Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
China und das Abendland

pflegten, als Tribut angesehen. Den nach China kommenden Europäern fehlte
eben leider von Anfang an die ruhige Sicherheit des Auftretens, die gerade
Asiaten gegenüber von so großer Bedeutung ist. Statt einfach Handel zu
treiben, was die Chinesen überall sehr gern gesehen hätten, und statt mir im
Notfalle ihre Zuflucht zur Gemalt zu nehmen, ließen sich die Ansiedler arge
Übergriffe zu schulden kommen, während sich andrerseits manche Gesandten,
z. B. die der Holländer, in Peking so weit demütigem, sich dem Kaiser zu
Füßen zu werfen. Was wunder, wenn die Chinesen nicht glauben konnten,
Vertreter von stolzen Nationen vor sich zu haben! Ihre Verachtung der Aus¬
länder mußte durch solche elende Zugeständnisse uur noch steigen, und zwar
um so mehr, als die fremden Nationen nicht zusammenhielten, sondern fort¬
während Krieg gegen einander führten. Als dann in nnserm Jahrhundert
dem unhaltbaren Zustande mit Waffengewalt ein Ende gemacht werden mußte,
waren die Vorurteile gegen die Ausländer schon zu tief eingewurzelt, als daß
sie rasch Hütten verschwinden können.

Man muß aber bei der Beurteilung der nun eintretenden Ereignisse die
rein kommerzielle und die politische Seite vorsichtig auseinanderhalten. Die
große Menge des chinesischen Volkes, soweit es mit den Fremden in Berüh¬
rung kam, sah sehr bald ein, welche Vorteile ein reger Verkehr mit dein Aus¬
lande brachte, während der Hauptwiderstand gegen das Neue von der Klasse
der Beamten und Gelehrten ausging. Solange die ersten Europäer einfach
ihren Geschäften nachgingen und sich höchstens insofern um die Mandarinen
kümmerten, als diese, damit sie dem Handel keine unnötigen Schwierigkeiten
bereiteten, gelegentlich bestochen werden mußten, sind ihnen wohl kaum Hinder¬
nisse in den Weg gelegt worden. Ob sich dann das große Reich nicht viel¬
leicht allmählich friedlich dem Verkehr mit dem Abendlande geöffnet hätte, ist
schwer zu sagen und im Grunde jetzt anch eine müssige Frage. Denn so ein¬
fach sollten sich die Dinge uicht entwickeln; vielmehr sorgte die regierende
Klasse der Beamten durch ihr hochmütiges Auftreten bald dafür, sich gründ¬
lich ius Unrecht zu setzen. Es scheint, daß die Mandarinen von vornherein
eine instinktive Angst gehabt haben vor einem unbestimmten und unbekannten
Etwas, das hinter diesen plötzlich angelangten Europäern lauere und nur auf
eine günstige Gelegenheit warte, hervorzubrechen und ihrer Macht zu schaden.
Deun so allein kann man sich das oft schroffe Benehmen gegen die fremden
Gesandten erklären. Nur die fortwährenden europäischen Kriege schoben den
endgiltigen Bruch so lange Hinaus.

Wahrlich, kein erfreuliches Schauspiel für den rückblickenden Abendländer,
diese sich immer wiederholenden Bemühungen, fast möchte man sagen Bette¬
leien der christlichen Mächte um Besserung der Handelsbeziehungen mit China!
Der Verlauf solcher Gesandtschaftsreiseu war stets derselbe. In Peking
wurden die Herren ersucht, gefälligst vor dem Kaiser den Fußfall zu thun.


China und das Abendland

pflegten, als Tribut angesehen. Den nach China kommenden Europäern fehlte
eben leider von Anfang an die ruhige Sicherheit des Auftretens, die gerade
Asiaten gegenüber von so großer Bedeutung ist. Statt einfach Handel zu
treiben, was die Chinesen überall sehr gern gesehen hätten, und statt mir im
Notfalle ihre Zuflucht zur Gemalt zu nehmen, ließen sich die Ansiedler arge
Übergriffe zu schulden kommen, während sich andrerseits manche Gesandten,
z. B. die der Holländer, in Peking so weit demütigem, sich dem Kaiser zu
Füßen zu werfen. Was wunder, wenn die Chinesen nicht glauben konnten,
Vertreter von stolzen Nationen vor sich zu haben! Ihre Verachtung der Aus¬
länder mußte durch solche elende Zugeständnisse uur noch steigen, und zwar
um so mehr, als die fremden Nationen nicht zusammenhielten, sondern fort¬
während Krieg gegen einander führten. Als dann in nnserm Jahrhundert
dem unhaltbaren Zustande mit Waffengewalt ein Ende gemacht werden mußte,
waren die Vorurteile gegen die Ausländer schon zu tief eingewurzelt, als daß
sie rasch Hütten verschwinden können.

Man muß aber bei der Beurteilung der nun eintretenden Ereignisse die
rein kommerzielle und die politische Seite vorsichtig auseinanderhalten. Die
große Menge des chinesischen Volkes, soweit es mit den Fremden in Berüh¬
rung kam, sah sehr bald ein, welche Vorteile ein reger Verkehr mit dein Aus¬
lande brachte, während der Hauptwiderstand gegen das Neue von der Klasse
der Beamten und Gelehrten ausging. Solange die ersten Europäer einfach
ihren Geschäften nachgingen und sich höchstens insofern um die Mandarinen
kümmerten, als diese, damit sie dem Handel keine unnötigen Schwierigkeiten
bereiteten, gelegentlich bestochen werden mußten, sind ihnen wohl kaum Hinder¬
nisse in den Weg gelegt worden. Ob sich dann das große Reich nicht viel¬
leicht allmählich friedlich dem Verkehr mit dem Abendlande geöffnet hätte, ist
schwer zu sagen und im Grunde jetzt anch eine müssige Frage. Denn so ein¬
fach sollten sich die Dinge uicht entwickeln; vielmehr sorgte die regierende
Klasse der Beamten durch ihr hochmütiges Auftreten bald dafür, sich gründ¬
lich ius Unrecht zu setzen. Es scheint, daß die Mandarinen von vornherein
eine instinktive Angst gehabt haben vor einem unbestimmten und unbekannten
Etwas, das hinter diesen plötzlich angelangten Europäern lauere und nur auf
eine günstige Gelegenheit warte, hervorzubrechen und ihrer Macht zu schaden.
Deun so allein kann man sich das oft schroffe Benehmen gegen die fremden
Gesandten erklären. Nur die fortwährenden europäischen Kriege schoben den
endgiltigen Bruch so lange Hinaus.

Wahrlich, kein erfreuliches Schauspiel für den rückblickenden Abendländer,
diese sich immer wiederholenden Bemühungen, fast möchte man sagen Bette¬
leien der christlichen Mächte um Besserung der Handelsbeziehungen mit China!
Der Verlauf solcher Gesandtschaftsreiseu war stets derselbe. In Peking
wurden die Herren ersucht, gefälligst vor dem Kaiser den Fußfall zu thun.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212552"/>
            <fw type="header" place="top"> China und das Abendland</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_177" prev="#ID_176"> pflegten, als Tribut angesehen. Den nach China kommenden Europäern fehlte<lb/>
eben leider von Anfang an die ruhige Sicherheit des Auftretens, die gerade<lb/>
Asiaten gegenüber von so großer Bedeutung ist. Statt einfach Handel zu<lb/>
treiben, was die Chinesen überall sehr gern gesehen hätten, und statt mir im<lb/>
Notfalle ihre Zuflucht zur Gemalt zu nehmen, ließen sich die Ansiedler arge<lb/>
Übergriffe zu schulden kommen, während sich andrerseits manche Gesandten,<lb/>
z. B. die der Holländer, in Peking so weit demütigem, sich dem Kaiser zu<lb/>
Füßen zu werfen. Was wunder, wenn die Chinesen nicht glauben konnten,<lb/>
Vertreter von stolzen Nationen vor sich zu haben! Ihre Verachtung der Aus¬<lb/>
länder mußte durch solche elende Zugeständnisse uur noch steigen, und zwar<lb/>
um so mehr, als die fremden Nationen nicht zusammenhielten, sondern fort¬<lb/>
während Krieg gegen einander führten. Als dann in nnserm Jahrhundert<lb/>
dem unhaltbaren Zustande mit Waffengewalt ein Ende gemacht werden mußte,<lb/>
waren die Vorurteile gegen die Ausländer schon zu tief eingewurzelt, als daß<lb/>
sie rasch Hütten verschwinden können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_178"> Man muß aber bei der Beurteilung der nun eintretenden Ereignisse die<lb/>
rein kommerzielle und die politische Seite vorsichtig auseinanderhalten. Die<lb/>
große Menge des chinesischen Volkes, soweit es mit den Fremden in Berüh¬<lb/>
rung kam, sah sehr bald ein, welche Vorteile ein reger Verkehr mit dein Aus¬<lb/>
lande brachte, während der Hauptwiderstand gegen das Neue von der Klasse<lb/>
der Beamten und Gelehrten ausging. Solange die ersten Europäer einfach<lb/>
ihren Geschäften nachgingen und sich höchstens insofern um die Mandarinen<lb/>
kümmerten, als diese, damit sie dem Handel keine unnötigen Schwierigkeiten<lb/>
bereiteten, gelegentlich bestochen werden mußten, sind ihnen wohl kaum Hinder¬<lb/>
nisse in den Weg gelegt worden. Ob sich dann das große Reich nicht viel¬<lb/>
leicht allmählich friedlich dem Verkehr mit dem Abendlande geöffnet hätte, ist<lb/>
schwer zu sagen und im Grunde jetzt anch eine müssige Frage. Denn so ein¬<lb/>
fach sollten sich die Dinge uicht entwickeln; vielmehr sorgte die regierende<lb/>
Klasse der Beamten durch ihr hochmütiges Auftreten bald dafür, sich gründ¬<lb/>
lich ius Unrecht zu setzen. Es scheint, daß die Mandarinen von vornherein<lb/>
eine instinktive Angst gehabt haben vor einem unbestimmten und unbekannten<lb/>
Etwas, das hinter diesen plötzlich angelangten Europäern lauere und nur auf<lb/>
eine günstige Gelegenheit warte, hervorzubrechen und ihrer Macht zu schaden.<lb/>
Deun so allein kann man sich das oft schroffe Benehmen gegen die fremden<lb/>
Gesandten erklären. Nur die fortwährenden europäischen Kriege schoben den<lb/>
endgiltigen Bruch so lange Hinaus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_179" next="#ID_180"> Wahrlich, kein erfreuliches Schauspiel für den rückblickenden Abendländer,<lb/>
diese sich immer wiederholenden Bemühungen, fast möchte man sagen Bette¬<lb/>
leien der christlichen Mächte um Besserung der Handelsbeziehungen mit China!<lb/>
Der Verlauf solcher Gesandtschaftsreiseu war stets derselbe. In Peking<lb/>
wurden die Herren ersucht, gefälligst vor dem Kaiser den Fußfall zu thun.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0076] China und das Abendland pflegten, als Tribut angesehen. Den nach China kommenden Europäern fehlte eben leider von Anfang an die ruhige Sicherheit des Auftretens, die gerade Asiaten gegenüber von so großer Bedeutung ist. Statt einfach Handel zu treiben, was die Chinesen überall sehr gern gesehen hätten, und statt mir im Notfalle ihre Zuflucht zur Gemalt zu nehmen, ließen sich die Ansiedler arge Übergriffe zu schulden kommen, während sich andrerseits manche Gesandten, z. B. die der Holländer, in Peking so weit demütigem, sich dem Kaiser zu Füßen zu werfen. Was wunder, wenn die Chinesen nicht glauben konnten, Vertreter von stolzen Nationen vor sich zu haben! Ihre Verachtung der Aus¬ länder mußte durch solche elende Zugeständnisse uur noch steigen, und zwar um so mehr, als die fremden Nationen nicht zusammenhielten, sondern fort¬ während Krieg gegen einander führten. Als dann in nnserm Jahrhundert dem unhaltbaren Zustande mit Waffengewalt ein Ende gemacht werden mußte, waren die Vorurteile gegen die Ausländer schon zu tief eingewurzelt, als daß sie rasch Hütten verschwinden können. Man muß aber bei der Beurteilung der nun eintretenden Ereignisse die rein kommerzielle und die politische Seite vorsichtig auseinanderhalten. Die große Menge des chinesischen Volkes, soweit es mit den Fremden in Berüh¬ rung kam, sah sehr bald ein, welche Vorteile ein reger Verkehr mit dein Aus¬ lande brachte, während der Hauptwiderstand gegen das Neue von der Klasse der Beamten und Gelehrten ausging. Solange die ersten Europäer einfach ihren Geschäften nachgingen und sich höchstens insofern um die Mandarinen kümmerten, als diese, damit sie dem Handel keine unnötigen Schwierigkeiten bereiteten, gelegentlich bestochen werden mußten, sind ihnen wohl kaum Hinder¬ nisse in den Weg gelegt worden. Ob sich dann das große Reich nicht viel¬ leicht allmählich friedlich dem Verkehr mit dem Abendlande geöffnet hätte, ist schwer zu sagen und im Grunde jetzt anch eine müssige Frage. Denn so ein¬ fach sollten sich die Dinge uicht entwickeln; vielmehr sorgte die regierende Klasse der Beamten durch ihr hochmütiges Auftreten bald dafür, sich gründ¬ lich ius Unrecht zu setzen. Es scheint, daß die Mandarinen von vornherein eine instinktive Angst gehabt haben vor einem unbestimmten und unbekannten Etwas, das hinter diesen plötzlich angelangten Europäern lauere und nur auf eine günstige Gelegenheit warte, hervorzubrechen und ihrer Macht zu schaden. Deun so allein kann man sich das oft schroffe Benehmen gegen die fremden Gesandten erklären. Nur die fortwährenden europäischen Kriege schoben den endgiltigen Bruch so lange Hinaus. Wahrlich, kein erfreuliches Schauspiel für den rückblickenden Abendländer, diese sich immer wiederholenden Bemühungen, fast möchte man sagen Bette¬ leien der christlichen Mächte um Besserung der Handelsbeziehungen mit China! Der Verlauf solcher Gesandtschaftsreiseu war stets derselbe. In Peking wurden die Herren ersucht, gefälligst vor dem Kaiser den Fußfall zu thun.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/76
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/76>, abgerufen am 08.01.2025.