Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Weltgeschichte in Hinterwinkel preußisch werden, wie vor drei, vier und sechs Wochen; aber sie sagten es Ich verdiente mir bei Gelegenheit gern ein kleines Taschengeld und ver¬ Der Füllentvni wollte vier bis fünf Wagen Spelz an diesem Tage ein¬ Ich glaubte aber mein Geschäft in aller Behaglichkeit verrichten zu können. Weltgeschichte in Hinterwinkel preußisch werden, wie vor drei, vier und sechs Wochen; aber sie sagten es Ich verdiente mir bei Gelegenheit gern ein kleines Taschengeld und ver¬ Der Füllentvni wollte vier bis fünf Wagen Spelz an diesem Tage ein¬ Ich glaubte aber mein Geschäft in aller Behaglichkeit verrichten zu können. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212852"/> <fw type="header" place="top"> Weltgeschichte in Hinterwinkel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1253" prev="#ID_1252"> preußisch werden, wie vor drei, vier und sechs Wochen; aber sie sagten es<lb/> nicht mehr so oft. Sie lebten wegen dieser Sache zwar in der größten Un¬<lb/> gewißheit, die sie sehr ängstigte, trotz ihrer unerschütterlichen Hoffnung auf<lb/> Napoleons Einschreiten, dem mau als Preis dafür „das Strumpfbüudellüudle<lb/> da trübe," nämlich das Großherzvgtum Baden, gern gegönnt hätte; die Ernte<lb/> aber konnte man deshalb, mochte es gehen wie es wollte, doch nicht im<lb/> Stich lassen. Man war ohnehin spät dazu gekommen. Auch trat ungünstige<lb/> Witterung ein, sodaß man die dazwischenfallendcn sonnigen Tage um so fleißiger<lb/> ausnutzen mußte. Da gab es keinen Arm in Hinterwinkel, der nicht in An¬<lb/> spruch genommen worden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Ich verdiente mir bei Gelegenheit gern ein kleines Taschengeld und ver¬<lb/> schmähte bezahlte Dienstleistungen nicht, nur mußten sie nach meinem Ge¬<lb/> schmack sein. Die eigentliche Bauernarbeit gehörte dazu nicht. Sie wurde<lb/> mir auch selten angetragen, man kannte mich schon. Aber an einem dieser<lb/> Erntetage, da es besonders heiß zuging, schickte doch ein Bauer meinetwegen<lb/> zu uns, der Fnllentoni, so genannt, weil er allem im Dorf Pferde züchtete.<lb/> Man wollte Dinkel heimfahren, und ich sollte beim Garbenbinden die Stroh-<lb/> bünder legen, eine Thätigkeit, die man sonst Kindern übertrug, wenn sie zur<lb/> Hand waren. Ich wurde also als ein Kind betrachtet, trotz meines neu-<lb/> gebacknen Ruhms. Ich sollte das Essen dafür haben und vier Kreuzer Tage¬<lb/> lohn, einen Batzen, wie man sagte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255"> Der Füllentvni wollte vier bis fünf Wagen Spelz an diesem Tage ein¬<lb/> heimsen und brachte außer Knecht und Magd und mir noch drei Tagelöhne¬<lb/> rinnen mit zur Arbeit auf das Hvheuloch oder Hoheuloh, eine weite, nicht<lb/> ganz ebne Hochfläche zwischen dein Kahlen Buckel und dem Waldwinkel der so¬<lb/> genannten Heiligenäcker. Alles mußte sich tüchtig rühren und flink und fleißig<lb/> zugreifen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1256"> Ich glaubte aber mein Geschäft in aller Behaglichkeit verrichten zu können.<lb/> Gemütlich schleppte ich meinen Strohbnnd hinter nur her, zog Band für Band<lb/> heraus und breitete es über den Stoppelboden, eins ans andre. Zwei Mädchen<lb/> rafften mit ihren Sicheln das aufgereihte Getreide zusammen und häuften es,<lb/> je drei Arme voll, über die vorgelegten Bänder. Der Bauer kam dahinter<lb/> her und band. Er nahm die Enden der Strohseile, vorher angefeuchtet, vom<lb/> Boden, drehte zuerst das eine, klemmte es zwischen die Kniee, drehte das andre,<lb/> zog sie übers Kreuz an, indem er das Getreide mit dem Knie fest drückte,<lb/> wickelte die beiden Enden um sich selbst und klemmte sie mit seinem hölzernen<lb/> „Vinnagel" in geschickter Drehung und einem raschen Stoß unter das an¬<lb/> gezogne Seil. So band er Garbe um Garbe, so schnell die Mägde zusammen<lb/> rafften. Dasselbe geschah in einiger Entfernung, wo andre Mägde zutrugen,<lb/> der Knecht den Binder machte und der neunjährige Sohn des Füllentoni die<lb/> Strohseile legte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Weltgeschichte in Hinterwinkel
preußisch werden, wie vor drei, vier und sechs Wochen; aber sie sagten es
nicht mehr so oft. Sie lebten wegen dieser Sache zwar in der größten Un¬
gewißheit, die sie sehr ängstigte, trotz ihrer unerschütterlichen Hoffnung auf
Napoleons Einschreiten, dem mau als Preis dafür „das Strumpfbüudellüudle
da trübe," nämlich das Großherzvgtum Baden, gern gegönnt hätte; die Ernte
aber konnte man deshalb, mochte es gehen wie es wollte, doch nicht im
Stich lassen. Man war ohnehin spät dazu gekommen. Auch trat ungünstige
Witterung ein, sodaß man die dazwischenfallendcn sonnigen Tage um so fleißiger
ausnutzen mußte. Da gab es keinen Arm in Hinterwinkel, der nicht in An¬
spruch genommen worden wäre.
Ich verdiente mir bei Gelegenheit gern ein kleines Taschengeld und ver¬
schmähte bezahlte Dienstleistungen nicht, nur mußten sie nach meinem Ge¬
schmack sein. Die eigentliche Bauernarbeit gehörte dazu nicht. Sie wurde
mir auch selten angetragen, man kannte mich schon. Aber an einem dieser
Erntetage, da es besonders heiß zuging, schickte doch ein Bauer meinetwegen
zu uns, der Fnllentoni, so genannt, weil er allem im Dorf Pferde züchtete.
Man wollte Dinkel heimfahren, und ich sollte beim Garbenbinden die Stroh-
bünder legen, eine Thätigkeit, die man sonst Kindern übertrug, wenn sie zur
Hand waren. Ich wurde also als ein Kind betrachtet, trotz meines neu-
gebacknen Ruhms. Ich sollte das Essen dafür haben und vier Kreuzer Tage¬
lohn, einen Batzen, wie man sagte.
Der Füllentvni wollte vier bis fünf Wagen Spelz an diesem Tage ein¬
heimsen und brachte außer Knecht und Magd und mir noch drei Tagelöhne¬
rinnen mit zur Arbeit auf das Hvheuloch oder Hoheuloh, eine weite, nicht
ganz ebne Hochfläche zwischen dein Kahlen Buckel und dem Waldwinkel der so¬
genannten Heiligenäcker. Alles mußte sich tüchtig rühren und flink und fleißig
zugreifen.
Ich glaubte aber mein Geschäft in aller Behaglichkeit verrichten zu können.
Gemütlich schleppte ich meinen Strohbnnd hinter nur her, zog Band für Band
heraus und breitete es über den Stoppelboden, eins ans andre. Zwei Mädchen
rafften mit ihren Sicheln das aufgereihte Getreide zusammen und häuften es,
je drei Arme voll, über die vorgelegten Bänder. Der Bauer kam dahinter
her und band. Er nahm die Enden der Strohseile, vorher angefeuchtet, vom
Boden, drehte zuerst das eine, klemmte es zwischen die Kniee, drehte das andre,
zog sie übers Kreuz an, indem er das Getreide mit dem Knie fest drückte,
wickelte die beiden Enden um sich selbst und klemmte sie mit seinem hölzernen
„Vinnagel" in geschickter Drehung und einem raschen Stoß unter das an¬
gezogne Seil. So band er Garbe um Garbe, so schnell die Mägde zusammen
rafften. Dasselbe geschah in einiger Entfernung, wo andre Mägde zutrugen,
der Knecht den Binder machte und der neunjährige Sohn des Füllentoni die
Strohseile legte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |