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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Tuiskoland

Weit annehmbarer klingt die Behauptung, die Sage von der Erbauung
Trojas durch Apoll und Poseidon sei der vom Bau der Asenburg durch einen
Niesen nachgebildet nud nur in der nordischen Form verständlich, wo der Bau¬
meister, der in einem Winter die Burg vollenden wollte, der Winter selbst
war, und sein windschnelles Roß, das des Nachts die Steine herbeischaffte,
der eisbildende Nordostwind. Ob aber der Troicmische Krieg, "ursprünglich
nichts als eine Göttersage, die Wiederertampfung der Sonnengöttin ^Helena^
von den UnterweltS- und Kälteriesen darstellte," mag dahingestellt bleiben.
Alle Titanenkämpfe sollen die Überwindung der Feuergötter durch die Licht¬
götter, deren Kultus schließlich den der erstern verdrängte, zum Gegenstände
haben; warum nicht, wie man bisher glaubte, die Überwindung der Natur¬
kräfte überhaupt, unter denen allerdings das Feuer eine große Rolle spielt,
durch den Menschen oder durch menschenähnlich gedachte Götter? Wüten doch
im Norden die Kälteriesen weit schlimmer als die Feuerriesen. Und andrer¬
seits wieder, warum muß es gerade ein nordischer Kültegott sein, der in Italien
und Indien so häufig Kühe, d. h. Wolken stiehlt? Das besorgt doch dort
und gewöhnlich auch noch bei uns der Hitzegott weit gründlicher. Natürlich
gehört auch der Prophet Elias -- bei der Erklärung seines Namens ist uns
ein wenig schwindlig geworden -- zu den Feuergöttern. Weniger hätten wirs
uns vom guten Pan versehen. Als Probe sür die Art und Weise, wie Krause
Mythen behandelt, geben wir folgende auf die Pausage bezügliche Stelle wieder.

"Derjenige, der den alten Feuergott entthront hat, war der Lichtgott der
spätern Zeit, und darauf bezieht sich höchst wahrscheinlich auch die Sage vom
Wettstreit des Apoll mit Pan (Marsyas) in der Musik. Denn Pan war zu¬
gleich der Gott der fröhlichen, einfachen Hirtenmusik gewesen, nur übertraf ihn
Apoll durch Knnstmustk, zog ihm das Fell über die Ohren und nahm seine
Herden in Besitz, d. h. er entthronte den alten Feuergott auch als Hirtengott.
Wir müssen uus erinnern, daß die Fenergötter in den Ruf gekommen waren,
die Sonne bei der Gewitterschwüle zu umarmen und zu umhüllen, und so
heißt Bali, Panis Vater, in Jndien gerade so der Umhüller, wie der Feuer¬
gott Vritra. Nun kommt der Sonnenkümpfer Thor oder Zeus und zieht der
Ziege Amalthea oder dem Ziegengott Pan, dem Sounenusnrpator, die Haut
vom Leibe, um sich selbst darin (?) zu kleiden oder sie als Dounersack zu ver¬
wenden; denn eine Art "Knüppel aus dem Sack" blickt hindurch, wenn Zeus
sein Ziegenfell schüttelt. Auch der Kunstrichter Midas mit den Eselsohren,
der dein Pan den Preis zuspricht, hat eine weite Verbreitung, sowohl in der
Tierfnbel, als im irischen und mongolischen Märchen. Der Esel gehört eben
zu den Freunden des Pan; aber nicht bloß, weil er ein bespötteltes Tier war,
wurde er deu Feuergöttern zugesellt. Das Märchen von der Eselshaut, in
die sich das schöne Madchen verbirgt, oder der glänzende Lucius (bei Apulejus)
verwandelt sin die Eselshaut?^, sowie die Eigenschaft des eselsgestciltigen Midas,


Tuiskoland

Weit annehmbarer klingt die Behauptung, die Sage von der Erbauung
Trojas durch Apoll und Poseidon sei der vom Bau der Asenburg durch einen
Niesen nachgebildet nud nur in der nordischen Form verständlich, wo der Bau¬
meister, der in einem Winter die Burg vollenden wollte, der Winter selbst
war, und sein windschnelles Roß, das des Nachts die Steine herbeischaffte,
der eisbildende Nordostwind. Ob aber der Troicmische Krieg, „ursprünglich
nichts als eine Göttersage, die Wiederertampfung der Sonnengöttin ^Helena^
von den UnterweltS- und Kälteriesen darstellte," mag dahingestellt bleiben.
Alle Titanenkämpfe sollen die Überwindung der Feuergötter durch die Licht¬
götter, deren Kultus schließlich den der erstern verdrängte, zum Gegenstände
haben; warum nicht, wie man bisher glaubte, die Überwindung der Natur¬
kräfte überhaupt, unter denen allerdings das Feuer eine große Rolle spielt,
durch den Menschen oder durch menschenähnlich gedachte Götter? Wüten doch
im Norden die Kälteriesen weit schlimmer als die Feuerriesen. Und andrer¬
seits wieder, warum muß es gerade ein nordischer Kültegott sein, der in Italien
und Indien so häufig Kühe, d. h. Wolken stiehlt? Das besorgt doch dort
und gewöhnlich auch noch bei uns der Hitzegott weit gründlicher. Natürlich
gehört auch der Prophet Elias — bei der Erklärung seines Namens ist uns
ein wenig schwindlig geworden — zu den Feuergöttern. Weniger hätten wirs
uns vom guten Pan versehen. Als Probe sür die Art und Weise, wie Krause
Mythen behandelt, geben wir folgende auf die Pausage bezügliche Stelle wieder.

„Derjenige, der den alten Feuergott entthront hat, war der Lichtgott der
spätern Zeit, und darauf bezieht sich höchst wahrscheinlich auch die Sage vom
Wettstreit des Apoll mit Pan (Marsyas) in der Musik. Denn Pan war zu¬
gleich der Gott der fröhlichen, einfachen Hirtenmusik gewesen, nur übertraf ihn
Apoll durch Knnstmustk, zog ihm das Fell über die Ohren und nahm seine
Herden in Besitz, d. h. er entthronte den alten Feuergott auch als Hirtengott.
Wir müssen uus erinnern, daß die Fenergötter in den Ruf gekommen waren,
die Sonne bei der Gewitterschwüle zu umarmen und zu umhüllen, und so
heißt Bali, Panis Vater, in Jndien gerade so der Umhüller, wie der Feuer¬
gott Vritra. Nun kommt der Sonnenkümpfer Thor oder Zeus und zieht der
Ziege Amalthea oder dem Ziegengott Pan, dem Sounenusnrpator, die Haut
vom Leibe, um sich selbst darin (?) zu kleiden oder sie als Dounersack zu ver¬
wenden; denn eine Art »Knüppel aus dem Sack« blickt hindurch, wenn Zeus
sein Ziegenfell schüttelt. Auch der Kunstrichter Midas mit den Eselsohren,
der dein Pan den Preis zuspricht, hat eine weite Verbreitung, sowohl in der
Tierfnbel, als im irischen und mongolischen Märchen. Der Esel gehört eben
zu den Freunden des Pan; aber nicht bloß, weil er ein bespötteltes Tier war,
wurde er deu Feuergöttern zugesellt. Das Märchen von der Eselshaut, in
die sich das schöne Madchen verbirgt, oder der glänzende Lucius (bei Apulejus)
verwandelt sin die Eselshaut?^, sowie die Eigenschaft des eselsgestciltigen Midas,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/228>, abgerufen am 08.01.2025.