Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Zur Unfallversicherung der Arbeiter fünften noch von achtzig Prozent. Alles in allem haben für 1890 nahezu Aber nicht uur, daß für die alljährlich uach Tausenden zählenden Opfer Zur Unfallversicherung der Arbeiter fünften noch von achtzig Prozent. Alles in allem haben für 1890 nahezu Aber nicht uur, daß für die alljährlich uach Tausenden zählenden Opfer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212966"/> <fw type="header" place="top"> Zur Unfallversicherung der Arbeiter</fw><lb/> <p xml:id="ID_1642" prev="#ID_1641"> fünften noch von achtzig Prozent. Alles in allem haben für 1890 nahezu<lb/> neununddreißig Millionen Mark von Beteiligten für Zwecke der Unfallversicherung<lb/> aufgebracht werden müssen. Das sind gewaltige Lasten, die da den Arbeitgebern<lb/> zum Wohle der Allgemeinheit auferlegt worden find, wenigstens wenn man sie<lb/> für sich betrachtet, und wenn man im Auge behält, daß sie für Industrie und<lb/> Landwirtschaft eine neue bis dahin unbekannte Art von Steuern bedeuten.<lb/> Und doch haben sich die Ausgaben in bescheidnen Grenzen gehalten, wenn<lb/> man sie mit dem gezählten Arbeitslohn vergleicht. Ein Tuchfabrikant z. B. hat<lb/> im Jahre 1891 auf je tausend Mark Arbeitslohn, der in seiner Fabrik aus¬<lb/> gezahlt wurde, nur einen Beitrag von sechs Mark zur Unfallversicherung bei¬<lb/> zusteuern gehabt; das ergiebt sür zehn Mark Wochenlohn sechs Pfennige, einen<lb/> Zuschlag, bei dem Wohl die Befürchtung nicht aufkommen kann, daß unsre<lb/> Industrie durch die Kosten der Unfallversicherung an Konkurrenzfähigkeit mit<lb/> dem Auslande verlieren konnte. Die Ausgaben sind gering, wenn man sie<lb/> mit der Zahl der versicherten Arbeiter und den an sie gezählten Arbeitslöhnen<lb/> vergleicht, noch weniger fallen sie ins Gewicht gegenüber den in Industrie<lb/> und Landwirtschaft hervorgebrachten Werten, sie sind auch gering in Anbetracht<lb/> des Segens, den sie verbreitet, der Unmasse von Sorge und Elend, die sie<lb/> aus der Welt geschafft haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1643" next="#ID_1644"> Aber nicht uur, daß für die alljährlich uach Tausenden zählenden Opfer<lb/> der Industrie, die ihre gefahrbringende Beschäftigung an den Maschinen mit<lb/> dem Leben, mit gebrochnen Gliedmaßen oder mit einer zerstörten Gesundheit<lb/> bezahlen müssen, materiell Fürsorge getroffen worden ist, dnß an Witwen<lb/> und Waisen Getöteter, an Krüppel, Lahme und sieche alljährlich viele Mil¬<lb/> lionen Mark gezahlt werden, die Unfallversicherungsgesetzgebung hat auch für<lb/> die ärmsten Bevölkernngsklassen, die, wenn nicht gerade der Tod vor der<lb/> Thüre stand, uur selten ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen, eine zweite Wohl¬<lb/> that gebracht: eine geordnete Behandlung und Pflege in Krankheitsfällen. Die<lb/> Ärzte haben dadurch, daß sie den Berufsgenossenschaften billigere Preise stellen,<lb/> keinen Ausfall in ihren Einnahmen zu verzeichnen gehabt, sie haben durch sie<lb/> zum großen Teil eine ganz neue Klasse von Patienten zugeführt erhalten, die<lb/> der Unfallverletzten. Diese schleppten sich früher oft ihr Leben lang mit Gebrechen<lb/> herum, die bei geeigneter Behandlung vollständig gehoben oder doch wesent¬<lb/> lich gemildert worden wären. Sie selbst verfügten eben nicht über die Mittel<lb/> und waren auch zu gleichgiltig, sich eiuer langwierigen und meist anch Willens¬<lb/> kraft und Ausdauer erfordernden Kur zu unterwerfen. Und bei den sonst<lb/> uoch beteiligten, den Fabrikbesitzern, in deren Betrieb sich der Unfall ereignet<lb/> hatte, und den Gemeinden, die die Erwerbsunfähigen zu unterstützen ver¬<lb/> pflichtet waren, reichte das Interesse für die Verletzten nicht über das zunächst<lb/> gelegne hinaus. Die Fabrikbesitzer waren froh, wenn sie die verletzten Ar¬<lb/> beiter durch eine kleine Barzahlung abgefunden hatten, die Gemeinden aber be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
Zur Unfallversicherung der Arbeiter
fünften noch von achtzig Prozent. Alles in allem haben für 1890 nahezu
neununddreißig Millionen Mark von Beteiligten für Zwecke der Unfallversicherung
aufgebracht werden müssen. Das sind gewaltige Lasten, die da den Arbeitgebern
zum Wohle der Allgemeinheit auferlegt worden find, wenigstens wenn man sie
für sich betrachtet, und wenn man im Auge behält, daß sie für Industrie und
Landwirtschaft eine neue bis dahin unbekannte Art von Steuern bedeuten.
Und doch haben sich die Ausgaben in bescheidnen Grenzen gehalten, wenn
man sie mit dem gezählten Arbeitslohn vergleicht. Ein Tuchfabrikant z. B. hat
im Jahre 1891 auf je tausend Mark Arbeitslohn, der in seiner Fabrik aus¬
gezahlt wurde, nur einen Beitrag von sechs Mark zur Unfallversicherung bei¬
zusteuern gehabt; das ergiebt sür zehn Mark Wochenlohn sechs Pfennige, einen
Zuschlag, bei dem Wohl die Befürchtung nicht aufkommen kann, daß unsre
Industrie durch die Kosten der Unfallversicherung an Konkurrenzfähigkeit mit
dem Auslande verlieren konnte. Die Ausgaben sind gering, wenn man sie
mit der Zahl der versicherten Arbeiter und den an sie gezählten Arbeitslöhnen
vergleicht, noch weniger fallen sie ins Gewicht gegenüber den in Industrie
und Landwirtschaft hervorgebrachten Werten, sie sind auch gering in Anbetracht
des Segens, den sie verbreitet, der Unmasse von Sorge und Elend, die sie
aus der Welt geschafft haben.
Aber nicht uur, daß für die alljährlich uach Tausenden zählenden Opfer
der Industrie, die ihre gefahrbringende Beschäftigung an den Maschinen mit
dem Leben, mit gebrochnen Gliedmaßen oder mit einer zerstörten Gesundheit
bezahlen müssen, materiell Fürsorge getroffen worden ist, dnß an Witwen
und Waisen Getöteter, an Krüppel, Lahme und sieche alljährlich viele Mil¬
lionen Mark gezahlt werden, die Unfallversicherungsgesetzgebung hat auch für
die ärmsten Bevölkernngsklassen, die, wenn nicht gerade der Tod vor der
Thüre stand, uur selten ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen, eine zweite Wohl¬
that gebracht: eine geordnete Behandlung und Pflege in Krankheitsfällen. Die
Ärzte haben dadurch, daß sie den Berufsgenossenschaften billigere Preise stellen,
keinen Ausfall in ihren Einnahmen zu verzeichnen gehabt, sie haben durch sie
zum großen Teil eine ganz neue Klasse von Patienten zugeführt erhalten, die
der Unfallverletzten. Diese schleppten sich früher oft ihr Leben lang mit Gebrechen
herum, die bei geeigneter Behandlung vollständig gehoben oder doch wesent¬
lich gemildert worden wären. Sie selbst verfügten eben nicht über die Mittel
und waren auch zu gleichgiltig, sich eiuer langwierigen und meist anch Willens¬
kraft und Ausdauer erfordernden Kur zu unterwerfen. Und bei den sonst
uoch beteiligten, den Fabrikbesitzern, in deren Betrieb sich der Unfall ereignet
hatte, und den Gemeinden, die die Erwerbsunfähigen zu unterstützen ver¬
pflichtet waren, reichte das Interesse für die Verletzten nicht über das zunächst
gelegne hinaus. Die Fabrikbesitzer waren froh, wenn sie die verletzten Ar¬
beiter durch eine kleine Barzahlung abgefunden hatten, die Gemeinden aber be-
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