Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge Frage: wer außerhalb der jeweilig beteiligten engern Kreise, für die diese Aufklärungen über studentische Dinge Frage: wer außerhalb der jeweilig beteiligten engern Kreise, für die diese <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212502"/> <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/> <p xml:id="ID_44" prev="#ID_43" next="#ID_45"> Frage: wer außerhalb der jeweilig beteiligten engern Kreise, für die diese<lb/> Blätter bestimmt sind, liest sie? Weiter wird es heißen: es sind doch neuer¬<lb/> dings so viele Broschüren über studentische Dinge erschiene». Nun, gerade<lb/> diese Flugschriste» haben bewiesen, welche Rolle bei solchen Erörterungen<lb/> Urteilslosigkeit, Vorurteil und Einseitigkeit spielen. Entweder rührten sie<lb/> — das waren noch die bessern — von Studenten her und litten dann haupt¬<lb/> sächlich unter methodischen Schwächen: der umständlichen Besprechung gerade<lb/> der Dinge, die für die Mitwelt die gleichgiltigsten sind, mangelnder Praxis und<lb/> Lebenserfahrung in den übrigen Punkten und dem Überwiegen eines jugendlichen<lb/> Dogmcitizismus, der mit Begeisterung und Blindheit die dem Verfasser fest ein¬<lb/> gepaukten Grundsätze einer einzelnen Richtung verfocht oder nicht minder ein¬<lb/> seitig und verständnislos die einer andern bekämpfte. Muß man doch überhaupt,<lb/> wenn man die einzelnen studentischen Gruppe» so mit einander dahinlebe» steht,<lb/> oft an das Bild einer Flotte denke», deren Panzerschiffe neben einander schwimme»<lb/> und dabei unaufhörlich mit vollen Breitseiten feuern, wobei sich immer die<lb/> nächsten Nachbarn gegenseitig am kräftigsten ihre Stückkugeln in die Seiten<lb/> und in die Takelage jagen. Oder die Reformbroschüren — denn um solche<lb/> handelt sichs meist - gingen von „alten Herren" aus. Hier zeigte es sich<lb/> den» am deutlichsten, wie außerordentlich schnell diese mit gesenktem Blick ins<lb/> Philisterland zurückgekehrten ehemaligen Studenten der studentischen Praxis<lb/> entwachsen, und wie gerade die eifrigste» und schnellsten Reformatoren am<lb/> wenigsten mit der Wirklichkeit, mit Gedanken und Thun der „Aktiven" in<lb/> Fühlung Ware«. Und da nun gerade die letztgenannte Menschenklasse ganz<lb/> ungemein empfindlich ist und über ein paar drastischen Schnitzern ohne meiteres<lb/> auch deu beabsichtigte» guten Kern verwirft, so ist bisher für sie nichts oder<lb/> doch mir äußerst we»ig dabei herausgekommen. Diese Schriften verpufften,<lb/> das Publikum kam gar nicht dazu, sich mit ihrem Inhalt zu befassen. Wer<lb/> einen Beleg für bloßes Näsonniren über solche Dinge auf der Grundlage eiues<lb/> völlig ungetrübte» Nichtwissens wünscht, der blicke etwa in den zweiten Band<lb/> von Felix Dahns Erinnerungen. Aller Eindruck aber auch des Selbständige»<lb/> und Zutreffenden in solchen Refvrmschrifte» »ut -aufsätzen ist bei deu Stu¬<lb/> denten schon ausgelöscht, wenn z. B, immer wieder als Paradestück der ihnen<lb/> längst wohlbekannte Heidelberger Professor wiederkehrt, der kolpvrtirt haben<lb/> soll, daß el» dortiges Korps seine» Leute» deu Kollegienbesuch verboten habe,<lb/> während jeder Aktive weiß, daß bei keinem einzige» der fünf Heidelberger<lb/> Korps studirt wird, also bei keinem von ihnen der Kollegienbesuch verboten<lb/> zu werde» braucht. Um bei diesem Punkte kurz zu verweilen: viel mehr<lb/> als vo» der Verbi»d»ngsgattu»g hängt Studiren oder Nichtstndiren von der<lb/> Faknltätsangehörigkeit ab, Juristen verbummeln fast regelmäßig in sämtlichen<lb/> Verbindungen die erste» drei Semester und „ochse»" später, und zwar gern<lb/> bei sogenannten Einpankern oder mich zu Hause, während die Kollegien nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Aufklärungen über studentische Dinge
Frage: wer außerhalb der jeweilig beteiligten engern Kreise, für die diese
Blätter bestimmt sind, liest sie? Weiter wird es heißen: es sind doch neuer¬
dings so viele Broschüren über studentische Dinge erschiene». Nun, gerade
diese Flugschriste» haben bewiesen, welche Rolle bei solchen Erörterungen
Urteilslosigkeit, Vorurteil und Einseitigkeit spielen. Entweder rührten sie
— das waren noch die bessern — von Studenten her und litten dann haupt¬
sächlich unter methodischen Schwächen: der umständlichen Besprechung gerade
der Dinge, die für die Mitwelt die gleichgiltigsten sind, mangelnder Praxis und
Lebenserfahrung in den übrigen Punkten und dem Überwiegen eines jugendlichen
Dogmcitizismus, der mit Begeisterung und Blindheit die dem Verfasser fest ein¬
gepaukten Grundsätze einer einzelnen Richtung verfocht oder nicht minder ein¬
seitig und verständnislos die einer andern bekämpfte. Muß man doch überhaupt,
wenn man die einzelnen studentischen Gruppe» so mit einander dahinlebe» steht,
oft an das Bild einer Flotte denke», deren Panzerschiffe neben einander schwimme»
und dabei unaufhörlich mit vollen Breitseiten feuern, wobei sich immer die
nächsten Nachbarn gegenseitig am kräftigsten ihre Stückkugeln in die Seiten
und in die Takelage jagen. Oder die Reformbroschüren — denn um solche
handelt sichs meist - gingen von „alten Herren" aus. Hier zeigte es sich
den» am deutlichsten, wie außerordentlich schnell diese mit gesenktem Blick ins
Philisterland zurückgekehrten ehemaligen Studenten der studentischen Praxis
entwachsen, und wie gerade die eifrigste» und schnellsten Reformatoren am
wenigsten mit der Wirklichkeit, mit Gedanken und Thun der „Aktiven" in
Fühlung Ware«. Und da nun gerade die letztgenannte Menschenklasse ganz
ungemein empfindlich ist und über ein paar drastischen Schnitzern ohne meiteres
auch deu beabsichtigte» guten Kern verwirft, so ist bisher für sie nichts oder
doch mir äußerst we»ig dabei herausgekommen. Diese Schriften verpufften,
das Publikum kam gar nicht dazu, sich mit ihrem Inhalt zu befassen. Wer
einen Beleg für bloßes Näsonniren über solche Dinge auf der Grundlage eiues
völlig ungetrübte» Nichtwissens wünscht, der blicke etwa in den zweiten Band
von Felix Dahns Erinnerungen. Aller Eindruck aber auch des Selbständige»
und Zutreffenden in solchen Refvrmschrifte» »ut -aufsätzen ist bei deu Stu¬
denten schon ausgelöscht, wenn z. B, immer wieder als Paradestück der ihnen
längst wohlbekannte Heidelberger Professor wiederkehrt, der kolpvrtirt haben
soll, daß el» dortiges Korps seine» Leute» deu Kollegienbesuch verboten habe,
während jeder Aktive weiß, daß bei keinem einzige» der fünf Heidelberger
Korps studirt wird, also bei keinem von ihnen der Kollegienbesuch verboten
zu werde» braucht. Um bei diesem Punkte kurz zu verweilen: viel mehr
als vo» der Verbi»d»ngsgattu»g hängt Studiren oder Nichtstndiren von der
Faknltätsangehörigkeit ab, Juristen verbummeln fast regelmäßig in sämtlichen
Verbindungen die erste» drei Semester und „ochse»" später, und zwar gern
bei sogenannten Einpankern oder mich zu Hause, während die Kollegien nur
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |