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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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sich noch mit Grafenkindern zik schleppe", und daß die frühern Flvßerflücht-
linge gegenwärtig ihren ergebensten König in ihrer selbständigen Hauptstadt
zum fünfundzwanzigjährigen Krönungsjubiläum verurteilen.

So wird alles vernünftig und aufgeklärt in dieser fortgeschrittensten der
möglichen Welten. Nur das Wetter nicht! Das bleibt romantisch, was so
viel heißen will, als "zum Rückschritt anregend," "unberechenbar," "schmutzig."
Aber eben deshalb hat es sein gutes, dieses verflixte Wetter. Mau kann
darüber noch reden. Sonst über nichts mehr in der Welt. Es ist alles so
wohlpolizirt, selbstverständlich, reglementmäßig nichtssagend, wie eine Nummer
des Reichsanzeigers oder der Orientexpreßzug. Der dicke Viehhändler aus
Großwardein, der in Czvlna einstieg, hatte ganz Recht, als er bemerkte: "Es
giebt nnr zwei "Faktoren," die in Frage kommen, den Saatenstand und die
Grenzsperre!"

Er hatte einen großen Haß gegen die modernen Einrichtungen, dieser
Romantiker des Schlachthofes, dieser Skeptiker der Trichinose, der diese Krank¬
heit lediglich als eine Erfindung tierärztlicher Gewinnsucht darstellt, dieser
Magnat und Bannerherr ungezählten Hornviehs zwischen Leitha und Waag;
einer von jenen Ösmagharen, "die mit Arpad ins Land kamen" und zwischen
Pferden, Schweinen und Rindern sich den erhabnen Glauben bewahrten, der
sich zwischen Akten, Folianten und diplomatischen Noten so leicht verliert, den
Glauben an die Freiheit, das heilige Menscheugnt, das den Ungarn anvertraut
ist als ein Palladium zur Aufbewahrung für alle kommenden Geschlechter.
Denn man muß wissen: Als der Großherr, der Vater des Unglaubens und
der Thrannei, vom Teufel und seinem Lügenvropheteu angestiftet war, die
Völker in Ketten zu schlagen und keiner sich ihm zu widersetzen wagte, als
der Kaiser in seiner Hofburg zitterte und bangte und der Pole in hellen Haufen
in seiue dicken Wälder floh, da berief Gott deu Arpad mit seinen Scharen
und schickte sie auf ihren schnellsten Rossen in die weiten Ebnen zwischen der
Donau und der Theiß. Dort standen sie und baten Christus um ein Zeichen,
daß er ihnen beistehn wolle im heiligen Kampfe gegen die Ungläubigen und
Unterdrücker. Nichts war da, was sie beschützen konnte, keine Burgen ans
dräuenden Felsen, keine dichten Wälder, keine Höhlen mit sichern Verstecken.
Nur die Ebne breitete sich um sie aus, weit und frei wie die Decke des
Himmels, und im Winde schwankten und rauschten die Grashalme auf der
unendlichen grünen Fläche. Da erschienen die Feldzeichen der Unterdrücker
am Horizont, und mit Wutgeheul stürzten sich die Tyranuenknechte auf die
unbewehrten Söhne der Freiheit. Und siehe, es geschah ein Zeichen und ein
großes Wunder. In ihrer Not kauerten sie sich nieder und griffen zu den
Grashalmen zu ihren Füßen. Und die Grashalme wurden scharfgeschliffne,
blitzende Schwerter in ihren Händen, sie schwangen sie ans die unzählbaren
Haufen ihrer gewappneten Bedränger, und die Schwerter durchdrangen den


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sich noch mit Grafenkindern zik schleppe», und daß die frühern Flvßerflücht-
linge gegenwärtig ihren ergebensten König in ihrer selbständigen Hauptstadt
zum fünfundzwanzigjährigen Krönungsjubiläum verurteilen.

So wird alles vernünftig und aufgeklärt in dieser fortgeschrittensten der
möglichen Welten. Nur das Wetter nicht! Das bleibt romantisch, was so
viel heißen will, als „zum Rückschritt anregend," „unberechenbar," „schmutzig."
Aber eben deshalb hat es sein gutes, dieses verflixte Wetter. Mau kann
darüber noch reden. Sonst über nichts mehr in der Welt. Es ist alles so
wohlpolizirt, selbstverständlich, reglementmäßig nichtssagend, wie eine Nummer
des Reichsanzeigers oder der Orientexpreßzug. Der dicke Viehhändler aus
Großwardein, der in Czvlna einstieg, hatte ganz Recht, als er bemerkte: „Es
giebt nnr zwei »Faktoren,« die in Frage kommen, den Saatenstand und die
Grenzsperre!"

Er hatte einen großen Haß gegen die modernen Einrichtungen, dieser
Romantiker des Schlachthofes, dieser Skeptiker der Trichinose, der diese Krank¬
heit lediglich als eine Erfindung tierärztlicher Gewinnsucht darstellt, dieser
Magnat und Bannerherr ungezählten Hornviehs zwischen Leitha und Waag;
einer von jenen Ösmagharen, „die mit Arpad ins Land kamen" und zwischen
Pferden, Schweinen und Rindern sich den erhabnen Glauben bewahrten, der
sich zwischen Akten, Folianten und diplomatischen Noten so leicht verliert, den
Glauben an die Freiheit, das heilige Menscheugnt, das den Ungarn anvertraut
ist als ein Palladium zur Aufbewahrung für alle kommenden Geschlechter.
Denn man muß wissen: Als der Großherr, der Vater des Unglaubens und
der Thrannei, vom Teufel und seinem Lügenvropheteu angestiftet war, die
Völker in Ketten zu schlagen und keiner sich ihm zu widersetzen wagte, als
der Kaiser in seiner Hofburg zitterte und bangte und der Pole in hellen Haufen
in seiue dicken Wälder floh, da berief Gott deu Arpad mit seinen Scharen
und schickte sie auf ihren schnellsten Rossen in die weiten Ebnen zwischen der
Donau und der Theiß. Dort standen sie und baten Christus um ein Zeichen,
daß er ihnen beistehn wolle im heiligen Kampfe gegen die Ungläubigen und
Unterdrücker. Nichts war da, was sie beschützen konnte, keine Burgen ans
dräuenden Felsen, keine dichten Wälder, keine Höhlen mit sichern Verstecken.
Nur die Ebne breitete sich um sie aus, weit und frei wie die Decke des
Himmels, und im Winde schwankten und rauschten die Grashalme auf der
unendlichen grünen Fläche. Da erschienen die Feldzeichen der Unterdrücker
am Horizont, und mit Wutgeheul stürzten sich die Tyranuenknechte auf die
unbewehrten Söhne der Freiheit. Und siehe, es geschah ein Zeichen und ein
großes Wunder. In ihrer Not kauerten sie sich nieder und griffen zu den
Grashalmen zu ihren Füßen. Und die Grashalme wurden scharfgeschliffne,
blitzende Schwerter in ihren Händen, sie schwangen sie ans die unzählbaren
Haufen ihrer gewappneten Bedränger, und die Schwerter durchdrangen den


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[0280] Pcmnonische Bilder sich noch mit Grafenkindern zik schleppe», und daß die frühern Flvßerflücht- linge gegenwärtig ihren ergebensten König in ihrer selbständigen Hauptstadt zum fünfundzwanzigjährigen Krönungsjubiläum verurteilen. So wird alles vernünftig und aufgeklärt in dieser fortgeschrittensten der möglichen Welten. Nur das Wetter nicht! Das bleibt romantisch, was so viel heißen will, als „zum Rückschritt anregend," „unberechenbar," „schmutzig." Aber eben deshalb hat es sein gutes, dieses verflixte Wetter. Mau kann darüber noch reden. Sonst über nichts mehr in der Welt. Es ist alles so wohlpolizirt, selbstverständlich, reglementmäßig nichtssagend, wie eine Nummer des Reichsanzeigers oder der Orientexpreßzug. Der dicke Viehhändler aus Großwardein, der in Czvlna einstieg, hatte ganz Recht, als er bemerkte: „Es giebt nnr zwei »Faktoren,« die in Frage kommen, den Saatenstand und die Grenzsperre!" Er hatte einen großen Haß gegen die modernen Einrichtungen, dieser Romantiker des Schlachthofes, dieser Skeptiker der Trichinose, der diese Krank¬ heit lediglich als eine Erfindung tierärztlicher Gewinnsucht darstellt, dieser Magnat und Bannerherr ungezählten Hornviehs zwischen Leitha und Waag; einer von jenen Ösmagharen, „die mit Arpad ins Land kamen" und zwischen Pferden, Schweinen und Rindern sich den erhabnen Glauben bewahrten, der sich zwischen Akten, Folianten und diplomatischen Noten so leicht verliert, den Glauben an die Freiheit, das heilige Menscheugnt, das den Ungarn anvertraut ist als ein Palladium zur Aufbewahrung für alle kommenden Geschlechter. Denn man muß wissen: Als der Großherr, der Vater des Unglaubens und der Thrannei, vom Teufel und seinem Lügenvropheteu angestiftet war, die Völker in Ketten zu schlagen und keiner sich ihm zu widersetzen wagte, als der Kaiser in seiner Hofburg zitterte und bangte und der Pole in hellen Haufen in seiue dicken Wälder floh, da berief Gott deu Arpad mit seinen Scharen und schickte sie auf ihren schnellsten Rossen in die weiten Ebnen zwischen der Donau und der Theiß. Dort standen sie und baten Christus um ein Zeichen, daß er ihnen beistehn wolle im heiligen Kampfe gegen die Ungläubigen und Unterdrücker. Nichts war da, was sie beschützen konnte, keine Burgen ans dräuenden Felsen, keine dichten Wälder, keine Höhlen mit sichern Verstecken. Nur die Ebne breitete sich um sie aus, weit und frei wie die Decke des Himmels, und im Winde schwankten und rauschten die Grashalme auf der unendlichen grünen Fläche. Da erschienen die Feldzeichen der Unterdrücker am Horizont, und mit Wutgeheul stürzten sich die Tyranuenknechte auf die unbewehrten Söhne der Freiheit. Und siehe, es geschah ein Zeichen und ein großes Wunder. In ihrer Not kauerten sie sich nieder und griffen zu den Grashalmen zu ihren Füßen. Und die Grashalme wurden scharfgeschliffne, blitzende Schwerter in ihren Händen, sie schwangen sie ans die unzählbaren Haufen ihrer gewappneten Bedränger, und die Schwerter durchdrangen den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/280>, abgerufen am 06.01.2025.