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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Soldntemnißhandluiigen

Berichte erläutert werden. Man wird also zugestehen, daß von oben herab
alles geschieht, den Soldaten zu schützen. Man wird aber auch die Ansicht
nicht unberechtigt finden, die dahin geht, daß der Vorgesetzte besser geschützt
wäre und öfter und sachgemäßer eingreifen könnte, wenn die Mißhandlungen
geringerer Art seiner Disziplinarstrafbefugnis ausdrücklich überlassen wären.
Bestimmungen oder Erläuterungen darüber bestehen wohl, sie sind aber nicht
präzis genug. Das Publikum selbst ahnt oft nicht die Tragweite, die eine
Anzeige gegen einen Vorgesetzten wegen Mißhandlung hat, und es sind mir
aus der Praxis Fälle bekannt, wo der Anzeigende, als ihm Mitteilung davon
wurde, welche Strafe der betreffende Vorgesetzte infolge dieser Anzeige be¬
kommen hatte, höchlich erstaunt war und erklärte, so schlimm habe er es nicht
gemeint, er sei des Glaubens gewesen, der verklagte Offizier oder Unteroffizier
würde eine kleine Verwarnung bekommen, aber an Arrest oder gar an Festung
habe er nicht gedacht. Ein etwas größerer Spielraum des mit der Straf¬
gewalt bekleidete,? Vorgesetzten in der Bestrafung von Mißhandlungen könnte
und würde gewiß nur von Nutzen sein.

Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Art und Weise, wie das Kapitel
der Svldatenmißhandlungen im Reichstage und in vielen Parteiblättern gegen
unsre Heeresverwaltung und gegen die Vorgesetzten unsers Heeres ausgebeutet
wird, zu einer ungerechten Beurteilung unsers Heerwesens im Lande selbst,
namentlich aber in dem uus wenig günstig gesinnten Auslande führen muß.
Daß Verbesserungen möglich sind, habe ich anzugeben nicht unterlassen; daß
man aber auch an maßgebender Stelle fortgesetzt strebt, solche Verbesserungen
einzuführen, steht ebenso fest. Ein öffentliches Gerichtsverfahren, wie es als
Radikalmittel von der Opposition hingestellt wird, könnte auch nicht alle Mi߬
handlungen verhüten. Denn damit wäre immer noch nicht erreicht, daß alle
Fälle zur Anzeige käme", und auch in der öffentlichen Verhandlung könnte
nicht strenger geurteilt werden als jetzt. Denn ich glaube gezeigt zu haben,
daß gerade das Publikum, Gemeinheiten abgerechnet, wie sie eingangs erwähnt
wurden und strenge bestraft worden sind, die gewöhnlichen Mißhandlungen
weit milder ahnden würde, als es das Kriegsgericht thut. Man vergleiche doch
nur Strafe", die das öffentliche Schöffengericht in ähnlichen Fällen verhängt!
Damit Null ich keineswegs gegen das öffentliche Gerichtsverfahren im Heere
sprechen; denn das Heer braucht in keiner Hinsicht die Öffentlichkeit zu scheuen.

Daß der Heeresdienst nicht die Hölle ist, wie man nach den Reden unsrer
Oppvsitionsmänner gelegentlich des Heereshaushalts denken müßte, geht schon
aus dein Bestehen der zahlreichen Kriegcrvereiue hervor, die sich mit Freuden
um die im Heere zugebrachte Zeit erinnern. Daß aber ein Hauptmann seine
Kompagnie mit denselben Mitteln ausbilden sollte, wie die Vorsteherin eines
Instituts ihre "höhern Töchter," das wird wohl niemand verlangen.


L. v. l^.


Soldntemnißhandluiigen

Berichte erläutert werden. Man wird also zugestehen, daß von oben herab
alles geschieht, den Soldaten zu schützen. Man wird aber auch die Ansicht
nicht unberechtigt finden, die dahin geht, daß der Vorgesetzte besser geschützt
wäre und öfter und sachgemäßer eingreifen könnte, wenn die Mißhandlungen
geringerer Art seiner Disziplinarstrafbefugnis ausdrücklich überlassen wären.
Bestimmungen oder Erläuterungen darüber bestehen wohl, sie sind aber nicht
präzis genug. Das Publikum selbst ahnt oft nicht die Tragweite, die eine
Anzeige gegen einen Vorgesetzten wegen Mißhandlung hat, und es sind mir
aus der Praxis Fälle bekannt, wo der Anzeigende, als ihm Mitteilung davon
wurde, welche Strafe der betreffende Vorgesetzte infolge dieser Anzeige be¬
kommen hatte, höchlich erstaunt war und erklärte, so schlimm habe er es nicht
gemeint, er sei des Glaubens gewesen, der verklagte Offizier oder Unteroffizier
würde eine kleine Verwarnung bekommen, aber an Arrest oder gar an Festung
habe er nicht gedacht. Ein etwas größerer Spielraum des mit der Straf¬
gewalt bekleidete,? Vorgesetzten in der Bestrafung von Mißhandlungen könnte
und würde gewiß nur von Nutzen sein.

Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Art und Weise, wie das Kapitel
der Svldatenmißhandlungen im Reichstage und in vielen Parteiblättern gegen
unsre Heeresverwaltung und gegen die Vorgesetzten unsers Heeres ausgebeutet
wird, zu einer ungerechten Beurteilung unsers Heerwesens im Lande selbst,
namentlich aber in dem uus wenig günstig gesinnten Auslande führen muß.
Daß Verbesserungen möglich sind, habe ich anzugeben nicht unterlassen; daß
man aber auch an maßgebender Stelle fortgesetzt strebt, solche Verbesserungen
einzuführen, steht ebenso fest. Ein öffentliches Gerichtsverfahren, wie es als
Radikalmittel von der Opposition hingestellt wird, könnte auch nicht alle Mi߬
handlungen verhüten. Denn damit wäre immer noch nicht erreicht, daß alle
Fälle zur Anzeige käme», und auch in der öffentlichen Verhandlung könnte
nicht strenger geurteilt werden als jetzt. Denn ich glaube gezeigt zu haben,
daß gerade das Publikum, Gemeinheiten abgerechnet, wie sie eingangs erwähnt
wurden und strenge bestraft worden sind, die gewöhnlichen Mißhandlungen
weit milder ahnden würde, als es das Kriegsgericht thut. Man vergleiche doch
nur Strafe», die das öffentliche Schöffengericht in ähnlichen Fällen verhängt!
Damit Null ich keineswegs gegen das öffentliche Gerichtsverfahren im Heere
sprechen; denn das Heer braucht in keiner Hinsicht die Öffentlichkeit zu scheuen.

Daß der Heeresdienst nicht die Hölle ist, wie man nach den Reden unsrer
Oppvsitionsmänner gelegentlich des Heereshaushalts denken müßte, geht schon
aus dein Bestehen der zahlreichen Kriegcrvereiue hervor, die sich mit Freuden
um die im Heere zugebrachte Zeit erinnern. Daß aber ein Hauptmann seine
Kompagnie mit denselben Mitteln ausbilden sollte, wie die Vorsteherin eines
Instituts ihre „höhern Töchter," das wird wohl niemand verlangen.


L. v. l^.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/24>, abgerufen am 06.01.2025.