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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Zunächst ist unser afrikanischer Besitz als Grundbesitz für Deutsche kaum
verwertbar, und man muß deshalb, wie Emin meint, "seine Hinterländer als
Prvdultivnszentren und unsre eigne Stellung als Handelsvermittler in Betracht
ziehen." Die Förderung des Handels, und zwar nicht bloß des Küsten-, son¬
dern auch des Binnenhandels, muß also unser erstes Ziel sein, und zwar in
der Absicht, die Einnahmen zu erhöhen, damit die Ausgaben gedeckt werden. Be¬
dingungen des Erfolges sind friedliches und schonendes Verhalten gegen die Araber
und die Eingebornen, Rücksicht ans religiöse und andre Vorurteile, Unter¬
drückung nicht der Sklaverei, sondern des Sklavenhandels und der Grausam¬
keiten gegen Sklaven. Sodann ist eine angemeßne Organisation nötig:
Schaffung eines festen Stützpunkts für die deutsche Macht im Innern; Heran¬
ziehung der Eingebornen zu Militär-, Polizei-, Handels-, Bebauungs-, Ve-
stencrungszwecken; Aufschließung der Seengebiete, deren natürliche Abflu߬
straße nach Sansibar gerichtet ist; Dreiteilung der ganzen Gebiete, "da ihre
Verwaltung von der Küste aus schon der Entfernung wegen illusorisch wird."
Emin hatte selbstverständlich sür sich das nördliche Secugebiet ins Auge ge¬
faßt, mit einer Hauptstation im Norden (nämlich Bukvba) und "Tabora als
Durchgangsplatz."

Es lohnt sich, diese Punkte wieder hervorzuheben und sie im Lichte der
Ereignisse und Erfahrungen seit 1890 zu betrachten. Die eifrige Pflege der
Handelsbeziehungen nach der herkömmlichen Verkehrsweise, also auch ohne Be¬
schaffung moderner Verkehrsmittel, so wünschenswert sie natürlich sind, ist
hinter andres mehr als billig zurückgetreten und erscheint doch nach wie vor
dringend geboten. Die Vermeidung einer frucht- und ziellosen Zersplitterung
der Geld- und Menschenkräfte ist die Hauptsache. Selbst was private Kreise
an Geld zusammenbringen, sollte in einheitlichem Sinne Verwendung finden.
Bei aller Anerkennung des Zwecks ist es z. B. zu früh, Denkmäler zu setzen,
dafür wird schon die Zukunft sorgen. Alle Unternehmungen müssen räumlich
und zeitlich konzentrirt sein, räumlich nicht zu weit auseinandergehen und zeit¬
lich möglichst dicht aufeinanderfolgen. Gerade der große Umfang unsers ost¬
afrikanischen Gebiets im Vergleich zu dem nachbarlichen portugiesischen und
britischen, seine Ausdehnung bis an alle drei großen Seen hinan, wo wir,
wie Wißmann treffend bemerkte, gewissermaßen eine zweite Küste besitzen, birgt
in sich die Versuchung zu einem alles umfassenden Zuviel des Guten und die
Gefahr eines zu schwachen Nachdrucks nach bestimmten einzelnen Richtungen.
Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, hat man bald eine sogenannte intensive,
bald eine extensive Kolonialpolitik empfohlen, bald zur Beschränkung auf das
Küstenland, bald zur zerstreuten Besetzung des Hinterlandes geraten; aber man
hat in dem einen wie in dem andern Falle nur allmählich -- dies Wort kehrt
in den Erörterungen immer wieder -- ans größere Erfolge gerechnet, da man
beidemal" das ferne Ziel einer vollen Unterwerfung des Gesamtgebiets vor


Zunächst ist unser afrikanischer Besitz als Grundbesitz für Deutsche kaum
verwertbar, und man muß deshalb, wie Emin meint, „seine Hinterländer als
Prvdultivnszentren und unsre eigne Stellung als Handelsvermittler in Betracht
ziehen." Die Förderung des Handels, und zwar nicht bloß des Küsten-, son¬
dern auch des Binnenhandels, muß also unser erstes Ziel sein, und zwar in
der Absicht, die Einnahmen zu erhöhen, damit die Ausgaben gedeckt werden. Be¬
dingungen des Erfolges sind friedliches und schonendes Verhalten gegen die Araber
und die Eingebornen, Rücksicht ans religiöse und andre Vorurteile, Unter¬
drückung nicht der Sklaverei, sondern des Sklavenhandels und der Grausam¬
keiten gegen Sklaven. Sodann ist eine angemeßne Organisation nötig:
Schaffung eines festen Stützpunkts für die deutsche Macht im Innern; Heran¬
ziehung der Eingebornen zu Militär-, Polizei-, Handels-, Bebauungs-, Ve-
stencrungszwecken; Aufschließung der Seengebiete, deren natürliche Abflu߬
straße nach Sansibar gerichtet ist; Dreiteilung der ganzen Gebiete, „da ihre
Verwaltung von der Küste aus schon der Entfernung wegen illusorisch wird."
Emin hatte selbstverständlich sür sich das nördliche Secugebiet ins Auge ge¬
faßt, mit einer Hauptstation im Norden (nämlich Bukvba) und „Tabora als
Durchgangsplatz."

Es lohnt sich, diese Punkte wieder hervorzuheben und sie im Lichte der
Ereignisse und Erfahrungen seit 1890 zu betrachten. Die eifrige Pflege der
Handelsbeziehungen nach der herkömmlichen Verkehrsweise, also auch ohne Be¬
schaffung moderner Verkehrsmittel, so wünschenswert sie natürlich sind, ist
hinter andres mehr als billig zurückgetreten und erscheint doch nach wie vor
dringend geboten. Die Vermeidung einer frucht- und ziellosen Zersplitterung
der Geld- und Menschenkräfte ist die Hauptsache. Selbst was private Kreise
an Geld zusammenbringen, sollte in einheitlichem Sinne Verwendung finden.
Bei aller Anerkennung des Zwecks ist es z. B. zu früh, Denkmäler zu setzen,
dafür wird schon die Zukunft sorgen. Alle Unternehmungen müssen räumlich
und zeitlich konzentrirt sein, räumlich nicht zu weit auseinandergehen und zeit¬
lich möglichst dicht aufeinanderfolgen. Gerade der große Umfang unsers ost¬
afrikanischen Gebiets im Vergleich zu dem nachbarlichen portugiesischen und
britischen, seine Ausdehnung bis an alle drei großen Seen hinan, wo wir,
wie Wißmann treffend bemerkte, gewissermaßen eine zweite Küste besitzen, birgt
in sich die Versuchung zu einem alles umfassenden Zuviel des Guten und die
Gefahr eines zu schwachen Nachdrucks nach bestimmten einzelnen Richtungen.
Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, hat man bald eine sogenannte intensive,
bald eine extensive Kolonialpolitik empfohlen, bald zur Beschränkung auf das
Küstenland, bald zur zerstreuten Besetzung des Hinterlandes geraten; aber man
hat in dem einen wie in dem andern Falle nur allmählich — dies Wort kehrt
in den Erörterungen immer wieder — ans größere Erfolge gerechnet, da man
beidemal« das ferne Ziel einer vollen Unterwerfung des Gesamtgebiets vor


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[0256] Zunächst ist unser afrikanischer Besitz als Grundbesitz für Deutsche kaum verwertbar, und man muß deshalb, wie Emin meint, „seine Hinterländer als Prvdultivnszentren und unsre eigne Stellung als Handelsvermittler in Betracht ziehen." Die Förderung des Handels, und zwar nicht bloß des Küsten-, son¬ dern auch des Binnenhandels, muß also unser erstes Ziel sein, und zwar in der Absicht, die Einnahmen zu erhöhen, damit die Ausgaben gedeckt werden. Be¬ dingungen des Erfolges sind friedliches und schonendes Verhalten gegen die Araber und die Eingebornen, Rücksicht ans religiöse und andre Vorurteile, Unter¬ drückung nicht der Sklaverei, sondern des Sklavenhandels und der Grausam¬ keiten gegen Sklaven. Sodann ist eine angemeßne Organisation nötig: Schaffung eines festen Stützpunkts für die deutsche Macht im Innern; Heran¬ ziehung der Eingebornen zu Militär-, Polizei-, Handels-, Bebauungs-, Ve- stencrungszwecken; Aufschließung der Seengebiete, deren natürliche Abflu߬ straße nach Sansibar gerichtet ist; Dreiteilung der ganzen Gebiete, „da ihre Verwaltung von der Küste aus schon der Entfernung wegen illusorisch wird." Emin hatte selbstverständlich sür sich das nördliche Secugebiet ins Auge ge¬ faßt, mit einer Hauptstation im Norden (nämlich Bukvba) und „Tabora als Durchgangsplatz." Es lohnt sich, diese Punkte wieder hervorzuheben und sie im Lichte der Ereignisse und Erfahrungen seit 1890 zu betrachten. Die eifrige Pflege der Handelsbeziehungen nach der herkömmlichen Verkehrsweise, also auch ohne Be¬ schaffung moderner Verkehrsmittel, so wünschenswert sie natürlich sind, ist hinter andres mehr als billig zurückgetreten und erscheint doch nach wie vor dringend geboten. Die Vermeidung einer frucht- und ziellosen Zersplitterung der Geld- und Menschenkräfte ist die Hauptsache. Selbst was private Kreise an Geld zusammenbringen, sollte in einheitlichem Sinne Verwendung finden. Bei aller Anerkennung des Zwecks ist es z. B. zu früh, Denkmäler zu setzen, dafür wird schon die Zukunft sorgen. Alle Unternehmungen müssen räumlich und zeitlich konzentrirt sein, räumlich nicht zu weit auseinandergehen und zeit¬ lich möglichst dicht aufeinanderfolgen. Gerade der große Umfang unsers ost¬ afrikanischen Gebiets im Vergleich zu dem nachbarlichen portugiesischen und britischen, seine Ausdehnung bis an alle drei großen Seen hinan, wo wir, wie Wißmann treffend bemerkte, gewissermaßen eine zweite Küste besitzen, birgt in sich die Versuchung zu einem alles umfassenden Zuviel des Guten und die Gefahr eines zu schwachen Nachdrucks nach bestimmten einzelnen Richtungen. Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, hat man bald eine sogenannte intensive, bald eine extensive Kolonialpolitik empfohlen, bald zur Beschränkung auf das Küstenland, bald zur zerstreuten Besetzung des Hinterlandes geraten; aber man hat in dem einen wie in dem andern Falle nur allmählich — dies Wort kehrt in den Erörterungen immer wieder — ans größere Erfolge gerechnet, da man beidemal« das ferne Ziel einer vollen Unterwerfung des Gesamtgebiets vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/256>, abgerufen am 08.01.2025.