Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Gedanken eines Laien über den Buschoffschon Proceß beschnitten worden ist, so steht unumstößlich fest, daß nach altem Glauben Gedanken eines Laien über den Buschoffschon Proceß beschnitten worden ist, so steht unumstößlich fest, daß nach altem Glauben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212783"/> <fw type="header" place="top"> Gedanken eines Laien über den Buschoffschon Proceß</fw><lb/> <p xml:id="ID_1001" prev="#ID_1000" next="#ID_1002"> beschnitten worden ist, so steht unumstößlich fest, daß nach altem Glauben<lb/> frisches und gesundes Blut Gesundheit oder Verjüngung herbeiführt. Wir<lb/> wollen mir als Gleichnis angeführt haben, daß anch unsre germanischen Vor¬<lb/> fahren ihre Gefangnen den Göttern so schlachteten, daß das Blut auf die<lb/> Erde floß, wir wollen nur der Erzählung Hartmanns von der Ane über die<lb/> freiwillige Opferung einer Jnngfmn zur Heilung des „armen Heinrich" be¬<lb/> rühren. Aber, wie kommt es, daß gerade den Juden von Alters her immer<lb/> wieder die Ermordung von Christenkindern vorgeworfen wird? Wir wollen<lb/> hier nicht ans den Haß eingehen und die Gründe zu dem Haß, den sich die<lb/> Juden während des ganzen Mittelalters bis zur Neuzeit zugezogen haben,<lb/> nicht auf ihren noch immer seltsamen orientalischen Ritus, nicht darauf, daß<lb/> altgläubige Juden uns als die Gojim verabscheuen und verfluchen müssen.<lb/> Nur zwei Beispiele. In der Geschichte Roms von Gregorovius, der doch die<lb/> Juden sehr freundlich behandelt, steht nach Prüfung der Urkunden geschrieben,<lb/> daß, als Innocenz der Achte totkrank war, sein jüdischer Arzt heimlich zwei<lb/> christliche Knaben schlachtete und dem Papst deren Blut zu trinken reichte.<lb/> Als der Papst das erfuhr, schauderte er zurück und nahm den gebotnen Trank<lb/> nicht, und nachdem er bald darauf gestorben war, flüchtete der Arzt aus Rom.<lb/> In der Berliner Bibliothek finden sich die Akten eines Monstreprozesfes vom<lb/> Jahre 1510, in dem Juden angeklagt waren, in wiederholten Füllen Christen¬<lb/> kinder getötet zu haben. Zu ihrer Entschuldigung gaben sie an, sie bedürften<lb/> des Blutes unschuldiger Kinder zu Medikamenten gegen gewisse Krankheiten, wie<lb/> Fluß u. s. w. Infolge dessen wurden fünf öffentlich verbrannt und sämtliche<lb/> Juden als Hehler aus der Mark ausgewiesen. Daß also selbst noch in unsrer<lb/> sonst so aufgeklärten Zeit altgläubige oder abergläubische Juden Blut zu Heil¬<lb/> mitteln nehmen sollten, wäre das so undenkbar, wenn man erwägt, wie überall<lb/> noch die unglaublichsten Besprechungen und Beschwörungen von Krankheiten<lb/> vorkommen? Wenn ein Zeuge vor dem Clever Gerichtshof mitteilt, zu seinem<lb/> Vater sei einst ein Jude gekommen, der etwas Blut gewünscht habe, das er<lb/> zu einer Medizin brauche, kein Bader wolle ihm solches verschaffen, so sollte<lb/> eine solche Aussage doch nicht sür unwesentlich gelten! Ließe man doch den<lb/> Tillard und das unglückliche Wort „Ritualmord" aus dem Spiele! Es wird<lb/> ja uicht behauptet, daß die Juden immer, daß alle Juden Christenkinder<lb/> schlachten. Ist es denn aber unmöglich, daß sich noch hente fanatische Juden<lb/> auf jede Weise, selbst durch Mord, Blut verschaffen? Einem „Reformjuden"<lb/> wird es ja nicht einfallen, einem, der nnr der Rasse nach noch Jude ist, einem,<lb/> der — wie wir es neulich erlebt haben —, wenn er als Arzt, ans Polen<lb/> gebürtig, mit völlig jüdischem Namen, mit unverfälscht orientalischem Typus,<lb/> vor Gericht als Zeuge auftritt, das von dem Amtsrichter geschriebne „jüdischer<lb/> Konfession" in „Dissident" umändern läßt. Ein strenggläubiger aber, am<lb/> alten Glauben oder — wer das lieber will — am Aberglauben hängender</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Gedanken eines Laien über den Buschoffschon Proceß
beschnitten worden ist, so steht unumstößlich fest, daß nach altem Glauben
frisches und gesundes Blut Gesundheit oder Verjüngung herbeiführt. Wir
wollen mir als Gleichnis angeführt haben, daß anch unsre germanischen Vor¬
fahren ihre Gefangnen den Göttern so schlachteten, daß das Blut auf die
Erde floß, wir wollen nur der Erzählung Hartmanns von der Ane über die
freiwillige Opferung einer Jnngfmn zur Heilung des „armen Heinrich" be¬
rühren. Aber, wie kommt es, daß gerade den Juden von Alters her immer
wieder die Ermordung von Christenkindern vorgeworfen wird? Wir wollen
hier nicht ans den Haß eingehen und die Gründe zu dem Haß, den sich die
Juden während des ganzen Mittelalters bis zur Neuzeit zugezogen haben,
nicht auf ihren noch immer seltsamen orientalischen Ritus, nicht darauf, daß
altgläubige Juden uns als die Gojim verabscheuen und verfluchen müssen.
Nur zwei Beispiele. In der Geschichte Roms von Gregorovius, der doch die
Juden sehr freundlich behandelt, steht nach Prüfung der Urkunden geschrieben,
daß, als Innocenz der Achte totkrank war, sein jüdischer Arzt heimlich zwei
christliche Knaben schlachtete und dem Papst deren Blut zu trinken reichte.
Als der Papst das erfuhr, schauderte er zurück und nahm den gebotnen Trank
nicht, und nachdem er bald darauf gestorben war, flüchtete der Arzt aus Rom.
In der Berliner Bibliothek finden sich die Akten eines Monstreprozesfes vom
Jahre 1510, in dem Juden angeklagt waren, in wiederholten Füllen Christen¬
kinder getötet zu haben. Zu ihrer Entschuldigung gaben sie an, sie bedürften
des Blutes unschuldiger Kinder zu Medikamenten gegen gewisse Krankheiten, wie
Fluß u. s. w. Infolge dessen wurden fünf öffentlich verbrannt und sämtliche
Juden als Hehler aus der Mark ausgewiesen. Daß also selbst noch in unsrer
sonst so aufgeklärten Zeit altgläubige oder abergläubische Juden Blut zu Heil¬
mitteln nehmen sollten, wäre das so undenkbar, wenn man erwägt, wie überall
noch die unglaublichsten Besprechungen und Beschwörungen von Krankheiten
vorkommen? Wenn ein Zeuge vor dem Clever Gerichtshof mitteilt, zu seinem
Vater sei einst ein Jude gekommen, der etwas Blut gewünscht habe, das er
zu einer Medizin brauche, kein Bader wolle ihm solches verschaffen, so sollte
eine solche Aussage doch nicht sür unwesentlich gelten! Ließe man doch den
Tillard und das unglückliche Wort „Ritualmord" aus dem Spiele! Es wird
ja uicht behauptet, daß die Juden immer, daß alle Juden Christenkinder
schlachten. Ist es denn aber unmöglich, daß sich noch hente fanatische Juden
auf jede Weise, selbst durch Mord, Blut verschaffen? Einem „Reformjuden"
wird es ja nicht einfallen, einem, der nnr der Rasse nach noch Jude ist, einem,
der — wie wir es neulich erlebt haben —, wenn er als Arzt, ans Polen
gebürtig, mit völlig jüdischem Namen, mit unverfälscht orientalischem Typus,
vor Gericht als Zeuge auftritt, das von dem Amtsrichter geschriebne „jüdischer
Konfession" in „Dissident" umändern läßt. Ein strenggläubiger aber, am
alten Glauben oder — wer das lieber will — am Aberglauben hängender
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