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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der Weltfriedenskongreß zu Bern

führung ihrer Idee etwas näher ansehen. Sie lauten: Allgemeine Abrüstung,
Aufhebung der Militärpflicht wie des Soldatenstandes überhaupt, Einsetzung
eines den Zank aller Welt schlichtenden Schiedsgerichts. Außer diesen offen
bekannten Bedingungen giebt es aber noch ein -- zwar von der erlauchten
Versammlung totgebrülltes, aber doch vou ein paar ehrlichen Hitzköpfen ver¬
ratenes --- Erfordernis, ohne dessen Erfüllung, wie mau hinterher zuzugeben
gezwungen war, der Schiffbruch der Idee vou vornherein sicher wäre. Dieses
kleine Haupterfordernis ist nichts mehr und nichts weniger als: Aufhebung
aller Nationalität.

Für jeden nüchternen Menschen ergiebt sich ohne allzu scharfes Nach¬
denken die innere Haltlosigkeit dieser Bedingungen von selbst. Trotzdem wollen
wir auf einige Hauptpunkte noch näher eingehen.

Allgemeine Abrüstung ..... Aufhebung des Militärstaudes. Nun, es
gilt wohl als anerkannter Grundsatz, daß die Geschichte im Staatenwesen
die beste Lehrmeistern, ist. Geh" wir also an ihrer Hand zurück und
fragen wir: Wie stand es, als die einzelnen Völker ohne die Kraft, die
in einer ihrem Größenverhältnis Rechnung tragenden Heeresmacht liegt,
lebten? Die Antwort lautet: Es galt das Recht des Stärkern, das heißt
das Faustrecht.

Es konnte kein wirklich einheitliches Stnatengefüge bestehen, weil nie¬
mand die Kraft hatte, den Gesetzen eines solchen, weder nach innen noch nach
anßen, Geltung zu verschaffen (und so gefällig waren die Menschen nie, einem
ihnen unbequemen Gesetze -- und welches Gesetz wäre ohne Unbequemlichkeit
für den einzelnen? -- ohne Zwang, "ur dem lieben Nächsten zuliebe Folge
zu leisten). Die Folge dieses Zustandes war aber durchaus kein großer Friede,
sonder" ein ununterbrochner Krieg, der uur im Wechsel von groß und klein
eine Änderung erfuhr. Es konnte kein friedliches Schaffen und Arbeiten be¬
stehen, weil kein Schutz dafür da war, und weil der Nachbar, oder wer sonst
Lust hatte, die Früchte der Arbeit einheimsen konnte, wenn er nur mehr Kraft
in seiner Faust oder mehr Fäuste zu seiner Verfügung hatte als der Arbeiter
selbst. Dieser aber mußte mit den Verhältnissen rechnend sein Leben in un¬
unterbrochner Kampfbereitschaft und Furcht hinbringen.

Ein Abglanz dieser Zustände hat sich bis auf unsre Zeit erhalten, der
vor allem wohl dazu angethan sein sollte, den Rausch derer, die sich an
überhumanen Ideen vollgetrunken haben, zu heben, wenn man es nicht für
Weiser hielte, nicht zu sehen, und in dieser Vogelstraußpolitik hoffte, die andern
würden es eben so machen. Wir meinen jene Zustände in Italien und Si¬
zilien, über die fast jede Woche verbürgte Nachrichten zu uns dringen, die
von scheußlichen Gewaltakten berichten, die wohlorgcmisirte Räuberbanden an
den Landeingesessenen wie an harmlosen Reisenden verüben.

Aus Viguanellv berichtete dieser Tage der Korrespondent einer unsrer


Der Weltfriedenskongreß zu Bern

führung ihrer Idee etwas näher ansehen. Sie lauten: Allgemeine Abrüstung,
Aufhebung der Militärpflicht wie des Soldatenstandes überhaupt, Einsetzung
eines den Zank aller Welt schlichtenden Schiedsgerichts. Außer diesen offen
bekannten Bedingungen giebt es aber noch ein — zwar von der erlauchten
Versammlung totgebrülltes, aber doch vou ein paar ehrlichen Hitzköpfen ver¬
ratenes —- Erfordernis, ohne dessen Erfüllung, wie mau hinterher zuzugeben
gezwungen war, der Schiffbruch der Idee vou vornherein sicher wäre. Dieses
kleine Haupterfordernis ist nichts mehr und nichts weniger als: Aufhebung
aller Nationalität.

Für jeden nüchternen Menschen ergiebt sich ohne allzu scharfes Nach¬
denken die innere Haltlosigkeit dieser Bedingungen von selbst. Trotzdem wollen
wir auf einige Hauptpunkte noch näher eingehen.

Allgemeine Abrüstung ..... Aufhebung des Militärstaudes. Nun, es
gilt wohl als anerkannter Grundsatz, daß die Geschichte im Staatenwesen
die beste Lehrmeistern, ist. Geh» wir also an ihrer Hand zurück und
fragen wir: Wie stand es, als die einzelnen Völker ohne die Kraft, die
in einer ihrem Größenverhältnis Rechnung tragenden Heeresmacht liegt,
lebten? Die Antwort lautet: Es galt das Recht des Stärkern, das heißt
das Faustrecht.

Es konnte kein wirklich einheitliches Stnatengefüge bestehen, weil nie¬
mand die Kraft hatte, den Gesetzen eines solchen, weder nach innen noch nach
anßen, Geltung zu verschaffen (und so gefällig waren die Menschen nie, einem
ihnen unbequemen Gesetze — und welches Gesetz wäre ohne Unbequemlichkeit
für den einzelnen? — ohne Zwang, »ur dem lieben Nächsten zuliebe Folge
zu leisten). Die Folge dieses Zustandes war aber durchaus kein großer Friede,
sonder» ein ununterbrochner Krieg, der uur im Wechsel von groß und klein
eine Änderung erfuhr. Es konnte kein friedliches Schaffen und Arbeiten be¬
stehen, weil kein Schutz dafür da war, und weil der Nachbar, oder wer sonst
Lust hatte, die Früchte der Arbeit einheimsen konnte, wenn er nur mehr Kraft
in seiner Faust oder mehr Fäuste zu seiner Verfügung hatte als der Arbeiter
selbst. Dieser aber mußte mit den Verhältnissen rechnend sein Leben in un¬
unterbrochner Kampfbereitschaft und Furcht hinbringen.

Ein Abglanz dieser Zustände hat sich bis auf unsre Zeit erhalten, der
vor allem wohl dazu angethan sein sollte, den Rausch derer, die sich an
überhumanen Ideen vollgetrunken haben, zu heben, wenn man es nicht für
Weiser hielte, nicht zu sehen, und in dieser Vogelstraußpolitik hoffte, die andern
würden es eben so machen. Wir meinen jene Zustände in Italien und Si¬
zilien, über die fast jede Woche verbürgte Nachrichten zu uns dringen, die
von scheußlichen Gewaltakten berichten, die wohlorgcmisirte Räuberbanden an
den Landeingesessenen wie an harmlosen Reisenden verüben.

Aus Viguanellv berichtete dieser Tage der Korrespondent einer unsrer


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[0155] Der Weltfriedenskongreß zu Bern führung ihrer Idee etwas näher ansehen. Sie lauten: Allgemeine Abrüstung, Aufhebung der Militärpflicht wie des Soldatenstandes überhaupt, Einsetzung eines den Zank aller Welt schlichtenden Schiedsgerichts. Außer diesen offen bekannten Bedingungen giebt es aber noch ein — zwar von der erlauchten Versammlung totgebrülltes, aber doch vou ein paar ehrlichen Hitzköpfen ver¬ ratenes —- Erfordernis, ohne dessen Erfüllung, wie mau hinterher zuzugeben gezwungen war, der Schiffbruch der Idee vou vornherein sicher wäre. Dieses kleine Haupterfordernis ist nichts mehr und nichts weniger als: Aufhebung aller Nationalität. Für jeden nüchternen Menschen ergiebt sich ohne allzu scharfes Nach¬ denken die innere Haltlosigkeit dieser Bedingungen von selbst. Trotzdem wollen wir auf einige Hauptpunkte noch näher eingehen. Allgemeine Abrüstung ..... Aufhebung des Militärstaudes. Nun, es gilt wohl als anerkannter Grundsatz, daß die Geschichte im Staatenwesen die beste Lehrmeistern, ist. Geh» wir also an ihrer Hand zurück und fragen wir: Wie stand es, als die einzelnen Völker ohne die Kraft, die in einer ihrem Größenverhältnis Rechnung tragenden Heeresmacht liegt, lebten? Die Antwort lautet: Es galt das Recht des Stärkern, das heißt das Faustrecht. Es konnte kein wirklich einheitliches Stnatengefüge bestehen, weil nie¬ mand die Kraft hatte, den Gesetzen eines solchen, weder nach innen noch nach anßen, Geltung zu verschaffen (und so gefällig waren die Menschen nie, einem ihnen unbequemen Gesetze — und welches Gesetz wäre ohne Unbequemlichkeit für den einzelnen? — ohne Zwang, »ur dem lieben Nächsten zuliebe Folge zu leisten). Die Folge dieses Zustandes war aber durchaus kein großer Friede, sonder» ein ununterbrochner Krieg, der uur im Wechsel von groß und klein eine Änderung erfuhr. Es konnte kein friedliches Schaffen und Arbeiten be¬ stehen, weil kein Schutz dafür da war, und weil der Nachbar, oder wer sonst Lust hatte, die Früchte der Arbeit einheimsen konnte, wenn er nur mehr Kraft in seiner Faust oder mehr Fäuste zu seiner Verfügung hatte als der Arbeiter selbst. Dieser aber mußte mit den Verhältnissen rechnend sein Leben in un¬ unterbrochner Kampfbereitschaft und Furcht hinbringen. Ein Abglanz dieser Zustände hat sich bis auf unsre Zeit erhalten, der vor allem wohl dazu angethan sein sollte, den Rausch derer, die sich an überhumanen Ideen vollgetrunken haben, zu heben, wenn man es nicht für Weiser hielte, nicht zu sehen, und in dieser Vogelstraußpolitik hoffte, die andern würden es eben so machen. Wir meinen jene Zustände in Italien und Si¬ zilien, über die fast jede Woche verbürgte Nachrichten zu uns dringen, die von scheußlichen Gewaltakten berichten, die wohlorgcmisirte Räuberbanden an den Landeingesessenen wie an harmlosen Reisenden verüben. Aus Viguanellv berichtete dieser Tage der Korrespondent einer unsrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/155>, abgerufen am 22.12.2024.