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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Meine erste Gesellschaft

die Hausfrau wahrend des Essens mit rotem Kopfe und ängstlich gespannten
Zügen dasitzen sah. Um ganz ruhig bleiben zu können, mußte ich allerdings
Christinen noch sehr häutigem Sie war ja noch ein "weißes" (?) Blatt, das
ich selber erst beschreiben wollte, damit sie ganz nach meinem Sinne wäre.
Mit Marktfrauen, Metzgerburschen u. s. w. kam sie ja ganz ordentlich zurecht,
aber das war doch etwas andres. Ferner mußte auf jeden Fall die Trennung
der Geschlechter uach dem Essen verhütet werden und die von diesem Augen¬
blick an unvermeidliche Niveausenkung der Damenunterhaltung, sowie die offen
eingestandue Bier- und Cigarrenseligkeit der Herren. Nun, das konnte ja nicht
schwer sein; ich hatte mehrere Pläne, was ich da machen wollte. Die herrlichen
Photographien, die wir von unsrer italienischen Reise mitgebracht hatten, sollten
wie zufällig in der Nähe liegen, ebenso die lieben Bilder von Ludwig Richter.
Auch sonst wußte ich noch allerlei. So hatte ich gar keine Angst, daß sich
die Leute nicht vortrefflich unterhalten würden. Nur Christine beunruhigte
mich noch etwas.

So kam denn der erwartete Freitag heran. Unter tausend Kleinigkeiten
war schon der Morgen und der Nachmittag dahingeschwunden. Alles wollte
von meinen Händen gemacht sein, denn Christine stand nur immer mit offnem
Munde daneben.

Haben Sie schon einmal Chokoladenpudding gemacht? fragte ich freundlich,
indem ich geschäftig den Creme rührte. Dies hier ist Gelatine -- man nimmt
besser etwas reichlich als zu wenig, damit der Pudding auch sicher steht. --
Christine starrte mich wie ein Wundertier an. Ein leiser Ahnuugsschauer
überlief mich bei diesem Blick. Sie hatte sich doch in der Zeitung als eine
"gute bürgerliche" Köchin, ausgeschrieben! Doch ich wollte den Mut nicht
sinken lassen. -- So, nun setzen Sie den Braten zu! -- Mit Wasser oder
Schmutz? fragte sie. -- Jetzt war das Anstarren auf meiner Seite. Mit Schmutz?
rief ich entsetzt. -- Jo, mir Hans doch an scho so genandt! sagte sie gekränkt und
holte unsern Topf mit Fett. -- Ach so, Sie nennen das Fett so; ich dachte --
ich glaubte -- andern Schmutz. -- Nei, dus nennet mir Dreck, antwortete sie
erläuternd. -- Na also mit Butter! sagte ich, und damit war das appetitliche
Thema beendet. Wenn Sie irgend was nicht wissen, fügte ich noch hinzu,
so fragen Sie sofort; ich bin im Eßzimmer. Damit verließ ich die Küche.

Als ich dabei war, die Fruchtschale herzurichten, kam mein Mann herein.
Nun, wie macht sich denn Christine? fragte er. -- O, sie scheint recht gelehrig.

Ich wurde unterbrochen. Die Thür ging auf, und ein roter Kopf fuhr
herein: Kümmel Si gschwind -- 's bossirt was!

Hastig stürzte ich in die Küche. Vom Herde stieg dicker Qualm auf. Ein
brenzliger Geruch erfüllte den Raum. Wasser! schrie ich. Christine stürzte
an den Leitungsbahn und platschte eine Kanne voll in den schwarz an¬
gebrannten Topf, fuhr aber in demselben Augenblick entsetzt zurück: Gar Sie


Meine erste Gesellschaft

die Hausfrau wahrend des Essens mit rotem Kopfe und ängstlich gespannten
Zügen dasitzen sah. Um ganz ruhig bleiben zu können, mußte ich allerdings
Christinen noch sehr häutigem Sie war ja noch ein „weißes" (?) Blatt, das
ich selber erst beschreiben wollte, damit sie ganz nach meinem Sinne wäre.
Mit Marktfrauen, Metzgerburschen u. s. w. kam sie ja ganz ordentlich zurecht,
aber das war doch etwas andres. Ferner mußte auf jeden Fall die Trennung
der Geschlechter uach dem Essen verhütet werden und die von diesem Augen¬
blick an unvermeidliche Niveausenkung der Damenunterhaltung, sowie die offen
eingestandue Bier- und Cigarrenseligkeit der Herren. Nun, das konnte ja nicht
schwer sein; ich hatte mehrere Pläne, was ich da machen wollte. Die herrlichen
Photographien, die wir von unsrer italienischen Reise mitgebracht hatten, sollten
wie zufällig in der Nähe liegen, ebenso die lieben Bilder von Ludwig Richter.
Auch sonst wußte ich noch allerlei. So hatte ich gar keine Angst, daß sich
die Leute nicht vortrefflich unterhalten würden. Nur Christine beunruhigte
mich noch etwas.

So kam denn der erwartete Freitag heran. Unter tausend Kleinigkeiten
war schon der Morgen und der Nachmittag dahingeschwunden. Alles wollte
von meinen Händen gemacht sein, denn Christine stand nur immer mit offnem
Munde daneben.

Haben Sie schon einmal Chokoladenpudding gemacht? fragte ich freundlich,
indem ich geschäftig den Creme rührte. Dies hier ist Gelatine — man nimmt
besser etwas reichlich als zu wenig, damit der Pudding auch sicher steht. —
Christine starrte mich wie ein Wundertier an. Ein leiser Ahnuugsschauer
überlief mich bei diesem Blick. Sie hatte sich doch in der Zeitung als eine
„gute bürgerliche" Köchin, ausgeschrieben! Doch ich wollte den Mut nicht
sinken lassen. — So, nun setzen Sie den Braten zu! — Mit Wasser oder
Schmutz? fragte sie. — Jetzt war das Anstarren auf meiner Seite. Mit Schmutz?
rief ich entsetzt. — Jo, mir Hans doch an scho so genandt! sagte sie gekränkt und
holte unsern Topf mit Fett. — Ach so, Sie nennen das Fett so; ich dachte —
ich glaubte — andern Schmutz. — Nei, dus nennet mir Dreck, antwortete sie
erläuternd. — Na also mit Butter! sagte ich, und damit war das appetitliche
Thema beendet. Wenn Sie irgend was nicht wissen, fügte ich noch hinzu,
so fragen Sie sofort; ich bin im Eßzimmer. Damit verließ ich die Küche.

Als ich dabei war, die Fruchtschale herzurichten, kam mein Mann herein.
Nun, wie macht sich denn Christine? fragte er. — O, sie scheint recht gelehrig.

Ich wurde unterbrochen. Die Thür ging auf, und ein roter Kopf fuhr
herein: Kümmel Si gschwind — 's bossirt was!

Hastig stürzte ich in die Küche. Vom Herde stieg dicker Qualm auf. Ein
brenzliger Geruch erfüllte den Raum. Wasser! schrie ich. Christine stürzte
an den Leitungsbahn und platschte eine Kanne voll in den schwarz an¬
gebrannten Topf, fuhr aber in demselben Augenblick entsetzt zurück: Gar Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/328>, abgerufen am 08.01.2025.