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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Dcis ärztliche Studium der Frauen

eine Ärztin gleiches leisten können? Die Hauptschwierigkeit liege in der Vor¬
bildung. Gegen Gymnasien für dus weibliche Geschlecht ist der Redner durchaus;
ebenso unmöglich sei es nach deutschen Anschauungen, so wie in Amerika, die
Mädchen mit den Knaben zusammengehen zu lassen. Aber die Fran brauche
gar nicht, um sich deu höhern Fächern zu widmen, die Bildung des Gymnasiums;
mau könne ihnen eine besondre Reifeprüfung auferlegen. Aber auch das habe
für ihn etwas Abschreckendes, zu denken, daß Studentinnen der Medizin mit
Studenten gemeinsam die Kollegia besuche", gemeinsam in der Klinik sein,
gemeinsam am Sezirtisch stehen sollten, er halte das nach deutschen Begriffen
für unmöglich. Warum könne man nicht an Krankenhäuser, an Diakonissen¬
anstalten Akademien anschließen, wo Frauen, die den Beruf dazu fühlten, zu
Ärztinnen ausgebildet würden? "Daß eine Notwendigkeit, die Frauen für die
höhern Fächer auszubilden, vorliegt, gestehe ich ohne weiteres zu. Und wenn
erst einmal im öffentlichen Leben diese Notwendigkeit allgemein anerkannt wird,
denn wird mau auch die erforderlichen Veranstaltungen treffen müssen. Aller¬
dings müßte die Sache ans eine Linie gestellt werden, wo sie mit unsern
deutscheu christlichen Anschauungen nicht zusammenstieße. Aber es muß si'ir
die Tausende vou Frauen eine befriedigende Beschäftigung geschaffen werden.
Nichts ist schlimmer, als wenn Menschen gezwungen sind, ohne Beruf ihr
Leben hinzubringen. Nicht alle haben das Bedürfnis, einen bestimmten Beruf
zu ergreisen; für die Hunderte und Tausende aber, die dies Bedürfnis haben,
würde ich es gern sehen, wenn ihnen die Möglichkeit geschaffen würde, einen
Beruf und damit die Zufriedenheit zu finden, die darin liegt, wenn man seine
ganze Kraft anwendet, um den Mitmenschen zu dienen."

Der Regieruugskommissnr sprach sich in demselben Sinne aus. Er er¬
kannte die Pflicht der Unterrichtsverwaltung an, für diese Erweiterung des
Frauenberufs die nötigen Vildnugswege zu suchen. Es gebe hochgebildete
Männer, die Gymnasium und Universität nicht ganz absolvirt hätten. "Was
selbst bei der Erziehung und Bildung von Männern der Fall ist, muß bei
Frauen in noch höherm Maße zutreffen. Die Entwicklung der Frau, ihre
ganze bisherige Erziehung weisen darauf hin, daß sie den Weg nicht geführt
werden kann wie der Knabe, und so wird es unsre Aufgabe sein, einen andern
Passendern Weg zu suchen." Die Mehrzahl der Mädchen werde sich erst in
vorgerückter" Lebensjahren entschließen, eine solche Laufbahn einzuschlagen, und
es dürfe ihnen daher auch nicht zugemutet werden, den alten bei uns gewöhn¬
lichen Weg zu nehmen. Die Regierung werde die Frage pflichtmäßig erwägen,
wie sie das bereits früher gethan habe.

Nach einem Schlußworte des Berichterstatters v. Kölichen wurde der An¬
trag der Kommission angenommen.

Dies ein kurzer Bericht über diese denkwürdige Verhandlung, in der sich
je ein Vertreter der nationalliberalen und der deutschfreisiunigen Partei wie


Dcis ärztliche Studium der Frauen

eine Ärztin gleiches leisten können? Die Hauptschwierigkeit liege in der Vor¬
bildung. Gegen Gymnasien für dus weibliche Geschlecht ist der Redner durchaus;
ebenso unmöglich sei es nach deutschen Anschauungen, so wie in Amerika, die
Mädchen mit den Knaben zusammengehen zu lassen. Aber die Fran brauche
gar nicht, um sich deu höhern Fächern zu widmen, die Bildung des Gymnasiums;
mau könne ihnen eine besondre Reifeprüfung auferlegen. Aber auch das habe
für ihn etwas Abschreckendes, zu denken, daß Studentinnen der Medizin mit
Studenten gemeinsam die Kollegia besuche», gemeinsam in der Klinik sein,
gemeinsam am Sezirtisch stehen sollten, er halte das nach deutschen Begriffen
für unmöglich. Warum könne man nicht an Krankenhäuser, an Diakonissen¬
anstalten Akademien anschließen, wo Frauen, die den Beruf dazu fühlten, zu
Ärztinnen ausgebildet würden? „Daß eine Notwendigkeit, die Frauen für die
höhern Fächer auszubilden, vorliegt, gestehe ich ohne weiteres zu. Und wenn
erst einmal im öffentlichen Leben diese Notwendigkeit allgemein anerkannt wird,
denn wird mau auch die erforderlichen Veranstaltungen treffen müssen. Aller¬
dings müßte die Sache ans eine Linie gestellt werden, wo sie mit unsern
deutscheu christlichen Anschauungen nicht zusammenstieße. Aber es muß si'ir
die Tausende vou Frauen eine befriedigende Beschäftigung geschaffen werden.
Nichts ist schlimmer, als wenn Menschen gezwungen sind, ohne Beruf ihr
Leben hinzubringen. Nicht alle haben das Bedürfnis, einen bestimmten Beruf
zu ergreisen; für die Hunderte und Tausende aber, die dies Bedürfnis haben,
würde ich es gern sehen, wenn ihnen die Möglichkeit geschaffen würde, einen
Beruf und damit die Zufriedenheit zu finden, die darin liegt, wenn man seine
ganze Kraft anwendet, um den Mitmenschen zu dienen."

Der Regieruugskommissnr sprach sich in demselben Sinne aus. Er er¬
kannte die Pflicht der Unterrichtsverwaltung an, für diese Erweiterung des
Frauenberufs die nötigen Vildnugswege zu suchen. Es gebe hochgebildete
Männer, die Gymnasium und Universität nicht ganz absolvirt hätten. „Was
selbst bei der Erziehung und Bildung von Männern der Fall ist, muß bei
Frauen in noch höherm Maße zutreffen. Die Entwicklung der Frau, ihre
ganze bisherige Erziehung weisen darauf hin, daß sie den Weg nicht geführt
werden kann wie der Knabe, und so wird es unsre Aufgabe sein, einen andern
Passendern Weg zu suchen." Die Mehrzahl der Mädchen werde sich erst in
vorgerückter» Lebensjahren entschließen, eine solche Laufbahn einzuschlagen, und
es dürfe ihnen daher auch nicht zugemutet werden, den alten bei uns gewöhn¬
lichen Weg zu nehmen. Die Regierung werde die Frage pflichtmäßig erwägen,
wie sie das bereits früher gethan habe.

Nach einem Schlußworte des Berichterstatters v. Kölichen wurde der An¬
trag der Kommission angenommen.

Dies ein kurzer Bericht über diese denkwürdige Verhandlung, in der sich
je ein Vertreter der nationalliberalen und der deutschfreisiunigen Partei wie


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[0261] Dcis ärztliche Studium der Frauen eine Ärztin gleiches leisten können? Die Hauptschwierigkeit liege in der Vor¬ bildung. Gegen Gymnasien für dus weibliche Geschlecht ist der Redner durchaus; ebenso unmöglich sei es nach deutschen Anschauungen, so wie in Amerika, die Mädchen mit den Knaben zusammengehen zu lassen. Aber die Fran brauche gar nicht, um sich deu höhern Fächern zu widmen, die Bildung des Gymnasiums; mau könne ihnen eine besondre Reifeprüfung auferlegen. Aber auch das habe für ihn etwas Abschreckendes, zu denken, daß Studentinnen der Medizin mit Studenten gemeinsam die Kollegia besuche», gemeinsam in der Klinik sein, gemeinsam am Sezirtisch stehen sollten, er halte das nach deutschen Begriffen für unmöglich. Warum könne man nicht an Krankenhäuser, an Diakonissen¬ anstalten Akademien anschließen, wo Frauen, die den Beruf dazu fühlten, zu Ärztinnen ausgebildet würden? „Daß eine Notwendigkeit, die Frauen für die höhern Fächer auszubilden, vorliegt, gestehe ich ohne weiteres zu. Und wenn erst einmal im öffentlichen Leben diese Notwendigkeit allgemein anerkannt wird, denn wird mau auch die erforderlichen Veranstaltungen treffen müssen. Aller¬ dings müßte die Sache ans eine Linie gestellt werden, wo sie mit unsern deutscheu christlichen Anschauungen nicht zusammenstieße. Aber es muß si'ir die Tausende vou Frauen eine befriedigende Beschäftigung geschaffen werden. Nichts ist schlimmer, als wenn Menschen gezwungen sind, ohne Beruf ihr Leben hinzubringen. Nicht alle haben das Bedürfnis, einen bestimmten Beruf zu ergreisen; für die Hunderte und Tausende aber, die dies Bedürfnis haben, würde ich es gern sehen, wenn ihnen die Möglichkeit geschaffen würde, einen Beruf und damit die Zufriedenheit zu finden, die darin liegt, wenn man seine ganze Kraft anwendet, um den Mitmenschen zu dienen." Der Regieruugskommissnr sprach sich in demselben Sinne aus. Er er¬ kannte die Pflicht der Unterrichtsverwaltung an, für diese Erweiterung des Frauenberufs die nötigen Vildnugswege zu suchen. Es gebe hochgebildete Männer, die Gymnasium und Universität nicht ganz absolvirt hätten. „Was selbst bei der Erziehung und Bildung von Männern der Fall ist, muß bei Frauen in noch höherm Maße zutreffen. Die Entwicklung der Frau, ihre ganze bisherige Erziehung weisen darauf hin, daß sie den Weg nicht geführt werden kann wie der Knabe, und so wird es unsre Aufgabe sein, einen andern Passendern Weg zu suchen." Die Mehrzahl der Mädchen werde sich erst in vorgerückter» Lebensjahren entschließen, eine solche Laufbahn einzuschlagen, und es dürfe ihnen daher auch nicht zugemutet werden, den alten bei uns gewöhn¬ lichen Weg zu nehmen. Die Regierung werde die Frage pflichtmäßig erwägen, wie sie das bereits früher gethan habe. Nach einem Schlußworte des Berichterstatters v. Kölichen wurde der An¬ trag der Kommission angenommen. Dies ein kurzer Bericht über diese denkwürdige Verhandlung, in der sich je ein Vertreter der nationalliberalen und der deutschfreisiunigen Partei wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/261>, abgerufen am 08.01.2025.