Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Ribbecks Geschichte der römischen Dichtung trefflichen geselligen Liedern sind einige, in denen der Gedankengang gestört Vergil, Horaz und Ovid sind bis auf unsre Zeit herab die beliebtesten Unter der Herrschaft der Kaiser hat sich nur die satirische Dichtung in Grenzboten III 1892 66
Ribbecks Geschichte der römischen Dichtung trefflichen geselligen Liedern sind einige, in denen der Gedankengang gestört Vergil, Horaz und Ovid sind bis auf unsre Zeit herab die beliebtesten Unter der Herrschaft der Kaiser hat sich nur die satirische Dichtung in Grenzboten III 1892 66
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Ribbecks Geschichte der römischen Dichtung
trefflichen geselligen Liedern sind einige, in denen der Gedankengang gestört
und der reine Fluß der Empfindungen gehemmt und getrübt wird. Bewun-
dernswert ist der Dichter da, wo er den reichen Inhalt seiner Lebensan¬
schauung in wenige gesättigte Worte zusammendrängt; liebenswürdig, wenn
er sich als muntern Gesellschafter oder gemütlichen und anhänglichen Freund
zeigt. Diese goldne Ader des echt horazischen Geistes tritt weit mächtiger,
als in den lyrischen Gedichten, in jenen gehaltvollen, launigen Plaudereien
der Satiren hervor, denen der Dichter selbst den Rang eigentlich dichterischer
Schöpfungen bescheiden abspricht. Auch die geistvollen Episteln lassen uns
den Dichter lieb gewinnen. Aber ein Dichter von Gottes Gnaden ist Horaz
nicht. Auch Ribbeck nennt ihn nnr den „menschlichsten aller Römer" und
„den feinfühligster Geist im Kreise der augusteischen Dichtergenosfen, dem gleich¬
gestimmte Freunde und teilnehmende Leser nicht fehlen werden, so lange die
Nacht der Barbarei nicht alle edlere Bildung begraben hat" (II. Seite 175).
Vergil, Horaz und Ovid sind bis auf unsre Zeit herab die beliebtesten
und gelesensten Dichter geblieben. Auch von Ovid ist ein mächtiger Einfluß
ausgegangen: er ist der Dichter der bildenden Kunst geworden. Wie Dante
den Vergil zum Führer wählt, so haben die Maler der Renaissance bei Ovid
herrliche Anregung und brauchbare Stoffe und Vorlagen gefunden. Neben
dem innigen Tibull und dem heißblütigen Properz ist er der Meister der
römischen Liebeselegie, vollendet in Form und Inhalt, ein verschwenderisch
begabter Erbe der nunmehr ausgereiften Kunst. „Es ist ein Zeitraum von
sechzig Jahren, der von Julius Cäsars bis zu Ovids Tode verstrichen ist.
Was von dichterischer Kraft und Schönheitssinn der italischen Nation gegeben
war, gelangte während dieser Periode, von günstigen Umständen gepflegt und
getrieben, zu seiner höchsten Entwicklung. Die griechische Muse ist ganz hei¬
misch in Rom geworden, von ihrem Geist ist alles geschaffne getränkt und
führt doch ein selbständiges Leben. Das klangvolle Organ der Weltbeherr¬
scherin tönt über den Erdkreis; gedankenreiche Dichter sind von der welt¬
geschichtlichen Aufgabe ihrer Nation erfüllt und prägen einen unvergänglichen
Schatz echter Lebensweisheit aus. Während jener glücklichen Zeit bürger¬
lichen Friedens und Behagens, als politische Leidenschaft und Zwietracht
schlief, erblühte auch die Anmut urbaner und geistreicher Unterhaltung in
künstlerischer Form, der Sinn für gemütvolles Kleinleben und dessen Dar¬
stellung, der Zauber des geselligen wie des feierlichen Liedes in bisher noch
uicht vernommnen Weisen, und Amor feierte seine Triumphe. Leider ver¬
drängte derselbe ernstere Richtungen, als die Frivolität des großstädtischen
Lebens die unbeschäftigte, daher genußsüchtige Jugend vergiftete, sodaß ein
hoffnungsvoller Nachwuchs eigenartig schöpferischer Dichter in Rom fehlte, als
Ovid die Angen schloß." (II. S. 369f.)
Unter der Herrschaft der Kaiser hat sich nur die satirische Dichtung in
Grenzboten III 1892 66
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