Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge Verhältnismäßig viele Refvrmburschenschaften einlenken, in Farben sehr sonderbar Aufklärungen über studentische Dinge Verhältnismäßig viele Refvrmburschenschaften einlenken, in Farben sehr sonderbar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0565" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213041"/> <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1861" prev="#ID_1860" next="#ID_1862"> Verhältnismäßig viele Refvrmburschenschaften einlenken, in Farben sehr sonderbar<lb/> aussahen, einen v. L, gründeten und auch in andern Dingen so piepsten,<lb/> wie die alten sungen. Wer übrigens etwas genaueres über ihre unerme߬<lb/> lichen Programme erfahren möchte, wolle sich aus der studentischen Litteratur<lb/> der Jahre 1883 ff. zu unterrichten suchen; an dieser Stelle genügt wirklich<lb/> der Hinweis, daß es fast keinen unklaren oder verfehlten Punkt in der damals<lb/> siebzigjährigen Geschichte der Burschenschaft giebt, den sich diese Parodisteu<lb/> nicht mehr oder minder prinzipienbegeistert angeeignet hätten, und daß die ver¬<lb/> nünftigen Gegenerörterungen, zumal der am nächsten beteiligten Burschenschaft,<lb/> gar nichts gefruchtet haben. Auch auf einige kleinere Universitäten haben die<lb/> Reformer alsbald Streifzüge unternommen, wir wissen aber uicht aus eigner<lb/> Beobachtung, mit welchem Glück; bei gelegentlichen Besuchen merkt man jeden¬<lb/> falls nichts von ihnen. Dr. Küster ist unterdessen ein bekannter Mann ge¬<lb/> worden und hat vieles gegründet; und wir freuen uns stets, wenn wir bei<lb/> Ausrufen für vernünftige oder sonstige, christliche oder nichtchristliche Zwecke<lb/> auch seinem klangvollen Namen begegnen. Sein Organ heißt jetzt: „Allge¬<lb/> meine deutsche Universitäts-Zeitung. Zeitschrift für geistige Bestrebungen.<lb/> Organ der deutschen akademischen Vereinigung. Organ der Frauengrnppe der<lb/> deutschen akademischen Vereinigung. Organ für Mitteilungen aus dem Allge¬<lb/> meinen Deutschen Vurschenbunde." Dazu können wir nur sagen, daß das<lb/> Blatt so ziemlich allen und jeglichen Bestrebungen, die möglichst „jetztzeitlich"<lb/> sind, als wohlwollendes Organ zur Verfügung steht, daß nirgends derartige<lb/> Orgien des Wortes „voll und ganz" begangen werden, wie dort, und daß<lb/> Dr. Wustmann mit seinen „Sprachdummheiten" niemals zu Ende gekommen<lb/> wäre, wenn er sich in diese Senkgrube vertieft hätte. Wir nehmen die erste<lb/> beste Nummer auf, vom 15. Juni 1892. Wieder einmal darin ein Aufsatz:<lb/> „Waswirwollen." Man höre. Das Prinzip der Schöpfung ist laut Darwin Ent¬<lb/> wicklung, Fortschritt. „Eine Burschenschaft ist, wie wir schon des öftern ent¬<lb/> wickelt haben, eine Reformpartei, eine Prvgreß- d. h. Fortschrittspartei, oder<lb/> sie ist keine Burschenschaft." „Eine in Wirklichkeit »konservative« Partei oder<lb/> gar eine »reaktionäre« Partei handelt gegen das Gebot der Schöpfung, han¬<lb/> delt somit gegen göttliches Gebot! Eine Burschenschaft muß also bemüht sein,<lb/> an der Spitze des Kulturfortschritts zu stehn." Die alten Burschenschafter<lb/> sind unfähig für alle die herrlichen Aufgaben, die damit gestellt sind, sie<lb/> müssen darauf verzichten; „die Ursache liegt auf der Hand: weil sie in erster<lb/> Linie Farbenverbindungen sind und keine Burschenschafter. Hier liegt (liegt!)<lb/> des Pudels Kern." Die Sache ist aber die, daß die wirklichen Vurscheuscha'sten<lb/> heutzutage in der That Farbenverbindungen von bestimmter Art sein wollen,<lb/> also an ganz andern Absichten fremder Leute gar nicht gemessen werden sollten,<lb/> während diese Neo-Germanias und wie sich die Reformburschenschaften sonst<lb/> nennen, oft genug das Ziel aussprechen, alle Studenten — ohne jede Prü-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0565]
Aufklärungen über studentische Dinge
Verhältnismäßig viele Refvrmburschenschaften einlenken, in Farben sehr sonderbar
aussahen, einen v. L, gründeten und auch in andern Dingen so piepsten,
wie die alten sungen. Wer übrigens etwas genaueres über ihre unerme߬
lichen Programme erfahren möchte, wolle sich aus der studentischen Litteratur
der Jahre 1883 ff. zu unterrichten suchen; an dieser Stelle genügt wirklich
der Hinweis, daß es fast keinen unklaren oder verfehlten Punkt in der damals
siebzigjährigen Geschichte der Burschenschaft giebt, den sich diese Parodisteu
nicht mehr oder minder prinzipienbegeistert angeeignet hätten, und daß die ver¬
nünftigen Gegenerörterungen, zumal der am nächsten beteiligten Burschenschaft,
gar nichts gefruchtet haben. Auch auf einige kleinere Universitäten haben die
Reformer alsbald Streifzüge unternommen, wir wissen aber uicht aus eigner
Beobachtung, mit welchem Glück; bei gelegentlichen Besuchen merkt man jeden¬
falls nichts von ihnen. Dr. Küster ist unterdessen ein bekannter Mann ge¬
worden und hat vieles gegründet; und wir freuen uns stets, wenn wir bei
Ausrufen für vernünftige oder sonstige, christliche oder nichtchristliche Zwecke
auch seinem klangvollen Namen begegnen. Sein Organ heißt jetzt: „Allge¬
meine deutsche Universitäts-Zeitung. Zeitschrift für geistige Bestrebungen.
Organ der deutschen akademischen Vereinigung. Organ der Frauengrnppe der
deutschen akademischen Vereinigung. Organ für Mitteilungen aus dem Allge¬
meinen Deutschen Vurschenbunde." Dazu können wir nur sagen, daß das
Blatt so ziemlich allen und jeglichen Bestrebungen, die möglichst „jetztzeitlich"
sind, als wohlwollendes Organ zur Verfügung steht, daß nirgends derartige
Orgien des Wortes „voll und ganz" begangen werden, wie dort, und daß
Dr. Wustmann mit seinen „Sprachdummheiten" niemals zu Ende gekommen
wäre, wenn er sich in diese Senkgrube vertieft hätte. Wir nehmen die erste
beste Nummer auf, vom 15. Juni 1892. Wieder einmal darin ein Aufsatz:
„Waswirwollen." Man höre. Das Prinzip der Schöpfung ist laut Darwin Ent¬
wicklung, Fortschritt. „Eine Burschenschaft ist, wie wir schon des öftern ent¬
wickelt haben, eine Reformpartei, eine Prvgreß- d. h. Fortschrittspartei, oder
sie ist keine Burschenschaft." „Eine in Wirklichkeit »konservative« Partei oder
gar eine »reaktionäre« Partei handelt gegen das Gebot der Schöpfung, han¬
delt somit gegen göttliches Gebot! Eine Burschenschaft muß also bemüht sein,
an der Spitze des Kulturfortschritts zu stehn." Die alten Burschenschafter
sind unfähig für alle die herrlichen Aufgaben, die damit gestellt sind, sie
müssen darauf verzichten; „die Ursache liegt auf der Hand: weil sie in erster
Linie Farbenverbindungen sind und keine Burschenschafter. Hier liegt (liegt!)
des Pudels Kern." Die Sache ist aber die, daß die wirklichen Vurscheuscha'sten
heutzutage in der That Farbenverbindungen von bestimmter Art sein wollen,
also an ganz andern Absichten fremder Leute gar nicht gemessen werden sollten,
während diese Neo-Germanias und wie sich die Reformburschenschaften sonst
nennen, oft genug das Ziel aussprechen, alle Studenten — ohne jede Prü-
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