448"> Dann ist aber auch zu hoffen, daß sich deutsches Geld an der Erschließung<lb/>
Kleinasiens und an der Hebung seiner reichen Mineralschätze beteiligen wird.<lb/>
Der Gasse, die der deutsche Baumeister westlicher Kultur geöffnet hat, wird<lb/>
bald auch der deutsche Kaufmann folgen. Soll doch dem Deutschen der tür¬<lb/>
kische Bauer, wie F. Dernburg versichert, der Ende des vorigen Jahres die<lb/>
Bahn bereiste, großes Vertrauen entgegenbringen. Daher darf es wohl kaum<lb/>
Zufall genannt werden, wenn sich die Gesellschaft vereinigter deutscher Petrv-<lb/>
leumwerke kürzlich entschlossen hat, Bohrversuche auf Petroleum in der Pro¬<lb/>
vinz Aleppo anstellen zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_449"> Für die deutsche Industrie wird sich längs der Bahn auch eine Absatz¬<lb/>
quelle für eiserne Ackergeräte und landwirtschaftliche Maschinen eröffnen, denn<lb/>
der türkische Bauer führt noch immer den hölzernen Pflug und benutzt noch<lb/>
die denkbar einfachsten Werkzeuge zum Ackerbau. Der Ackerbau hat aber in<lb/>
dem fruchtbaren Sakariathale eine große Zukunft. Schon im vergangnen<lb/>
Jahre hat Kleinasien, als uns Nußland seiue Thore verschloß, für den deutschen<lb/>
Getreidemarkt geliefert. Nach dem Berichte der Gesellschaft wurden im Jahre 1891<lb/>
37389 Tonnen Getreide verfrachtet, 4243 Tonnen Trauben, 1984 Tonnen<lb/>
Tabak, 2247 Tonnen Wolle, 2262 Tonnen Gemüse und 2681 Tonnen Früchte;<lb/>
der Viehverkehr brachte 14690 Franks Einnahme. Und das war im dritten<lb/>
Betriebsjahre, wo nur 217 Kilometer dem Verkehre übergeben waren! Durch<lb/>
die anatolische Bahn ist den Erzeugnissen des nordwestlichen Kleinasiens<lb/>
auch der Koustcmtinopeler Markt eröffnet worden; daher macht sich schon<lb/>
jetzt eine Steigerung des Preises der Landwirtschaftserzeuguisse und ein<lb/>
wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Die Folge ist eine in die Augen<lb/>
fallende Zunahme des Anbaus längs der Bahn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_450" next="#ID_451"> Auch Ansiedler hat die neue Bahn schon hierher gelockt. Es sind das<lb/>
Muhammedaner, die aus den christlich gewordnen Balkanstaaten, aus Serbien,<lb/>
Bosnien und Bulgarien, auswandern. Die Türkei nimmt sie mit offnen<lb/>
Armen auf, denn sie erhält dadurch alte Unterthanen zurück, die ihr als</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1892 2»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0161] Die anatolische Bahn wagen herstellte. An den Lieferungen für den Oberbau, der rund 70000 Tonnen nu Beffemerschienen, Flußstahlschwellen und kleinerem Eisenzeuge gebrauchte, wnreu Krupp in Essen, die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, der Aachener Hüttenverein Note Erde, Funcke und Hueck in Hagen, die Union in Dortmund zusammen mit ungefähr neunzig Prozent beteiligt. Die Brücken lieferte ebenfalls die Maschinenfabrik in Eßlingen, die Weichen und Kreuzungen Gruson in Buckan, die Telegraphenstangen Huldschinsky in Gleiwitz und Mannes¬ mann in Remscheid, die Laternen A. Schultz in Berlin u. a. in. Es ist also nicht zu verkennen, daß der Bau der anatvlischen Bahn für die deutsche In¬ dustrie von großer Bedeutung gewesen ist, und er wird es hoffentlich auch noch weiterhin sein, falls der Bau der 1400 Kilometer langen Hauptstrecke von Angora bis Bagdad und der Nebenlinien der Deutschen Bank anvertraut wird. Dann ist aber auch zu hoffen, daß sich deutsches Geld an der Erschließung Kleinasiens und an der Hebung seiner reichen Mineralschätze beteiligen wird. Der Gasse, die der deutsche Baumeister westlicher Kultur geöffnet hat, wird bald auch der deutsche Kaufmann folgen. Soll doch dem Deutschen der tür¬ kische Bauer, wie F. Dernburg versichert, der Ende des vorigen Jahres die Bahn bereiste, großes Vertrauen entgegenbringen. Daher darf es wohl kaum Zufall genannt werden, wenn sich die Gesellschaft vereinigter deutscher Petrv- leumwerke kürzlich entschlossen hat, Bohrversuche auf Petroleum in der Pro¬ vinz Aleppo anstellen zu lassen. Für die deutsche Industrie wird sich längs der Bahn auch eine Absatz¬ quelle für eiserne Ackergeräte und landwirtschaftliche Maschinen eröffnen, denn der türkische Bauer führt noch immer den hölzernen Pflug und benutzt noch die denkbar einfachsten Werkzeuge zum Ackerbau. Der Ackerbau hat aber in dem fruchtbaren Sakariathale eine große Zukunft. Schon im vergangnen Jahre hat Kleinasien, als uns Nußland seiue Thore verschloß, für den deutschen Getreidemarkt geliefert. Nach dem Berichte der Gesellschaft wurden im Jahre 1891 37389 Tonnen Getreide verfrachtet, 4243 Tonnen Trauben, 1984 Tonnen Tabak, 2247 Tonnen Wolle, 2262 Tonnen Gemüse und 2681 Tonnen Früchte; der Viehverkehr brachte 14690 Franks Einnahme. Und das war im dritten Betriebsjahre, wo nur 217 Kilometer dem Verkehre übergeben waren! Durch die anatolische Bahn ist den Erzeugnissen des nordwestlichen Kleinasiens auch der Koustcmtinopeler Markt eröffnet worden; daher macht sich schon jetzt eine Steigerung des Preises der Landwirtschaftserzeuguisse und ein wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Die Folge ist eine in die Augen fallende Zunahme des Anbaus längs der Bahn. Auch Ansiedler hat die neue Bahn schon hierher gelockt. Es sind das Muhammedaner, die aus den christlich gewordnen Balkanstaaten, aus Serbien, Bosnien und Bulgarien, auswandern. Die Türkei nimmt sie mit offnen Armen auf, denn sie erhält dadurch alte Unterthanen zurück, die ihr als Grenzboten IV 1892 2»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/161
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/161>, abgerufen am 22.12.2024.