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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lin rettender Gedanke

Richter dein großen Bcnnberger überlegen zu sein: er war der eigentliche
Überwinder des Aberglaubens, daß sich ein alter Mann im Sachsenwnlde vor
langen Jahren einige unbedeutende Verdienste um das deutsche Volk erworben
habe (denn Mosse und die Propheten Barth, Rickert, Habakuk, Zephanja,
Virchow u. s. w. wiederholen nur, was sie von ihrem großen Baal gehört
haben), doch seitdem Vamberger in Atzel die verbrecherischen Anschläge, die
ihm Bismarck wohl in einer schwachen Stunde anvertraut haben muß, mit
edelm Mannesmute enthüllt hat, könnte Engen auf Ludwig eifersüchtig werden.
Auch Herr Tutzauer und andre seiner Art würden dieser allerhöchsten Behörde
zur Zierde gereichen, die, um ganz unabhängig zu sein, das Kooptationsrecht
haben müßte. Der Befürchtung, daß auch da wieder nur Reden gehalten
werden könnten, dürfen wir uns entschlagen, da verschiedne von den Genannten
und Ungenannten gewiß nicht zögern würden, mit einem "Der Worte find
genug gewechselt!" zu eindringlicherer Beweisführung überzugehen. Sollte
man aber als Gegengewicht gegen das Haus der Feuerköpfe eine erste Kammer
der Nocheinsichtigern und Vedächtigern für nötig halten, so weiß ich auch
dafür Rat. Man beriefe nicht ein Herren-, sondern ein Damenhaus! Daß die
Damen Metternich und Suttner abwechselnd das Präsidium führen müßten,
scheint mir selbstverständlich. Außerdem drängen sich Wohl jedem die Namen
Lina Morgenstern, Jda Kettler, Louise Michel, Jnliette Lambert, Sarah Bern¬
hardt auf die Lippen, und daß es auch sonst nicht an geeigneten Senatorinnen
mangeln würde, dafür bürgen die zahllosen Bereine, die sich der Einbürgerung
der Mieder am Kongo, der Gründung von Ferienkolonien für blutarme Mai¬
käfer und ähnlichen humanen Bestrebungen widmen.

Ob der Gedanke bald zur That werden wird? Vielleicht ist er dafür zu
schön. Aber erwärmt sich jetzt auch nur eine kleine Gemeinde für ihn -- und
warum sollte einzig und allein dieser kühne Gedanke keine Anhänger ge¬
winnen? --, so wird sie sich allmählich schon erweitern, lawinenhaft wird die
Bewegung fortschreitend anwachsen, alles mit sich fortreißen, das Widerstrebende
vernichten. Dann wird die befreite Menschheit einstimmig beschließen, dem
Vater der Idee ein Weltdcnkmal zu errichten, etwa ein Standbild, das mit
dem einen Fuße auf europäischem, mit dem andern auf amerikanischen Boden
ruhte. Aber davon hätte er möglicherweise nichts mehr, weshalb er sich be¬
scheiden mit einem baren Jnternativnaldnnk bei Lebzeiten begnügen möchte.




Lin rettender Gedanke

Richter dein großen Bcnnberger überlegen zu sein: er war der eigentliche
Überwinder des Aberglaubens, daß sich ein alter Mann im Sachsenwnlde vor
langen Jahren einige unbedeutende Verdienste um das deutsche Volk erworben
habe (denn Mosse und die Propheten Barth, Rickert, Habakuk, Zephanja,
Virchow u. s. w. wiederholen nur, was sie von ihrem großen Baal gehört
haben), doch seitdem Vamberger in Atzel die verbrecherischen Anschläge, die
ihm Bismarck wohl in einer schwachen Stunde anvertraut haben muß, mit
edelm Mannesmute enthüllt hat, könnte Engen auf Ludwig eifersüchtig werden.
Auch Herr Tutzauer und andre seiner Art würden dieser allerhöchsten Behörde
zur Zierde gereichen, die, um ganz unabhängig zu sein, das Kooptationsrecht
haben müßte. Der Befürchtung, daß auch da wieder nur Reden gehalten
werden könnten, dürfen wir uns entschlagen, da verschiedne von den Genannten
und Ungenannten gewiß nicht zögern würden, mit einem „Der Worte find
genug gewechselt!" zu eindringlicherer Beweisführung überzugehen. Sollte
man aber als Gegengewicht gegen das Haus der Feuerköpfe eine erste Kammer
der Nocheinsichtigern und Vedächtigern für nötig halten, so weiß ich auch
dafür Rat. Man beriefe nicht ein Herren-, sondern ein Damenhaus! Daß die
Damen Metternich und Suttner abwechselnd das Präsidium führen müßten,
scheint mir selbstverständlich. Außerdem drängen sich Wohl jedem die Namen
Lina Morgenstern, Jda Kettler, Louise Michel, Jnliette Lambert, Sarah Bern¬
hardt auf die Lippen, und daß es auch sonst nicht an geeigneten Senatorinnen
mangeln würde, dafür bürgen die zahllosen Bereine, die sich der Einbürgerung
der Mieder am Kongo, der Gründung von Ferienkolonien für blutarme Mai¬
käfer und ähnlichen humanen Bestrebungen widmen.

Ob der Gedanke bald zur That werden wird? Vielleicht ist er dafür zu
schön. Aber erwärmt sich jetzt auch nur eine kleine Gemeinde für ihn — und
warum sollte einzig und allein dieser kühne Gedanke keine Anhänger ge¬
winnen? —, so wird sie sich allmählich schon erweitern, lawinenhaft wird die
Bewegung fortschreitend anwachsen, alles mit sich fortreißen, das Widerstrebende
vernichten. Dann wird die befreite Menschheit einstimmig beschließen, dem
Vater der Idee ein Weltdcnkmal zu errichten, etwa ein Standbild, das mit
dem einen Fuße auf europäischem, mit dem andern auf amerikanischen Boden
ruhte. Aber davon hätte er möglicherweise nichts mehr, weshalb er sich be¬
scheiden mit einem baren Jnternativnaldnnk bei Lebzeiten begnügen möchte.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/95>, abgerufen am 06.01.2025.