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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Fischerleben auf der Adria

wagt. Korkeichen und andre inunergrüne Eichen, mit den klafterhohen, wei߬
blütigen Calluuas und allerlei Weißen und roten Cistrosen untermengt, von
der rvtbecrigen rauhen Stechwinde des Mittelmeerbeckens durchflochten, von
einem Wirrsal des baumartigen immergrünen Wegdorns durchsetzt, veranschau¬
lichen die Wirkung des südeuropäischen Meerklimas.

Oft erscheine" Fischer zwischen den Klippen und ziehen mit Gesang ihre
Netze ein, in denen die Tiere mit dem silbernen Meerglanz blinken. Ist es
doch dieselbe Thalatta, die der ionische Dichter die fischreiche genannt hat.

Der Anblick der Fische, wenn sie auf den Grund der Barke gelegt oder
einem Harrenden, der am Strande steht, zugeworfen werden, ist nicht nur ein
Küchengedicht, sondern ergänzt in seinem Stillleben jenes Farbenspiel, das
uns die innern Flächen der Muschelschalen geboten haben, als wir sie zu¬
sammen mit vielem Meersand mit der Hand aus der hintersten Klüftung des
Felseneinschnitts schöpften. Wie das Meer im Laufe des Tags unter dem
Wandel des Gestirns allerlei metallische Farben annimmt, so glänzt es auch
an vielen dieser Fische goldig oder knpfern oder in der Färbung andrer
Erzstufen.

Wer sich ermannt und von den weichen Lehnsttthlen des Kaffeehauses
weg hinausgeht auf die Wege, die sich längs des Meers, längs der Lorbeeren,
Steineichen und Cedern hinziehen, der handelt nicht nur dem Zweck ent¬
sprechend, der ihn hierher geführt hat, sondern er verschafft sich auch einen
Genuß, wie er nur in solchen Landschaften geboten wird.

In der Schlucht, aus der ein reichlicher Bach dem Meer entgegenrinnt,
das ihn mit langen Wellenreihen auf dem flachen Sand aufhält, begrüßt
den Gast vielstimmiger Gesang der Nachtigallen. Citronenkraut, Satureja,
Thymian und Lavendel duften ihm aufgefrischt entgegen. Die Nachtigallen
lieben, gleich dem Ölbaum, die Nähe des Wassers. Tief neigt sich dort, wo
das süße Wasser sich mit der Salzflut zu vermengen beginnt, unter dem An¬
drange des salzigen Hauchs das hohe Schalmeienrohr, das noch heute mit
dem Namen ^runclo clormx, den es von der gelehrten Botanik bekommen hat,
an die sanfte Bewegung des Schafes erinnert, die vor allem den Augen der
Griechen auffiel.

In diesen Wochen regt sich ein absonderliches Leben in den Tiefen des
Meeres, wohin kein menschlicher Blick dringt. So können wir es anch nur
nach seiner Fernhinüußerung abschätzen, etwa so, wie der Bewohner einer Ge¬
birgsgegend, der zu gewissen Zeiten die Scharen städtischer Ankömmlinge
wahrnimmt, sich aus diesem Schauspiel ein Bild von den Vorgängen auf
entlegnen Bahnhöfen macht. In diesen kalten, finstern Tiefen, in den Thälern,
die Hunderte von Metern hoch von der Salzflut überwallt werden, beunruhigt
die stummen Lebewesen in diesen Tagen derselbe Trieb, von dem die Bewohner
der trocknen Erde und der Lüfte in so vielen Bewegungen und Tönen Kunde


Fischerleben auf der Adria

wagt. Korkeichen und andre inunergrüne Eichen, mit den klafterhohen, wei߬
blütigen Calluuas und allerlei Weißen und roten Cistrosen untermengt, von
der rvtbecrigen rauhen Stechwinde des Mittelmeerbeckens durchflochten, von
einem Wirrsal des baumartigen immergrünen Wegdorns durchsetzt, veranschau¬
lichen die Wirkung des südeuropäischen Meerklimas.

Oft erscheine» Fischer zwischen den Klippen und ziehen mit Gesang ihre
Netze ein, in denen die Tiere mit dem silbernen Meerglanz blinken. Ist es
doch dieselbe Thalatta, die der ionische Dichter die fischreiche genannt hat.

Der Anblick der Fische, wenn sie auf den Grund der Barke gelegt oder
einem Harrenden, der am Strande steht, zugeworfen werden, ist nicht nur ein
Küchengedicht, sondern ergänzt in seinem Stillleben jenes Farbenspiel, das
uns die innern Flächen der Muschelschalen geboten haben, als wir sie zu¬
sammen mit vielem Meersand mit der Hand aus der hintersten Klüftung des
Felseneinschnitts schöpften. Wie das Meer im Laufe des Tags unter dem
Wandel des Gestirns allerlei metallische Farben annimmt, so glänzt es auch
an vielen dieser Fische goldig oder knpfern oder in der Färbung andrer
Erzstufen.

Wer sich ermannt und von den weichen Lehnsttthlen des Kaffeehauses
weg hinausgeht auf die Wege, die sich längs des Meers, längs der Lorbeeren,
Steineichen und Cedern hinziehen, der handelt nicht nur dem Zweck ent¬
sprechend, der ihn hierher geführt hat, sondern er verschafft sich auch einen
Genuß, wie er nur in solchen Landschaften geboten wird.

In der Schlucht, aus der ein reichlicher Bach dem Meer entgegenrinnt,
das ihn mit langen Wellenreihen auf dem flachen Sand aufhält, begrüßt
den Gast vielstimmiger Gesang der Nachtigallen. Citronenkraut, Satureja,
Thymian und Lavendel duften ihm aufgefrischt entgegen. Die Nachtigallen
lieben, gleich dem Ölbaum, die Nähe des Wassers. Tief neigt sich dort, wo
das süße Wasser sich mit der Salzflut zu vermengen beginnt, unter dem An¬
drange des salzigen Hauchs das hohe Schalmeienrohr, das noch heute mit
dem Namen ^runclo clormx, den es von der gelehrten Botanik bekommen hat,
an die sanfte Bewegung des Schafes erinnert, die vor allem den Augen der
Griechen auffiel.

In diesen Wochen regt sich ein absonderliches Leben in den Tiefen des
Meeres, wohin kein menschlicher Blick dringt. So können wir es anch nur
nach seiner Fernhinüußerung abschätzen, etwa so, wie der Bewohner einer Ge¬
birgsgegend, der zu gewissen Zeiten die Scharen städtischer Ankömmlinge
wahrnimmt, sich aus diesem Schauspiel ein Bild von den Vorgängen auf
entlegnen Bahnhöfen macht. In diesen kalten, finstern Tiefen, in den Thälern,
die Hunderte von Metern hoch von der Salzflut überwallt werden, beunruhigt
die stummen Lebewesen in diesen Tagen derselbe Trieb, von dem die Bewohner
der trocknen Erde und der Lüfte in so vielen Bewegungen und Tönen Kunde


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[0083] Fischerleben auf der Adria wagt. Korkeichen und andre inunergrüne Eichen, mit den klafterhohen, wei߬ blütigen Calluuas und allerlei Weißen und roten Cistrosen untermengt, von der rvtbecrigen rauhen Stechwinde des Mittelmeerbeckens durchflochten, von einem Wirrsal des baumartigen immergrünen Wegdorns durchsetzt, veranschau¬ lichen die Wirkung des südeuropäischen Meerklimas. Oft erscheine» Fischer zwischen den Klippen und ziehen mit Gesang ihre Netze ein, in denen die Tiere mit dem silbernen Meerglanz blinken. Ist es doch dieselbe Thalatta, die der ionische Dichter die fischreiche genannt hat. Der Anblick der Fische, wenn sie auf den Grund der Barke gelegt oder einem Harrenden, der am Strande steht, zugeworfen werden, ist nicht nur ein Küchengedicht, sondern ergänzt in seinem Stillleben jenes Farbenspiel, das uns die innern Flächen der Muschelschalen geboten haben, als wir sie zu¬ sammen mit vielem Meersand mit der Hand aus der hintersten Klüftung des Felseneinschnitts schöpften. Wie das Meer im Laufe des Tags unter dem Wandel des Gestirns allerlei metallische Farben annimmt, so glänzt es auch an vielen dieser Fische goldig oder knpfern oder in der Färbung andrer Erzstufen. Wer sich ermannt und von den weichen Lehnsttthlen des Kaffeehauses weg hinausgeht auf die Wege, die sich längs des Meers, längs der Lorbeeren, Steineichen und Cedern hinziehen, der handelt nicht nur dem Zweck ent¬ sprechend, der ihn hierher geführt hat, sondern er verschafft sich auch einen Genuß, wie er nur in solchen Landschaften geboten wird. In der Schlucht, aus der ein reichlicher Bach dem Meer entgegenrinnt, das ihn mit langen Wellenreihen auf dem flachen Sand aufhält, begrüßt den Gast vielstimmiger Gesang der Nachtigallen. Citronenkraut, Satureja, Thymian und Lavendel duften ihm aufgefrischt entgegen. Die Nachtigallen lieben, gleich dem Ölbaum, die Nähe des Wassers. Tief neigt sich dort, wo das süße Wasser sich mit der Salzflut zu vermengen beginnt, unter dem An¬ drange des salzigen Hauchs das hohe Schalmeienrohr, das noch heute mit dem Namen ^runclo clormx, den es von der gelehrten Botanik bekommen hat, an die sanfte Bewegung des Schafes erinnert, die vor allem den Augen der Griechen auffiel. In diesen Wochen regt sich ein absonderliches Leben in den Tiefen des Meeres, wohin kein menschlicher Blick dringt. So können wir es anch nur nach seiner Fernhinüußerung abschätzen, etwa so, wie der Bewohner einer Ge¬ birgsgegend, der zu gewissen Zeiten die Scharen städtischer Ankömmlinge wahrnimmt, sich aus diesem Schauspiel ein Bild von den Vorgängen auf entlegnen Bahnhöfen macht. In diesen kalten, finstern Tiefen, in den Thälern, die Hunderte von Metern hoch von der Salzflut überwallt werden, beunruhigt die stummen Lebewesen in diesen Tagen derselbe Trieb, von dem die Bewohner der trocknen Erde und der Lüfte in so vielen Bewegungen und Tönen Kunde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/83>, abgerufen am 06.01.2025.