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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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und der industriellen Unternehmungen kommt denen zu gute, die sich von dein
Besitz durch Verknus losgemacht haben. Der Käufer ist in der Regel in der
Lage, daß er nur die Zinsen seines Kapitals und einen mäßigen Gewinn
machen kann, bis eine weitere günstig verlaufende Konjunktur den Unternehmer¬
gewinn steigert. So sehen wir, daß täglich ertragreiche Unternehmungen in
andre Hände übergehn, häufig auch aus dem Privatbesitz in Aktienunter-
"ehmungen verwandelt werden. Bei den letztern prägt sich der Ertrag des
Unternehmens sofort im Kurse aus, und die verantwortlichen Leiter sind stets
darauf angewiesen, auf alle nur möglichen Ersparnisse Bedacht zu nehmen,
um eine dem Kurse entsprechende Dividende gewähren zu können. Die Kon¬
junktur kommt auf diese Weise stets dem Kapital zu gute.

Wir haben anch gesehen und erlebt, daß der Preis der Landgüter seit
dem Ende der dreißiger Jahre beständig gestiegen ist, weil sich seit jener Zeit
die Grundrente, der Pacht hob. Man hat in den seltensten Fällen daran
gedacht, einen Teil der höhern Grundrente der Arbeit zuzuwenden; man hat
es als ganz selbstverständlich ungesehn, daß die Grundrente allein dem Grund¬
besitzer zufallen müsse, obwohl das Steigen wesentlich der günstigen Konjunktur,
also nicht dem Verdienst des Eigentümers zuzuschreiben war. Viele Güter
haben seit fünfzig Jahren den zwei- bis dreifachen Wert erreicht; zum Teil
allerdings dnrch Meliorationen, namentlich aber durch die Konjunktur. Auch
hier hat nun jeder Käufer den gestiegnen Wert bezahlen, jeder Erbe sich ihn
anrechnen lassen müssen. Die Folge ist, daß dem jedesmaligen Besitzer die
günstige Konjunktur der vergangnen Zeit nicht mehr zum Nutzen gereicht:
denn der hohe Kaufpreis nötigt wieder, auf alle möglichen Ersparnisse Bedacht
zu nehmen. Den Vorteil der günstigen Konjunktur hat der frühere Besitzer
beim Verkauf eingeheimst. Ebenso steht es mit dem Pächter. Der Pacht be¬
stimmt sich durch die Konkurrenz der Pachtliebhaber, und jeder bietet so hoch,
als er es verantworten zu können glaubt, so lange noch Aussicht vorhanden
ist, Zins und Unternehmergewinn und ein Äquivalent für die eigne Arbeit
herauszuschlagen. Bei dieser Sachlage sind die am besten daran, die schon
vor vielen Jahren auf lange Zeit gepachtet haben oder lange Zeit im Besitz
gewesen sind. Alle übrigen haben schwer zu kämpfen, wenn sich die mit dem
Geschäft verbundnen Ausgaben: Kommnnalsteuern, Löhne u. s. w. mehren.

Dies ist im allgemeinen die Lage der Landwirtschaft und des ländlichen
Grundbesitzes. Die, die in der Gegenwart den Beruf des Landwirth ausüben,
haben von den günstigen Konjunkturen keinen Vorteil, weil dieser bereits früher
zu Kapital gemacht und vorweggenommen ist. So können die verfloßnen
Jahrzehnte im ganzen genommen dem Steigen der Grundrente, dem Ertrage
der Pächter günstig gewesen sein, und doch haben die Grundbesitzer und Pächter
der Mehrzahl nach mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Um nicht unterliegen zu müssen, verlangen sie Schutzzölle. Aber wenn


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und der industriellen Unternehmungen kommt denen zu gute, die sich von dein
Besitz durch Verknus losgemacht haben. Der Käufer ist in der Regel in der
Lage, daß er nur die Zinsen seines Kapitals und einen mäßigen Gewinn
machen kann, bis eine weitere günstig verlaufende Konjunktur den Unternehmer¬
gewinn steigert. So sehen wir, daß täglich ertragreiche Unternehmungen in
andre Hände übergehn, häufig auch aus dem Privatbesitz in Aktienunter-
»ehmungen verwandelt werden. Bei den letztern prägt sich der Ertrag des
Unternehmens sofort im Kurse aus, und die verantwortlichen Leiter sind stets
darauf angewiesen, auf alle nur möglichen Ersparnisse Bedacht zu nehmen,
um eine dem Kurse entsprechende Dividende gewähren zu können. Die Kon¬
junktur kommt auf diese Weise stets dem Kapital zu gute.

Wir haben anch gesehen und erlebt, daß der Preis der Landgüter seit
dem Ende der dreißiger Jahre beständig gestiegen ist, weil sich seit jener Zeit
die Grundrente, der Pacht hob. Man hat in den seltensten Fällen daran
gedacht, einen Teil der höhern Grundrente der Arbeit zuzuwenden; man hat
es als ganz selbstverständlich ungesehn, daß die Grundrente allein dem Grund¬
besitzer zufallen müsse, obwohl das Steigen wesentlich der günstigen Konjunktur,
also nicht dem Verdienst des Eigentümers zuzuschreiben war. Viele Güter
haben seit fünfzig Jahren den zwei- bis dreifachen Wert erreicht; zum Teil
allerdings dnrch Meliorationen, namentlich aber durch die Konjunktur. Auch
hier hat nun jeder Käufer den gestiegnen Wert bezahlen, jeder Erbe sich ihn
anrechnen lassen müssen. Die Folge ist, daß dem jedesmaligen Besitzer die
günstige Konjunktur der vergangnen Zeit nicht mehr zum Nutzen gereicht:
denn der hohe Kaufpreis nötigt wieder, auf alle möglichen Ersparnisse Bedacht
zu nehmen. Den Vorteil der günstigen Konjunktur hat der frühere Besitzer
beim Verkauf eingeheimst. Ebenso steht es mit dem Pächter. Der Pacht be¬
stimmt sich durch die Konkurrenz der Pachtliebhaber, und jeder bietet so hoch,
als er es verantworten zu können glaubt, so lange noch Aussicht vorhanden
ist, Zins und Unternehmergewinn und ein Äquivalent für die eigne Arbeit
herauszuschlagen. Bei dieser Sachlage sind die am besten daran, die schon
vor vielen Jahren auf lange Zeit gepachtet haben oder lange Zeit im Besitz
gewesen sind. Alle übrigen haben schwer zu kämpfen, wenn sich die mit dem
Geschäft verbundnen Ausgaben: Kommnnalsteuern, Löhne u. s. w. mehren.

Dies ist im allgemeinen die Lage der Landwirtschaft und des ländlichen
Grundbesitzes. Die, die in der Gegenwart den Beruf des Landwirth ausüben,
haben von den günstigen Konjunkturen keinen Vorteil, weil dieser bereits früher
zu Kapital gemacht und vorweggenommen ist. So können die verfloßnen
Jahrzehnte im ganzen genommen dem Steigen der Grundrente, dem Ertrage
der Pächter günstig gewesen sein, und doch haben die Grundbesitzer und Pächter
der Mehrzahl nach mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Um nicht unterliegen zu müssen, verlangen sie Schutzzölle. Aber wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/591>, abgerufen am 09.01.2025.