Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Meine erste Gesellschaft ich finde, es ist eben doch der einzige elegante Schnitt! -- Aber der Preis Ich merkte, wie es Frau Lorentz blau und grün vor den Augen Sie haben wohl ein neues Mädchen? -- Ach ja, diese Not werden Sie Da schlug unsre Kuckucksuhr elfmal. Es entstand eine Pause; die Frau Gute Nacht, gnädige Frau! Danke gehorsamst! -- Recht gute Nacht! Christine! helfen Sie! rief ich und fah gerade noch, wie sie den abweh¬ Ich ließ mich auf einen Sessel im Eßzimmer nieder. Das Weinen war Mein Mann zog mich neben sich. -- Glaub mir, sagte er, es war nicht Meine erste Gesellschaft ich finde, es ist eben doch der einzige elegante Schnitt! — Aber der Preis Ich merkte, wie es Frau Lorentz blau und grün vor den Augen Sie haben wohl ein neues Mädchen? — Ach ja, diese Not werden Sie Da schlug unsre Kuckucksuhr elfmal. Es entstand eine Pause; die Frau Gute Nacht, gnädige Frau! Danke gehorsamst! — Recht gute Nacht! Christine! helfen Sie! rief ich und fah gerade noch, wie sie den abweh¬ Ich ließ mich auf einen Sessel im Eßzimmer nieder. Das Weinen war Mein Mann zog mich neben sich. — Glaub mir, sagte er, es war nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212810"/> <fw type="header" place="top"> Meine erste Gesellschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_1119" prev="#ID_1118"> ich finde, es ist eben doch der einzige elegante Schnitt! — Aber der Preis<lb/> ist wohl auch darnach! — Nun, ich zahle für ein fertiges Straßenkostüm<lb/> hundertundfunfzig Mark. — Das finde ich gar nicht einmal viel; mein letztes<lb/> Hauskleid kam beinahe ebenso teuer. — Ach, ich ginge am liebsten immer<lb/> in Seide, es ist so angenehm, und man sieht immer elegant aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1120"> Ich merkte, wie es Frau Lorentz blau und grün vor den Augen<lb/> wurde. Doch alle Versuche, andre Themata anzuschlagen, mißlangen. Zum<lb/> Glück kam Christine gerade mit neuem Bier herein. Die erste Dame, der sie<lb/> es anbot, merkte es nicht sofort. Christine, meiner Mahnung eingedenk, be¬<lb/> sann sich nicht lange, sondern stieß sanft mit dem Brett an ihre Schulter:<lb/> He - Sie — — Und als die jungen Mädchen das Lachen nicht verbeißen<lb/> konnten, stimmte sie fröhlich mit ein, daß alle Glaser überschwabbelten. Ich<lb/> nahm ihr das Brett ab und winkte ihr, hinauszugehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121"> Sie haben wohl ein neues Mädchen? — Ach ja, diese Not werden Sie<lb/> nun auch kennen lernen! — Denken Sie, nieine letzte hat — und nun folgte<lb/> eine lange Diebesgeschichte. — Am schwierigsten ist es aber doch mit den<lb/> Kindermädchen! — Was macht denn ihr Kleines, Frau Doktor? Kann es<lb/> denn schon sitzen? — O längst! erwiderte glückstrahlend die Gefragte, gestern<lb/> hat es sogar, glaube ich, Ma—ma gesagt! — Ach wie süß! riefen mehrere<lb/> Damen zugleich. Wreizend! fügte Frau Erich hinzu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Da schlug unsre Kuckucksuhr elfmal. Es entstand eine Pause; die Frau<lb/> Geheimrat zog ihre Handschuhe heraus. Fast atmete ich auf; aber meine<lb/> Lippen sagten: Schon? es ist ja noch so früh. — O nein. Ihre Uhr mahnte<lb/> uns eben, daß es schon längst Zeit zum Aufbruch ist! Aber über dem reizenden<lb/> Abend hatte ich es wirklich ganz vergessen! — Mit liebenswürdigem Lächeln<lb/> erhoben sich nun auch die andern. Ein paar Damen sahen mit mir ins<lb/> Herrenzimmer hinüber. Dort verhüllte alles dicker Qualm. Sie schienen den<lb/> Aufbruch nicht bemerken zu wollen. Aber dann entstand ein Tumult, und<lb/> die so lange vermißten traten wieder ans Licht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123"> Gute Nacht, gnädige Frau! Danke gehorsamst! — Recht gute Nacht!<lb/> Vielen Dank sür den gemütlichen Abend! — Adieu, Frau Professor! Herz¬<lb/> liebsten Dank, es war wreizend!</p><lb/> <p xml:id="ID_1124"> Christine! helfen Sie! rief ich und fah gerade noch, wie sie den abweh¬<lb/> renden Herren in ihre Galoschen half. Endlich schloß sich die Korridvrthür;<lb/> und wir waren wieder allein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1125"> Ich ließ mich auf einen Sessel im Eßzimmer nieder. Das Weinen war<lb/> mir nahe. Ach, es war schrecklich! brachte ich endlich mühsam hervor. Alles,<lb/> alles hatte ich mir ganz anders gedacht!</p><lb/> <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Mein Mann zog mich neben sich. — Glaub mir, sagte er, es war nicht<lb/> um ein Haar weniger nett als in allen andern Gesellschaften; es würde den<lb/> Leuten ungemütlich gewesen sein, Wenns hier anders gewesen wäre. — Wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Meine erste Gesellschaft
ich finde, es ist eben doch der einzige elegante Schnitt! — Aber der Preis
ist wohl auch darnach! — Nun, ich zahle für ein fertiges Straßenkostüm
hundertundfunfzig Mark. — Das finde ich gar nicht einmal viel; mein letztes
Hauskleid kam beinahe ebenso teuer. — Ach, ich ginge am liebsten immer
in Seide, es ist so angenehm, und man sieht immer elegant aus.
Ich merkte, wie es Frau Lorentz blau und grün vor den Augen
wurde. Doch alle Versuche, andre Themata anzuschlagen, mißlangen. Zum
Glück kam Christine gerade mit neuem Bier herein. Die erste Dame, der sie
es anbot, merkte es nicht sofort. Christine, meiner Mahnung eingedenk, be¬
sann sich nicht lange, sondern stieß sanft mit dem Brett an ihre Schulter:
He - Sie — — Und als die jungen Mädchen das Lachen nicht verbeißen
konnten, stimmte sie fröhlich mit ein, daß alle Glaser überschwabbelten. Ich
nahm ihr das Brett ab und winkte ihr, hinauszugehen.
Sie haben wohl ein neues Mädchen? — Ach ja, diese Not werden Sie
nun auch kennen lernen! — Denken Sie, nieine letzte hat — und nun folgte
eine lange Diebesgeschichte. — Am schwierigsten ist es aber doch mit den
Kindermädchen! — Was macht denn ihr Kleines, Frau Doktor? Kann es
denn schon sitzen? — O längst! erwiderte glückstrahlend die Gefragte, gestern
hat es sogar, glaube ich, Ma—ma gesagt! — Ach wie süß! riefen mehrere
Damen zugleich. Wreizend! fügte Frau Erich hinzu.
Da schlug unsre Kuckucksuhr elfmal. Es entstand eine Pause; die Frau
Geheimrat zog ihre Handschuhe heraus. Fast atmete ich auf; aber meine
Lippen sagten: Schon? es ist ja noch so früh. — O nein. Ihre Uhr mahnte
uns eben, daß es schon längst Zeit zum Aufbruch ist! Aber über dem reizenden
Abend hatte ich es wirklich ganz vergessen! — Mit liebenswürdigem Lächeln
erhoben sich nun auch die andern. Ein paar Damen sahen mit mir ins
Herrenzimmer hinüber. Dort verhüllte alles dicker Qualm. Sie schienen den
Aufbruch nicht bemerken zu wollen. Aber dann entstand ein Tumult, und
die so lange vermißten traten wieder ans Licht.
Gute Nacht, gnädige Frau! Danke gehorsamst! — Recht gute Nacht!
Vielen Dank sür den gemütlichen Abend! — Adieu, Frau Professor! Herz¬
liebsten Dank, es war wreizend!
Christine! helfen Sie! rief ich und fah gerade noch, wie sie den abweh¬
renden Herren in ihre Galoschen half. Endlich schloß sich die Korridvrthür;
und wir waren wieder allein.
Ich ließ mich auf einen Sessel im Eßzimmer nieder. Das Weinen war
mir nahe. Ach, es war schrecklich! brachte ich endlich mühsam hervor. Alles,
alles hatte ich mir ganz anders gedacht!
Mein Mann zog mich neben sich. — Glaub mir, sagte er, es war nicht
um ein Haar weniger nett als in allen andern Gesellschaften; es würde den
Leuten ungemütlich gewesen sein, Wenns hier anders gewesen wäre. — Wie
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