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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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China und das Abendland

zahlen, und endlich wurde ausdrücklich festgesetzt, daß in Zukunft jeder der
beiden Staaten den gleich hohen Rang des andern anerkennen und seinen
offiziellen Schriftwechsel darnach einrichten sollte. Die Opiumfrage kam gar nicht
zur Verhandlung, und schon darum ist es nicht gerechtfertigt, diesen Krieg, wie
es noch immer oft geschieht, den Opiumkrieg zu nennen. Vielmehr blieb hierin
nach wie vor alles beim alten, also beim Schmuggel. Wohl aber erkundigten
sich die chinesischen hohen Beamten beim Friedensschluß im Privatgespräch
nach der Auffassung der Engländer. Weshalb, fragten sie, wollt ihr uns denn
durchaus ein solches Gift ins Land bringen? Ihr solltet uns doch lieber be¬
hilflich sein, das Laster des Opiumrauchens in China nicht weiter um sich
greifen zu lassen, und solltet darum euern Staatsangehörigen den Handel mit
Opium streng verbieten! Hierauf vermochten die Engländer nur eine sehr ge-
wundne Antwort zu geben. Ihr müßt, sagten sie, euer Volk von der Schäd¬
lichkeit des Rauchers zu überzeugen suchen, dann hört der Handel von selbst
auf; solange er aber besteht, können wir uns den für uns daraus erwachsenden
Vorteil, der sonst doch ganz gewiß andern Nationen zufallen würde, nicht
entgehen lassen. In der That, eine in jeder Beziehung kümmerliche Entgegnung!
Diese Beweisführung ist, wie Williams in seinem Uickclls IQng'nimm treffend
bemerkt, im ersten Punkte um kein Haar besser, als wenn ein Gastwirt der
Frau eines Trunkenbolds, die ihn händeringend ansieht, ihrem Manne keinen
Schnaps mehr zu verkaufen, die kalte Antwort gäbe, sie solle doch ihren Mann
ernähren, keinen mehr zu trinken. Und auch der zweite Teil der Erwiderung
steht auf schwachen Füßen. Denn hätten die Engländer wirklich den Handel
mit Opium verboten, so würde es mit ihrer mächtigen moralischen Unterstützung
den Chinesen kaum schwer geworden sein, von andern Nationen gleiche Be¬
dingungen für die Handelsverträge zu erlangen. Es hätte auch christlichen
und gesitteten Völkern wohl angestanden, wenigstens den Versuch zu machen,
dies Unheil von China abzuwenden. Da jedoch nichts derartiges geschah, so
wurde, wie gleich hier erwähnt werden mag, der Schmuggel zuletzt so uner¬
träglich, daß nach dem zweiten Kriege allerdings schließlich nichts andres übrig
blieb, als den Handel mit Opium nnter Festsetzung eines Einfuhrzolls zu er¬
lauben. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind das einzige Land, das
im Jahre 1880 freiwillig mit China vereinbarte, seinen Bürgern und den
unter seiner Flagge fahrenden Schiffen den Opiumhandel zu verbieten, ein
zwar sehr ehrenwertes, wahrscheinlich aber doch gcfühlspolitisches und den Zweck
verfehlendes Vorgehen. Denn solange die andern in China vertretnen Nationen
nicht diesem Beispiele folgen, hindert amerikanische Firmen nichts daran, Deutsche
oder Engländer zu engagiren, die dem Wortlaut nach auf ihren Namen, in
Wirklichkeit aber auf Rechnung der Firma Opium kaufen. Und man müßte
die Amerikaner nicht kennen, um nicht zu wissen, daß es die meisten von ihnen
für gar keine Sünde halten, ein solches Verbot zu umgehen, wenn es so leicht


Grenzboten in 1892 10
China und das Abendland

zahlen, und endlich wurde ausdrücklich festgesetzt, daß in Zukunft jeder der
beiden Staaten den gleich hohen Rang des andern anerkennen und seinen
offiziellen Schriftwechsel darnach einrichten sollte. Die Opiumfrage kam gar nicht
zur Verhandlung, und schon darum ist es nicht gerechtfertigt, diesen Krieg, wie
es noch immer oft geschieht, den Opiumkrieg zu nennen. Vielmehr blieb hierin
nach wie vor alles beim alten, also beim Schmuggel. Wohl aber erkundigten
sich die chinesischen hohen Beamten beim Friedensschluß im Privatgespräch
nach der Auffassung der Engländer. Weshalb, fragten sie, wollt ihr uns denn
durchaus ein solches Gift ins Land bringen? Ihr solltet uns doch lieber be¬
hilflich sein, das Laster des Opiumrauchens in China nicht weiter um sich
greifen zu lassen, und solltet darum euern Staatsangehörigen den Handel mit
Opium streng verbieten! Hierauf vermochten die Engländer nur eine sehr ge-
wundne Antwort zu geben. Ihr müßt, sagten sie, euer Volk von der Schäd¬
lichkeit des Rauchers zu überzeugen suchen, dann hört der Handel von selbst
auf; solange er aber besteht, können wir uns den für uns daraus erwachsenden
Vorteil, der sonst doch ganz gewiß andern Nationen zufallen würde, nicht
entgehen lassen. In der That, eine in jeder Beziehung kümmerliche Entgegnung!
Diese Beweisführung ist, wie Williams in seinem Uickclls IQng'nimm treffend
bemerkt, im ersten Punkte um kein Haar besser, als wenn ein Gastwirt der
Frau eines Trunkenbolds, die ihn händeringend ansieht, ihrem Manne keinen
Schnaps mehr zu verkaufen, die kalte Antwort gäbe, sie solle doch ihren Mann
ernähren, keinen mehr zu trinken. Und auch der zweite Teil der Erwiderung
steht auf schwachen Füßen. Denn hätten die Engländer wirklich den Handel
mit Opium verboten, so würde es mit ihrer mächtigen moralischen Unterstützung
den Chinesen kaum schwer geworden sein, von andern Nationen gleiche Be¬
dingungen für die Handelsverträge zu erlangen. Es hätte auch christlichen
und gesitteten Völkern wohl angestanden, wenigstens den Versuch zu machen,
dies Unheil von China abzuwenden. Da jedoch nichts derartiges geschah, so
wurde, wie gleich hier erwähnt werden mag, der Schmuggel zuletzt so uner¬
träglich, daß nach dem zweiten Kriege allerdings schließlich nichts andres übrig
blieb, als den Handel mit Opium nnter Festsetzung eines Einfuhrzolls zu er¬
lauben. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind das einzige Land, das
im Jahre 1880 freiwillig mit China vereinbarte, seinen Bürgern und den
unter seiner Flagge fahrenden Schiffen den Opiumhandel zu verbieten, ein
zwar sehr ehrenwertes, wahrscheinlich aber doch gcfühlspolitisches und den Zweck
verfehlendes Vorgehen. Denn solange die andern in China vertretnen Nationen
nicht diesem Beispiele folgen, hindert amerikanische Firmen nichts daran, Deutsche
oder Engländer zu engagiren, die dem Wortlaut nach auf ihren Namen, in
Wirklichkeit aber auf Rechnung der Firma Opium kaufen. Und man müßte
die Amerikaner nicht kennen, um nicht zu wissen, daß es die meisten von ihnen
für gar keine Sünde halten, ein solches Verbot zu umgehen, wenn es so leicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/81>, abgerufen am 06.01.2025.