Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Ferien, BLder und Landstraßen andrerseits nicht gesagt, daß die, die nicht kritisiren oder nicht zu kritisiren Die Sozialdemokratie hat keine gute Meinung von der Art, wie die Des Badelebens Herrlichkeit Zu schildern ist gefährlich; Man weiß, es ist in unsrer Zeit Das Volk allzu begehrlich; Da könnte wohl ein frecher Gauch Arglistig sich erweisen, Der meint, dem Arbeitsvolk sei'n auch Zuträglich Badereisen. Der Schlosser, Tischler, Drechsler, Schmied, Schuhmacher und auch Schneider, Und was in der Fabrik sich müht, Die Weber und so weiter -- Die Arbeitsmänner weit und breit. Die schaffen viel und schwitzen, Sie möchten auch zur Sommerszeit In einem Bade sitzen. Die Sozialdemokratie als eine Partei, die den Fortschritt, die Kultur und Ferien, BLder und Landstraßen andrerseits nicht gesagt, daß die, die nicht kritisiren oder nicht zu kritisiren Die Sozialdemokratie hat keine gute Meinung von der Art, wie die Des Badelebens Herrlichkeit Zu schildern ist gefährlich; Man weiß, es ist in unsrer Zeit Das Volk allzu begehrlich; Da könnte wohl ein frecher Gauch Arglistig sich erweisen, Der meint, dem Arbeitsvolk sei'n auch Zuträglich Badereisen. Der Schlosser, Tischler, Drechsler, Schmied, Schuhmacher und auch Schneider, Und was in der Fabrik sich müht, Die Weber und so weiter — Die Arbeitsmänner weit und breit. Die schaffen viel und schwitzen, Sie möchten auch zur Sommerszeit In einem Bade sitzen. Die Sozialdemokratie als eine Partei, die den Fortschritt, die Kultur und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213247"/> <fw type="header" place="top"> Ferien, BLder und Landstraßen</fw><lb/> <p xml:id="ID_351" prev="#ID_350"> andrerseits nicht gesagt, daß die, die nicht kritisiren oder nicht zu kritisiren<lb/> versteh», die Kenntnisse und die Kunst besäßen, es besser zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Die Sozialdemokratie hat keine gute Meinung von der Art, wie die<lb/> „Bourgeoisie" ihre Ferien verbringt. Witze und witzelnde Bemerkungen über<lb/> das Leben und Treiben der Bourgeois in den Kurorten, in den Sommer¬<lb/> frischen, im Gebirge und um der See bilden eine stehende Rubrik des hervor¬<lb/> ragendsten Witzblattes der Partei, des „Wahren Jakob." Der Hauptfehler,<lb/> der den Ferien von heute anhaftet, ist die Beschränkung ihrer Genüsse auf das<lb/> mit den erforderlichen Mitteln ausgerüstete „bessere" Publikum. Eine Probe<lb/> der sozialdemokratischen Auffassung sind die folgenden dem genannten Blatte<lb/> entlehnten Verse, wirkliche Verse, zugleich ein Beispiel unsrer svzialdcmokm-<lb/> tischen GegenwartS- und ein Vorgeschmack der Znkunstspoesie:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> Des Badelebens Herrlichkeit<lb/> Zu schildern ist gefährlich;<lb/> Man weiß, es ist in unsrer Zeit<lb/> Das Volk allzu begehrlich;<lb/> Da könnte wohl ein frecher Gauch<lb/> Arglistig sich erweisen,<lb/> Der meint, dem Arbeitsvolk sei'n auch<lb/> Zuträglich Badereisen.<lb/></l> <l> Der Schlosser, Tischler, Drechsler, Schmied,<lb/> Schuhmacher und auch Schneider,<lb/> Und was in der Fabrik sich müht,<lb/> Die Weber und so weiter —<lb/> Die Arbeitsmänner weit und breit.<lb/> Die schaffen viel und schwitzen,<lb/> Sie möchten auch zur Sommerszeit<lb/> In einem Bade sitzen.<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Die Sozialdemokratie als eine Partei, die den Fortschritt, die Kultur und<lb/> Wissenschaft zu vertreten behauptet, ist nicht an sich gegen die Badereisen und<lb/> das Badeleben, sie wünscht nur von ihrem Standpunkt, daß auch „die Arbeits-<lb/> mcinner weit und breit" an die Reihe kommen, weil, wie sie als letzten, uns<lb/> nicht als stichhaltig erscheinenden Grund angiebt, „alles allen gehören" soll.<lb/> Aber in gewisser Beziehung ist dieser Wunsch nicht so ungereimt, als manche<lb/> auf den ersten Blick glauben möchten. Man braucht sich nur daran zu er¬<lb/> innern, daß seit einer Reihe von Jahren Ferienkolonien für die Kinder der<lb/> Armem eingerichtet worden sind, die nach und nach vergrößert und vermehrt<lb/> worden sind und sich durchaus bewährt haben; warum sollte es unmöglich<lb/> sein, Erwachsene zur Kräftigung und Erholung in ähnlicher Weise auszu¬<lb/> schicken? Der volkstümliche „Dichter" jener Strophen hat sich sicher nur zum<lb/> Mundstück der Gedanken von vielen „zielbewußter" Arbeitern gemacht, die<lb/> seine Ansichten vollkommen teilen. Der Unterschied der Bildung ist zwischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
Ferien, BLder und Landstraßen
andrerseits nicht gesagt, daß die, die nicht kritisiren oder nicht zu kritisiren
versteh», die Kenntnisse und die Kunst besäßen, es besser zu machen.
Die Sozialdemokratie hat keine gute Meinung von der Art, wie die
„Bourgeoisie" ihre Ferien verbringt. Witze und witzelnde Bemerkungen über
das Leben und Treiben der Bourgeois in den Kurorten, in den Sommer¬
frischen, im Gebirge und um der See bilden eine stehende Rubrik des hervor¬
ragendsten Witzblattes der Partei, des „Wahren Jakob." Der Hauptfehler,
der den Ferien von heute anhaftet, ist die Beschränkung ihrer Genüsse auf das
mit den erforderlichen Mitteln ausgerüstete „bessere" Publikum. Eine Probe
der sozialdemokratischen Auffassung sind die folgenden dem genannten Blatte
entlehnten Verse, wirkliche Verse, zugleich ein Beispiel unsrer svzialdcmokm-
tischen GegenwartS- und ein Vorgeschmack der Znkunstspoesie:
Des Badelebens Herrlichkeit
Zu schildern ist gefährlich;
Man weiß, es ist in unsrer Zeit
Das Volk allzu begehrlich;
Da könnte wohl ein frecher Gauch
Arglistig sich erweisen,
Der meint, dem Arbeitsvolk sei'n auch
Zuträglich Badereisen.
Der Schlosser, Tischler, Drechsler, Schmied,
Schuhmacher und auch Schneider,
Und was in der Fabrik sich müht,
Die Weber und so weiter —
Die Arbeitsmänner weit und breit.
Die schaffen viel und schwitzen,
Sie möchten auch zur Sommerszeit
In einem Bade sitzen.
Die Sozialdemokratie als eine Partei, die den Fortschritt, die Kultur und
Wissenschaft zu vertreten behauptet, ist nicht an sich gegen die Badereisen und
das Badeleben, sie wünscht nur von ihrem Standpunkt, daß auch „die Arbeits-
mcinner weit und breit" an die Reihe kommen, weil, wie sie als letzten, uns
nicht als stichhaltig erscheinenden Grund angiebt, „alles allen gehören" soll.
Aber in gewisser Beziehung ist dieser Wunsch nicht so ungereimt, als manche
auf den ersten Blick glauben möchten. Man braucht sich nur daran zu er¬
innern, daß seit einer Reihe von Jahren Ferienkolonien für die Kinder der
Armem eingerichtet worden sind, die nach und nach vergrößert und vermehrt
worden sind und sich durchaus bewährt haben; warum sollte es unmöglich
sein, Erwachsene zur Kräftigung und Erholung in ähnlicher Weise auszu¬
schicken? Der volkstümliche „Dichter" jener Strophen hat sich sicher nur zum
Mundstück der Gedanken von vielen „zielbewußter" Arbeitern gemacht, die
seine Ansichten vollkommen teilen. Der Unterschied der Bildung ist zwischen
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