Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dein Universitätsleben von Studenten deshalb in wenig zarter Weise an ihn gerichtet wurden, beugte Die Studenten hatten Papendick alle gern. Die Trinkgelder flössen ihm Bei den Professoren freilich genoß Papendick weniger Liebe; namentlich Bilder aus dein Universitätsleben von Studenten deshalb in wenig zarter Weise an ihn gerichtet wurden, beugte Die Studenten hatten Papendick alle gern. Die Trinkgelder flössen ihm Bei den Professoren freilich genoß Papendick weniger Liebe; namentlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213090"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dein Universitätsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2039" prev="#ID_2038"> von Studenten deshalb in wenig zarter Weise an ihn gerichtet wurden, beugte<lb/> er vor; sobald er merkte, daß jemand den forschenden Blick auf seine Nase<lb/> gerichtet hatte, hob er den Zeigefinger, sah den Neugierigen mit zu-<lb/> sammengezvgnen Augenbrauen scharf an und sagte vorwurfsvoll: Das kommt<lb/> vom saufe»! Und dann war selbst der Wißbegierigste sofort befriedigt.<lb/> Fragte nun gar noch einer: Aber Papendick, weshalb trinken Sie so viel?<lb/> dann sagte er achselzuckend: Mein lieber Herr, das versteh» Sie nicht. Liegen<lb/> Sie erst einmal drei Monate vor Paris in der verfluchten Haubitzenbatterie,<lb/> im Schnee und Dreck, und dann reden Sie klug. Im übrigen haben die<lb/> alten Griechen und Römer auch schon gesoffen, und die alten Germanen erst<lb/> recht. Dabei wußte er unmerkbar mit einer geschickten Fingerbewegung das<lb/> eiserne Kreuz aus seinem Rock hervorzuschnellen, und dann stand der Neu¬<lb/> gierige in seiner ganzen Beschämung da.</p><lb/> <p xml:id="ID_2040"> Die Studenten hatten Papendick alle gern. Die Trinkgelder flössen ihm<lb/> so reichlich zu, daß er allein davon Hütte leben können. Wenn er eine Be¬<lb/> stellung machte, oder man ihm einen Auftrag gab, fo hielt er gewöhnlich die<lb/> rechte Hand mit der Außenfläche gegen die Hüfte, etwas gewölbt, sodaß sie<lb/> einer Sammelbüchse glich, zu der die etwas zuckenden oder winkenden Finger<lb/> gleichsam den Deckel bildeten. Genaue Kenner behaupteten, seine Hand sähe aus<lb/> wie die der alten Leipziger Küster, von denen in Deutschland die Sage geht,<lb/> daß sich ihre Handfläche vom vielen Trinkgeldnehmen allmählich mit einer<lb/> nur gegen Gold empfindlichen Hornhaut bedecke.</p><lb/> <p xml:id="ID_2041" next="#ID_2042"> Bei den Professoren freilich genoß Papendick weniger Liebe; namentlich<lb/> konnten die sehr feudal und vornehm thuenden jüngern Dozenten nie begreifen,<lb/> wie man solch ein „Scheusal," das kaum schreiben und lesen könne, mit einer<lb/> polizeiwidrigen Nase behaftet wäre und fortwährend nach Fusel röche, in einer<lb/> so verantwortungsvollen Stellung an der Universität behalten könne. Aber Pa¬<lb/> pendick hatte am Professor Wetter einen gewichtigen Gönner, und da dieser da¬<lb/> mals Rektor geworden war, so ließ der Pedell alle mißfälligen Äußerungen<lb/> und alle schlechte Behandlung mit einer gewissen Geringschätzung über sich<lb/> ergehen. Kamen Unregelmäßigkeiten in seinem Dienste vor, so wußte Pro¬<lb/> fessor Weller die Dinge bald wieder in Ordnung zu bringe». Nur einmal<lb/> konnte er ihm de» Verweis nicht erspare», als sich der Professor der Gynäko¬<lb/> logie, der Papendick nicht ausstehen konnte, über ihn beschwert hatte. Papen¬<lb/> dick hatte nämlich bei deu Prüfungen die zugereiste» Kandidaten, die mit den<lb/> Verhältnissen der Universität nicht bekannt waren, zu den prüfenden Professoren<lb/> zu führen. So brachte er einmal einen salbungsvolle» Theologe», der ihm<lb/> das Trinkgeld schuldig geblieben war, zu dem Professor der Gynäkologie. Da<lb/> soll es zwischen dem Theologen und dem Mediziner zu einer sehr unerquick¬<lb/> lichen Verwirrung gekommen sein. Das gab viel Verstimmungen und viel<lb/> Schreibereien, und der Pedell wurde natürlich zur Verantwortung gezogen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0614]
Bilder aus dein Universitätsleben
von Studenten deshalb in wenig zarter Weise an ihn gerichtet wurden, beugte
er vor; sobald er merkte, daß jemand den forschenden Blick auf seine Nase
gerichtet hatte, hob er den Zeigefinger, sah den Neugierigen mit zu-
sammengezvgnen Augenbrauen scharf an und sagte vorwurfsvoll: Das kommt
vom saufe»! Und dann war selbst der Wißbegierigste sofort befriedigt.
Fragte nun gar noch einer: Aber Papendick, weshalb trinken Sie so viel?
dann sagte er achselzuckend: Mein lieber Herr, das versteh» Sie nicht. Liegen
Sie erst einmal drei Monate vor Paris in der verfluchten Haubitzenbatterie,
im Schnee und Dreck, und dann reden Sie klug. Im übrigen haben die
alten Griechen und Römer auch schon gesoffen, und die alten Germanen erst
recht. Dabei wußte er unmerkbar mit einer geschickten Fingerbewegung das
eiserne Kreuz aus seinem Rock hervorzuschnellen, und dann stand der Neu¬
gierige in seiner ganzen Beschämung da.
Die Studenten hatten Papendick alle gern. Die Trinkgelder flössen ihm
so reichlich zu, daß er allein davon Hütte leben können. Wenn er eine Be¬
stellung machte, oder man ihm einen Auftrag gab, fo hielt er gewöhnlich die
rechte Hand mit der Außenfläche gegen die Hüfte, etwas gewölbt, sodaß sie
einer Sammelbüchse glich, zu der die etwas zuckenden oder winkenden Finger
gleichsam den Deckel bildeten. Genaue Kenner behaupteten, seine Hand sähe aus
wie die der alten Leipziger Küster, von denen in Deutschland die Sage geht,
daß sich ihre Handfläche vom vielen Trinkgeldnehmen allmählich mit einer
nur gegen Gold empfindlichen Hornhaut bedecke.
Bei den Professoren freilich genoß Papendick weniger Liebe; namentlich
konnten die sehr feudal und vornehm thuenden jüngern Dozenten nie begreifen,
wie man solch ein „Scheusal," das kaum schreiben und lesen könne, mit einer
polizeiwidrigen Nase behaftet wäre und fortwährend nach Fusel röche, in einer
so verantwortungsvollen Stellung an der Universität behalten könne. Aber Pa¬
pendick hatte am Professor Wetter einen gewichtigen Gönner, und da dieser da¬
mals Rektor geworden war, so ließ der Pedell alle mißfälligen Äußerungen
und alle schlechte Behandlung mit einer gewissen Geringschätzung über sich
ergehen. Kamen Unregelmäßigkeiten in seinem Dienste vor, so wußte Pro¬
fessor Weller die Dinge bald wieder in Ordnung zu bringe». Nur einmal
konnte er ihm de» Verweis nicht erspare», als sich der Professor der Gynäko¬
logie, der Papendick nicht ausstehen konnte, über ihn beschwert hatte. Papen¬
dick hatte nämlich bei deu Prüfungen die zugereiste» Kandidaten, die mit den
Verhältnissen der Universität nicht bekannt waren, zu den prüfenden Professoren
zu führen. So brachte er einmal einen salbungsvolle» Theologe», der ihm
das Trinkgeld schuldig geblieben war, zu dem Professor der Gynäkologie. Da
soll es zwischen dem Theologen und dem Mediziner zu einer sehr unerquick¬
lichen Verwirrung gekommen sein. Das gab viel Verstimmungen und viel
Schreibereien, und der Pedell wurde natürlich zur Verantwortung gezogen.
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