Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Antwort auf die Lciprivischen Erlasse werden kann, wo sind diese Erfolge? Die erste That des neuen Regiments Doch der schwerste Fehler der Caprivischeu Politik ist der unglückselige Die Antwort auf die Lciprivischen Erlasse werden kann, wo sind diese Erfolge? Die erste That des neuen Regiments Doch der schwerste Fehler der Caprivischeu Politik ist der unglückselige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212812"/> <fw type="header" place="top"> Die Antwort auf die Lciprivischen Erlasse</fw><lb/> <p xml:id="ID_1130" prev="#ID_1129"> werden kann, wo sind diese Erfolge? Die erste That des neuen Regiments<lb/> war das trnnrige deutsch-englische Abkommen über Ostafrika. Für die Er¬<lb/> werbung der schwindenden Felstrümmer von Helgoland und um das Kabinett<lb/> Salisbury ein paar Jahre länger am Ruder zu erhalten, das nächstens wahr¬<lb/> scheinlich doch fällt, gaben wir die Vorherrschaft in Ostafrika preis, die Bis-<lb/> marck zu begründen im Begriffe stand. Seitdem hat unsre Kolonialpolitik<lb/> dort eine Reihe von Niederlagen, sogar von militärischen, zu verzeichnen ge¬<lb/> habt, die keineswegs dadurch ausgeglichen worden sind, daß die neue Weisheit,<lb/> entgegen allen Erfahrungen unter wilden Völkern, sie für bedeutungslos er¬<lb/> klärt hat. Der Erfolg der mitteleuropäischen Handelsverträge ist mindestens<lb/> zweifelhaft, das lange verhinderte Einvernehmen zwischen Rußland und Frank¬<lb/> reich dagegen ist Thatsache, und damit ist die Jsolirung Frankreichs, die Vis-<lb/> marck fast zwanzig Jahre hindurch meisterhaft aufrecht zu erhalten verstanden<lb/> hat, aufgehoben. Und eben haben wir uns in der Weltausstellungsfrage, die<lb/> mit so bemerkenswerten Mangel an Klarheit und Entschlossenheit betrieben<lb/> wurde, eine schwere diplomatische Niederlage gegenüber demselben Frankreich<lb/> geholt, und Graf Caprivi wußte keinen „kalten Wasserstrahl" nach Paris zu<lb/> senden. Über das Volksschulgesetz kann man verschieden denken; aber in jedem<lb/> Falle war entweder seine Einbringung oder seine Zurückziehung ein schwerer<lb/> Fehler. Wenn Regieren Voraussehen heißt und die Politik nach Fürst Bis-<lb/> marck die Fähigkeit ist, in jedem Augenblick das am wenigsten Schädliche oder<lb/> das Zweckmäßigste zu wählen, so haben die Leiter des „neuen Kurses" von<lb/> diesen beiden Dingen herzlich wenig bewährt und mit dem unschätzbaren Pfunde<lb/> des festen Vertrauens, das der Reichsregierung bis zu Bismarcks Entlassung<lb/> entgegengebracht wurde, schlecht gewirtschaftet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1131" next="#ID_1132"> Doch der schwerste Fehler der Caprivischeu Politik ist der unglückselige<lb/> und vollkommen gescheiterte Versuch, den größten Staatsmann Deutschlands<lb/> und der Welt politisch gewissermaßen zu ächten! Hat denn Graf Caprivi<lb/> gar nichts von der ungeheuern Macht geahnt, die Gott sei Dank noch immer<lb/> die Erinnerung an das nunmehr leider unwiederbringlich abgeschlossen hinter<lb/> uns liegende glorreiche Vierteljahrhundert Wilhelms des Ersten und Bismarcks<lb/> auf die gebildeten Deutschen ausübt und nicht zum mindesten auf die gebildete<lb/> Jugend, die auferzogen worden ist und, so Gott will, auch fernerhin auf¬<lb/> erzogen werden wird in der Verehrung für die Heroen dieser unvergleichlichen<lb/> Zeit? Hat er so wenig von der wuchtigen, alle Lebenden weit überragenden<lb/> Persönlichkeit Fürst Bismarcks gewußt, daß er meinte, der streitbare Recke<lb/> werde die tiefverletzende Herausforderung, die für die schlichteste Empfindung<lb/> in dem Eingriff in seine einfachsten staatsbürgerlichen Rechte und seine per¬<lb/> sönlichsten Verhältnisse lag, ruhig hinnehmen und schweigen? Was er seit¬<lb/> dem gesprochen hat, verrät in der erstaunlichen Fülle großer Gedanken, leben¬<lb/> diger Bilder, treffender Wendungen und in der furchtlosen Offenheit, mit der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
Die Antwort auf die Lciprivischen Erlasse
werden kann, wo sind diese Erfolge? Die erste That des neuen Regiments
war das trnnrige deutsch-englische Abkommen über Ostafrika. Für die Er¬
werbung der schwindenden Felstrümmer von Helgoland und um das Kabinett
Salisbury ein paar Jahre länger am Ruder zu erhalten, das nächstens wahr¬
scheinlich doch fällt, gaben wir die Vorherrschaft in Ostafrika preis, die Bis-
marck zu begründen im Begriffe stand. Seitdem hat unsre Kolonialpolitik
dort eine Reihe von Niederlagen, sogar von militärischen, zu verzeichnen ge¬
habt, die keineswegs dadurch ausgeglichen worden sind, daß die neue Weisheit,
entgegen allen Erfahrungen unter wilden Völkern, sie für bedeutungslos er¬
klärt hat. Der Erfolg der mitteleuropäischen Handelsverträge ist mindestens
zweifelhaft, das lange verhinderte Einvernehmen zwischen Rußland und Frank¬
reich dagegen ist Thatsache, und damit ist die Jsolirung Frankreichs, die Vis-
marck fast zwanzig Jahre hindurch meisterhaft aufrecht zu erhalten verstanden
hat, aufgehoben. Und eben haben wir uns in der Weltausstellungsfrage, die
mit so bemerkenswerten Mangel an Klarheit und Entschlossenheit betrieben
wurde, eine schwere diplomatische Niederlage gegenüber demselben Frankreich
geholt, und Graf Caprivi wußte keinen „kalten Wasserstrahl" nach Paris zu
senden. Über das Volksschulgesetz kann man verschieden denken; aber in jedem
Falle war entweder seine Einbringung oder seine Zurückziehung ein schwerer
Fehler. Wenn Regieren Voraussehen heißt und die Politik nach Fürst Bis-
marck die Fähigkeit ist, in jedem Augenblick das am wenigsten Schädliche oder
das Zweckmäßigste zu wählen, so haben die Leiter des „neuen Kurses" von
diesen beiden Dingen herzlich wenig bewährt und mit dem unschätzbaren Pfunde
des festen Vertrauens, das der Reichsregierung bis zu Bismarcks Entlassung
entgegengebracht wurde, schlecht gewirtschaftet.
Doch der schwerste Fehler der Caprivischeu Politik ist der unglückselige
und vollkommen gescheiterte Versuch, den größten Staatsmann Deutschlands
und der Welt politisch gewissermaßen zu ächten! Hat denn Graf Caprivi
gar nichts von der ungeheuern Macht geahnt, die Gott sei Dank noch immer
die Erinnerung an das nunmehr leider unwiederbringlich abgeschlossen hinter
uns liegende glorreiche Vierteljahrhundert Wilhelms des Ersten und Bismarcks
auf die gebildeten Deutschen ausübt und nicht zum mindesten auf die gebildete
Jugend, die auferzogen worden ist und, so Gott will, auch fernerhin auf¬
erzogen werden wird in der Verehrung für die Heroen dieser unvergleichlichen
Zeit? Hat er so wenig von der wuchtigen, alle Lebenden weit überragenden
Persönlichkeit Fürst Bismarcks gewußt, daß er meinte, der streitbare Recke
werde die tiefverletzende Herausforderung, die für die schlichteste Empfindung
in dem Eingriff in seine einfachsten staatsbürgerlichen Rechte und seine per¬
sönlichsten Verhältnisse lag, ruhig hinnehmen und schweigen? Was er seit¬
dem gesprochen hat, verrät in der erstaunlichen Fülle großer Gedanken, leben¬
diger Bilder, treffender Wendungen und in der furchtlosen Offenheit, mit der
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