Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Auf der Rundfahrt einem freundlichen Grüß Gott! erwidert habe. Aber die Blicke, die dort der Diese Stimmung der Arbeitermassen allein schon könnte meines Erachtens Ausstellungen in kleinern Kreisen, die mit einem viel geringern Risiko Grenzboten III 1892 53
Auf der Rundfahrt einem freundlichen Grüß Gott! erwidert habe. Aber die Blicke, die dort der Diese Stimmung der Arbeitermassen allein schon könnte meines Erachtens Ausstellungen in kleinern Kreisen, die mit einem viel geringern Risiko Grenzboten III 1892 53
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212901"/> <fw type="header" place="top"> Auf der Rundfahrt</fw><lb/> <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> einem freundlichen Grüß Gott! erwidert habe. Aber die Blicke, die dort der<lb/> Uniform und dem vermeintlichen Müßiggänger aus nächster Nähe zugeworfen<lb/> wurden, konnten auch von dem Kurzsichtigsten nicht übersehn und unmöglich<lb/> mißverstanden werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408"> Diese Stimmung der Arbeitermassen allein schon könnte meines Erachtens<lb/> als hinreichender Grund gegen die vou deu Berliner Gastwirten und links¬<lb/> liberalen Politikern so warn: empfohlene Weltausstellung angeführt werden.<lb/> Der Glanz und die Pracht eines solchen Weltjnhrmarkts zusammen mit dem<lb/> Schauspiele verschwenderischer Üppigkeit, das die zusammenströmenden reichen<lb/> Fremden geben, könnte bei der einmal vorhandnen Weltansicht und Stimmung<lb/> der ebenfalls zusammenströmenden Arbeiter nicht anders als erbitternd auf sie<lb/> wirken. Die Gefahr, daß das Unternehmen zustande kommen könnte, ist ja<lb/> bei der Mattigkeit und teilweise deutlich hervortretenden Abneigung der Fabri¬<lb/> kanten nicht groß. Diese Fabrikantenstimmung müssen auch die als ein uu-<lb/> widerlegliches Zeugnis für die Elendigkeit der Lage ansetzn, die vor dem<lb/> Arbeiterelend grundsätzlich Augen und Ohren verschließen; denn bewegte sich<lb/> unsre Industrie in aufsteigender Linie, dann würden alle Unternehmer dem<lb/> Plane zugejubelt haben, ohne erst lange das Für und Wider zu erwägen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1409" next="#ID_1410"> Ausstellungen in kleinern Kreisen, die mit einem viel geringern Risiko<lb/> verbunden sind, kommen auch heute noch verhältnismäßig leicht zu stände,<lb/> ^chweidnitz, eine in gesegneter Gegend liegende Stadt von 25 000 Ein¬<lb/> wohnern, hat diesen Sommer eine veranstaltet, und sie ist recht nett aus-<lb/> gefallen. Die in einem schattigen Park geschmackvoll und zweckmüßig an¬<lb/> geordneten Gegenstände geben ein kleines, aber ziemlich vollständiges Bild<lb/> der großartigen gewerblichen Technik unsrer Zeit. Bei ihrer Beschauung ist<lb/> w>r namentlich zweierlei im Kopfe herumgegangen. Erstens: wie rasend schnell<lb/> ^'ehe Spinn-, Weh- und sonstigen Maschinen arbeiten, und wie bald wir uns<lb/> vor die Frage gestellt sehn werden, ob wir — nicht den achtstündigen, nein,<lb/> sechs-, den vierstündigen Arbeitstag einführen oder die überzähligen Ar¬<lb/> beiter totschlagen wollen. Sodann: wie traurig der Gegensatz ist zwischen den<lb/> Erzeugnissen der Industrie und ihren Erzeugern. Wie reinlich und appetit-<lb/> lch, wie schmuck und schön liegen doch alle diese Sachen da! Wie freilndlich<lb/> glänzen und blinken die Metallwaren und Maschinen, mit wie herrlichen Farben<lb/> und Zeichnungen prangen die Kleiderstoffe, wie mollig und wohlig wird einem<lb/> beim Anblick der mit weichen Teppichen belegten Speise-, Prunk- und Schlaf-<lb/> Muner, wie locken die Likörflaschen, mit wie stolzen, freudigen Gedanken schwellt<lb/> der prächtig aufgezäumte Rappe das Herz des Beschauers, und wie ästhetisch<lb/> nehmen sich sognr die Proben unsrer schwarzen Diamanten in saubern blin¬<lb/> kenden Gläsern ans. Und jede Abteilung hat ihren eignen, höchst charnkte-<lb/> nstischen, aber durchaus angenehmen Geruch: Eisen, Leder, Papier, Leinen<lb/> verraten sich sofort beim Eintritt in die Abteilung der Nase und erhöhen da-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1892 53</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0425]
Auf der Rundfahrt
einem freundlichen Grüß Gott! erwidert habe. Aber die Blicke, die dort der
Uniform und dem vermeintlichen Müßiggänger aus nächster Nähe zugeworfen
wurden, konnten auch von dem Kurzsichtigsten nicht übersehn und unmöglich
mißverstanden werden.
Diese Stimmung der Arbeitermassen allein schon könnte meines Erachtens
als hinreichender Grund gegen die vou deu Berliner Gastwirten und links¬
liberalen Politikern so warn: empfohlene Weltausstellung angeführt werden.
Der Glanz und die Pracht eines solchen Weltjnhrmarkts zusammen mit dem
Schauspiele verschwenderischer Üppigkeit, das die zusammenströmenden reichen
Fremden geben, könnte bei der einmal vorhandnen Weltansicht und Stimmung
der ebenfalls zusammenströmenden Arbeiter nicht anders als erbitternd auf sie
wirken. Die Gefahr, daß das Unternehmen zustande kommen könnte, ist ja
bei der Mattigkeit und teilweise deutlich hervortretenden Abneigung der Fabri¬
kanten nicht groß. Diese Fabrikantenstimmung müssen auch die als ein uu-
widerlegliches Zeugnis für die Elendigkeit der Lage ansetzn, die vor dem
Arbeiterelend grundsätzlich Augen und Ohren verschließen; denn bewegte sich
unsre Industrie in aufsteigender Linie, dann würden alle Unternehmer dem
Plane zugejubelt haben, ohne erst lange das Für und Wider zu erwägen.
Ausstellungen in kleinern Kreisen, die mit einem viel geringern Risiko
verbunden sind, kommen auch heute noch verhältnismäßig leicht zu stände,
^chweidnitz, eine in gesegneter Gegend liegende Stadt von 25 000 Ein¬
wohnern, hat diesen Sommer eine veranstaltet, und sie ist recht nett aus-
gefallen. Die in einem schattigen Park geschmackvoll und zweckmüßig an¬
geordneten Gegenstände geben ein kleines, aber ziemlich vollständiges Bild
der großartigen gewerblichen Technik unsrer Zeit. Bei ihrer Beschauung ist
w>r namentlich zweierlei im Kopfe herumgegangen. Erstens: wie rasend schnell
^'ehe Spinn-, Weh- und sonstigen Maschinen arbeiten, und wie bald wir uns
vor die Frage gestellt sehn werden, ob wir — nicht den achtstündigen, nein,
sechs-, den vierstündigen Arbeitstag einführen oder die überzähligen Ar¬
beiter totschlagen wollen. Sodann: wie traurig der Gegensatz ist zwischen den
Erzeugnissen der Industrie und ihren Erzeugern. Wie reinlich und appetit-
lch, wie schmuck und schön liegen doch alle diese Sachen da! Wie freilndlich
glänzen und blinken die Metallwaren und Maschinen, mit wie herrlichen Farben
und Zeichnungen prangen die Kleiderstoffe, wie mollig und wohlig wird einem
beim Anblick der mit weichen Teppichen belegten Speise-, Prunk- und Schlaf-
Muner, wie locken die Likörflaschen, mit wie stolzen, freudigen Gedanken schwellt
der prächtig aufgezäumte Rappe das Herz des Beschauers, und wie ästhetisch
nehmen sich sognr die Proben unsrer schwarzen Diamanten in saubern blin¬
kenden Gläsern ans. Und jede Abteilung hat ihren eignen, höchst charnkte-
nstischen, aber durchaus angenehmen Geruch: Eisen, Leder, Papier, Leinen
verraten sich sofort beim Eintritt in die Abteilung der Nase und erhöhen da-
Grenzboten III 1892 53
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |