Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.I. G> Lichtes geschlossener ^andelsstaat Frieden und Bündnisse zu schließen hat. Sie kann monarchisch sein, ohne es Grenzboten III 1892 68
I. G> Lichtes geschlossener ^andelsstaat Frieden und Bündnisse zu schließen hat. Sie kann monarchisch sein, ohne es Grenzboten III 1892 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213021"/> <fw type="header" place="top"> I. G> Lichtes geschlossener ^andelsstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1811" prev="#ID_1810" next="#ID_1812"> Frieden und Bündnisse zu schließen hat. Sie kann monarchisch sein, ohne es<lb/> sein zu müssen, aber ihrer ganzen Beschaffenheit nach, als das Haupt, von<lb/> dem alle Regelung und Ordnung ausgeht, muß sie aristokratisch sein, wenn<lb/> das auch Fichte uicht ausdrücklich sagt. Sie deckt sich ihrem Begriffe nach<lb/> nicht mit den Personen, die als „öffentliche Beamte" zu bezeichnen sind, aber<lb/> sie gehört zu ihnen. Wie viel solcher Beamten sein sollen, für welche Thütig-<lb/> keitszweige sie anzustellen sind, hat die Regierung ebenso zu berechnen, als sie<lb/> zu berechnen hat, wie jeder Bürger von Rechts wegen leben soll und darf.<lb/> Sie stellt alle Beamten an, die sich mit Handhabung der Gesetze und der<lb/> öffentlichen Ordnung beschäftigen, und bildet selbst deren Spitze; sie stellt andre<lb/> ein. die sich mit dem öffentlichen Unterricht beschäftigen, und wieder andre,<lb/> die sich in den Waffen üben und jederzeit fertig stehen zum Schutze der<lb/> Nation gegen innre und äußre Feinde. Für alle diese Beamten müssen die<lb/> übrigen Stände mit arbeiten. Hierin liegt der Grundbegriff der Abgabe.<lb/> Diese Abgaben erfolgen von Rechts wegen; denn die, die alle andern bei<lb/> ihrem Rechte schützen, dürfen uicht die sein, die etwa selber daran gekränkt<lb/> werden. Die Einstihrnng der Abgaben ist wohl ein Abbruch am Wohlstande<lb/> aller, aber keine Störung des Gleichgewichts; denn der Abbruch trifft alle<lb/> gleichmäßig. Eher könnte dieses Gleichgewicht gestört werden durch die Un¬<lb/> sicherheit des Feldbaus, der keinen gleichen Ertrag liefert. Auch die Fabri¬<lb/> kation wird durch Unregelmäßigkeit in der Produktengewinnung gestört. Da¬<lb/> gegen giebt es ein Mittel: man decke den Mißwachs des einen Jahres durch<lb/> die Fruchtbarkeit eines andern. Zu dem Zwecke muß man die für den Staat<lb/> notwendige Produkteugewiuuung uicht auf ein Jahr berechnen, sondern auf<lb/> eine Reihe von Jahren, etwa fünf; davon kommt auf ein Jahr so und so viel,<lb/> u»d nnr diese Menge kommt in deu Verkehr; so tritt ein Jahr gegen das<lb/> andre ins Gleichgewicht. Damit das Korn nicht durch Alter verderbe, darf<lb/> der Kaufmann von den Früchten der zukünftigen Ernte nicht eher etwas ab¬<lb/> geben, als bis der alte Vorrat untergebracht ist. Zu wirklichem Mangel kann es<lb/> bei diesen Maßregeln nicht kommen. Auch durch Einführung des Geldes wird<lb/> das Gleichgewicht uicht gestört. Diese Einführung will Fichte allerdings.<lb/> Aber es fragt sich, in welcher Art. Wir stehen hier vor dem für die Ein¬<lb/> führung des geschlossenen Handelsstaats entscheidenden Mittel. Ist der eigent¬<lb/> liche Vorschlag für die soziale Politik Fichtes der, den Hcmdelsstaat gegen das<lb/> Ausland zu schließen, so ist das entscheidende Mittel dazu, das Weltgeld abzu¬<lb/> schaffen und dafür ein Landesgeld einzuführen. Und gerade darauf läuft die<lb/> Ausführung der ganzen Fichtischen Theorie, die ganze Aufstellung der Grund-<lb/> Verhältnisse von Waren und Wert, von Produktion und Umsatz dnrch Gewerbe<lb/> und Handel hinaus, daß der absolute Wert des Metallgeldes als eine Fiktion<lb/> hingestellt und seine Abschaffung verlangt wird. Daß aber Geld auch im<lb/> Vernunftstaat eingeführt sei, ist notwendig. Das eigentliche Grundmaß alles</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1892 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0545]
I. G> Lichtes geschlossener ^andelsstaat
Frieden und Bündnisse zu schließen hat. Sie kann monarchisch sein, ohne es
sein zu müssen, aber ihrer ganzen Beschaffenheit nach, als das Haupt, von
dem alle Regelung und Ordnung ausgeht, muß sie aristokratisch sein, wenn
das auch Fichte uicht ausdrücklich sagt. Sie deckt sich ihrem Begriffe nach
nicht mit den Personen, die als „öffentliche Beamte" zu bezeichnen sind, aber
sie gehört zu ihnen. Wie viel solcher Beamten sein sollen, für welche Thütig-
keitszweige sie anzustellen sind, hat die Regierung ebenso zu berechnen, als sie
zu berechnen hat, wie jeder Bürger von Rechts wegen leben soll und darf.
Sie stellt alle Beamten an, die sich mit Handhabung der Gesetze und der
öffentlichen Ordnung beschäftigen, und bildet selbst deren Spitze; sie stellt andre
ein. die sich mit dem öffentlichen Unterricht beschäftigen, und wieder andre,
die sich in den Waffen üben und jederzeit fertig stehen zum Schutze der
Nation gegen innre und äußre Feinde. Für alle diese Beamten müssen die
übrigen Stände mit arbeiten. Hierin liegt der Grundbegriff der Abgabe.
Diese Abgaben erfolgen von Rechts wegen; denn die, die alle andern bei
ihrem Rechte schützen, dürfen uicht die sein, die etwa selber daran gekränkt
werden. Die Einstihrnng der Abgaben ist wohl ein Abbruch am Wohlstande
aller, aber keine Störung des Gleichgewichts; denn der Abbruch trifft alle
gleichmäßig. Eher könnte dieses Gleichgewicht gestört werden durch die Un¬
sicherheit des Feldbaus, der keinen gleichen Ertrag liefert. Auch die Fabri¬
kation wird durch Unregelmäßigkeit in der Produktengewinnung gestört. Da¬
gegen giebt es ein Mittel: man decke den Mißwachs des einen Jahres durch
die Fruchtbarkeit eines andern. Zu dem Zwecke muß man die für den Staat
notwendige Produkteugewiuuung uicht auf ein Jahr berechnen, sondern auf
eine Reihe von Jahren, etwa fünf; davon kommt auf ein Jahr so und so viel,
u»d nnr diese Menge kommt in deu Verkehr; so tritt ein Jahr gegen das
andre ins Gleichgewicht. Damit das Korn nicht durch Alter verderbe, darf
der Kaufmann von den Früchten der zukünftigen Ernte nicht eher etwas ab¬
geben, als bis der alte Vorrat untergebracht ist. Zu wirklichem Mangel kann es
bei diesen Maßregeln nicht kommen. Auch durch Einführung des Geldes wird
das Gleichgewicht uicht gestört. Diese Einführung will Fichte allerdings.
Aber es fragt sich, in welcher Art. Wir stehen hier vor dem für die Ein¬
führung des geschlossenen Handelsstaats entscheidenden Mittel. Ist der eigent¬
liche Vorschlag für die soziale Politik Fichtes der, den Hcmdelsstaat gegen das
Ausland zu schließen, so ist das entscheidende Mittel dazu, das Weltgeld abzu¬
schaffen und dafür ein Landesgeld einzuführen. Und gerade darauf läuft die
Ausführung der ganzen Fichtischen Theorie, die ganze Aufstellung der Grund-
Verhältnisse von Waren und Wert, von Produktion und Umsatz dnrch Gewerbe
und Handel hinaus, daß der absolute Wert des Metallgeldes als eine Fiktion
hingestellt und seine Abschaffung verlangt wird. Daß aber Geld auch im
Vernunftstaat eingeführt sei, ist notwendig. Das eigentliche Grundmaß alles
Grenzboten III 1892 68
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