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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin

tsrtius ZÄuclet eine Art Vorsehung spielen wollen, die die einander oft wider¬
strebenden Interessen der Akademie und der im Künstlerverein ihren Mittelpunkt
findenden unabhängigen Künstler -- es kommen dabei sowohl Macht- als
Geldfragen in Betracht -- zu versöhnen, am Ende aber eine noch im Dunkel
gehaltne Persönlichkeit zum Meister aller Dinge unter staatlicher Autorität zu
erheben sucht. Dieser Plan, der, wie man sich erzählt, besonders in einzelnen
Kreisen der Düsseldorfer Künstler lebhafte Unterstützung gefunden haben soll,
ist aber vorläufig gescheitert, und zwar -- ganz gegen die Weltweisheit des
angeführten Sprichworts -- durch das einmütige Zusammenwirken der strei¬
tenden Parteien. Nach mehreren Beratungen von Vertretern der Akademie
und des Künstlervereins ist der Entwurf zur Begründung einer "Landes- und
Kltustausstelluugs-Gemeinschaft" ohne eingehende Erörterung grundsätzlich ab¬
gelehnt und ein neuer aufgestellt worden, der beiden Körperschaften gleiche
Rechte gewährt, eine ersprießliche Thätigkeit in gemeinsamem Interesse sichert
und der Ministerialbehörde nur das Recht der Oberaufsicht und die Entsen¬
dung eines Beirath einräumt.

Dieses entschlvßne Vorgehen muß der Akademie als hohes Verdienst an¬
gerechnet werden, auch dann noch, wenn man bedenkt, daß es sich in diesem
Streite auch für sie um Kopf und Kragen handelte. Es ist sehr leicht und
immer der Wirkung auf urteilslose Leser sicher, wenn sich ein Kuustkritiker
aus der Gefolgschaft der naturalistischen Litteratur in die Brust wirft, auf
die Akademiker schimpft und beantragt, alle Antikenklassen, Aktsäle und Meister¬
ateliers vou Staatswegen abzuschaffen. Darum ist es für den, der die Kunst
höher stellt, als die Schlagwörter und Kriegsrufe fanatischer Parteigänger, eine
tröstliche Beobachtung, daß sich in diesem Punkte, um den sich die Lebens¬
interessen des Ganzen wie der Einzelnen drehen, die Akademiker ihrer
Würden und Vorrechte entäußert, daß sich Künstler mit Künstlern zusammen¬
gefunden haben.

Zugespitzt hat sich dieser Kampf zwischen staatlicher Autorität. Überliefe¬
rung und Interessengemeinschaft erst, als die dreiundsechzigste Ausstellung der
Akademie längst eröffnet war. Die akademische Körperschaft scheint aber ge¬
wußt zu haben, daß ihr schwere Kämpfe zur Behauptung ihres alten Ansehens
bevorstehen, und sie hat darum an ihre Mitglieder den Ruf ergehen lassen,
durch Svuderausstellnngen alter und neuer Werke zu zeigen, daß die Akademie
keine Bewahranstalt verstaubter Perücken und verrotteter Zöpfe sei. Dieser
Aufforderung sind die Mitglieder der Akademie leider nicht so bereitwillig und
eifrig nachgekommen, wie es der Würde dieser Körperschaft geziemt hätte und
zur Widerlegung billigen Spotts und Hohns nötig gewesen wäre. Es ist
überall nur Stückwerk zu stände gebracht worden, das dem Kenner der hei¬
mischen Kunst wenig oder nichts Neues bietet und dem Fremden eine lücken¬
hafte, zum Teil sogar höchst unvorteilhafte Vorstellung von der neuern deutschen


Die akademische Kunstausstellung in Berlin

tsrtius ZÄuclet eine Art Vorsehung spielen wollen, die die einander oft wider¬
strebenden Interessen der Akademie und der im Künstlerverein ihren Mittelpunkt
findenden unabhängigen Künstler — es kommen dabei sowohl Macht- als
Geldfragen in Betracht — zu versöhnen, am Ende aber eine noch im Dunkel
gehaltne Persönlichkeit zum Meister aller Dinge unter staatlicher Autorität zu
erheben sucht. Dieser Plan, der, wie man sich erzählt, besonders in einzelnen
Kreisen der Düsseldorfer Künstler lebhafte Unterstützung gefunden haben soll,
ist aber vorläufig gescheitert, und zwar — ganz gegen die Weltweisheit des
angeführten Sprichworts — durch das einmütige Zusammenwirken der strei¬
tenden Parteien. Nach mehreren Beratungen von Vertretern der Akademie
und des Künstlervereins ist der Entwurf zur Begründung einer „Landes- und
Kltustausstelluugs-Gemeinschaft" ohne eingehende Erörterung grundsätzlich ab¬
gelehnt und ein neuer aufgestellt worden, der beiden Körperschaften gleiche
Rechte gewährt, eine ersprießliche Thätigkeit in gemeinsamem Interesse sichert
und der Ministerialbehörde nur das Recht der Oberaufsicht und die Entsen¬
dung eines Beirath einräumt.

Dieses entschlvßne Vorgehen muß der Akademie als hohes Verdienst an¬
gerechnet werden, auch dann noch, wenn man bedenkt, daß es sich in diesem
Streite auch für sie um Kopf und Kragen handelte. Es ist sehr leicht und
immer der Wirkung auf urteilslose Leser sicher, wenn sich ein Kuustkritiker
aus der Gefolgschaft der naturalistischen Litteratur in die Brust wirft, auf
die Akademiker schimpft und beantragt, alle Antikenklassen, Aktsäle und Meister¬
ateliers vou Staatswegen abzuschaffen. Darum ist es für den, der die Kunst
höher stellt, als die Schlagwörter und Kriegsrufe fanatischer Parteigänger, eine
tröstliche Beobachtung, daß sich in diesem Punkte, um den sich die Lebens¬
interessen des Ganzen wie der Einzelnen drehen, die Akademiker ihrer
Würden und Vorrechte entäußert, daß sich Künstler mit Künstlern zusammen¬
gefunden haben.

Zugespitzt hat sich dieser Kampf zwischen staatlicher Autorität. Überliefe¬
rung und Interessengemeinschaft erst, als die dreiundsechzigste Ausstellung der
Akademie längst eröffnet war. Die akademische Körperschaft scheint aber ge¬
wußt zu haben, daß ihr schwere Kämpfe zur Behauptung ihres alten Ansehens
bevorstehen, und sie hat darum an ihre Mitglieder den Ruf ergehen lassen,
durch Svuderausstellnngen alter und neuer Werke zu zeigen, daß die Akademie
keine Bewahranstalt verstaubter Perücken und verrotteter Zöpfe sei. Dieser
Aufforderung sind die Mitglieder der Akademie leider nicht so bereitwillig und
eifrig nachgekommen, wie es der Würde dieser Körperschaft geziemt hätte und
zur Widerlegung billigen Spotts und Hohns nötig gewesen wäre. Es ist
überall nur Stückwerk zu stände gebracht worden, das dem Kenner der hei¬
mischen Kunst wenig oder nichts Neues bietet und dem Fremden eine lücken¬
hafte, zum Teil sogar höchst unvorteilhafte Vorstellung von der neuern deutschen


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[0184] Die akademische Kunstausstellung in Berlin tsrtius ZÄuclet eine Art Vorsehung spielen wollen, die die einander oft wider¬ strebenden Interessen der Akademie und der im Künstlerverein ihren Mittelpunkt findenden unabhängigen Künstler — es kommen dabei sowohl Macht- als Geldfragen in Betracht — zu versöhnen, am Ende aber eine noch im Dunkel gehaltne Persönlichkeit zum Meister aller Dinge unter staatlicher Autorität zu erheben sucht. Dieser Plan, der, wie man sich erzählt, besonders in einzelnen Kreisen der Düsseldorfer Künstler lebhafte Unterstützung gefunden haben soll, ist aber vorläufig gescheitert, und zwar — ganz gegen die Weltweisheit des angeführten Sprichworts — durch das einmütige Zusammenwirken der strei¬ tenden Parteien. Nach mehreren Beratungen von Vertretern der Akademie und des Künstlervereins ist der Entwurf zur Begründung einer „Landes- und Kltustausstelluugs-Gemeinschaft" ohne eingehende Erörterung grundsätzlich ab¬ gelehnt und ein neuer aufgestellt worden, der beiden Körperschaften gleiche Rechte gewährt, eine ersprießliche Thätigkeit in gemeinsamem Interesse sichert und der Ministerialbehörde nur das Recht der Oberaufsicht und die Entsen¬ dung eines Beirath einräumt. Dieses entschlvßne Vorgehen muß der Akademie als hohes Verdienst an¬ gerechnet werden, auch dann noch, wenn man bedenkt, daß es sich in diesem Streite auch für sie um Kopf und Kragen handelte. Es ist sehr leicht und immer der Wirkung auf urteilslose Leser sicher, wenn sich ein Kuustkritiker aus der Gefolgschaft der naturalistischen Litteratur in die Brust wirft, auf die Akademiker schimpft und beantragt, alle Antikenklassen, Aktsäle und Meister¬ ateliers vou Staatswegen abzuschaffen. Darum ist es für den, der die Kunst höher stellt, als die Schlagwörter und Kriegsrufe fanatischer Parteigänger, eine tröstliche Beobachtung, daß sich in diesem Punkte, um den sich die Lebens¬ interessen des Ganzen wie der Einzelnen drehen, die Akademiker ihrer Würden und Vorrechte entäußert, daß sich Künstler mit Künstlern zusammen¬ gefunden haben. Zugespitzt hat sich dieser Kampf zwischen staatlicher Autorität. Überliefe¬ rung und Interessengemeinschaft erst, als die dreiundsechzigste Ausstellung der Akademie längst eröffnet war. Die akademische Körperschaft scheint aber ge¬ wußt zu haben, daß ihr schwere Kämpfe zur Behauptung ihres alten Ansehens bevorstehen, und sie hat darum an ihre Mitglieder den Ruf ergehen lassen, durch Svuderausstellnngen alter und neuer Werke zu zeigen, daß die Akademie keine Bewahranstalt verstaubter Perücken und verrotteter Zöpfe sei. Dieser Aufforderung sind die Mitglieder der Akademie leider nicht so bereitwillig und eifrig nachgekommen, wie es der Würde dieser Körperschaft geziemt hätte und zur Widerlegung billigen Spotts und Hohns nötig gewesen wäre. Es ist überall nur Stückwerk zu stände gebracht worden, das dem Kenner der hei¬ mischen Kunst wenig oder nichts Neues bietet und dem Fremden eine lücken¬ hafte, zum Teil sogar höchst unvorteilhafte Vorstellung von der neuern deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/184>, abgerufen am 06.01.2025.