Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.getrieben, bin ich gesund, frisch und fröhlich. Was wollt' ich nicht? Immerfort "Alle Kräfte"; eben darum aber muß ich -- da das Maas der Eintheilung Jetzt nun vorerst meinen Dank, daß Dn am Dienstag offenbar meine Bitte Von dem, was eine Erzählung abgeben kann, führe ich den gestrigen "Tag Sonnabend, d. töten. Nun ja! gepredigt ist worden und eher zu viel als zu wenig. Gesungen ist Den Goethescher Angelegenheiten widme ich täglich mehrere Vormittagsstunden *) Heinrich Meyer, der "Kunscht-Meyer" Goethes, erholte sich nicht, er starb am
14. Oktober 1332. getrieben, bin ich gesund, frisch und fröhlich. Was wollt' ich nicht? Immerfort „Alle Kräfte"; eben darum aber muß ich — da das Maas der Eintheilung Jetzt nun vorerst meinen Dank, daß Dn am Dienstag offenbar meine Bitte Von dem, was eine Erzählung abgeben kann, führe ich den gestrigen „Tag Sonnabend, d. töten. Nun ja! gepredigt ist worden und eher zu viel als zu wenig. Gesungen ist Den Goethescher Angelegenheiten widme ich täglich mehrere Vormittagsstunden *) Heinrich Meyer, der „Kunscht-Meyer" Goethes, erholte sich nicht, er starb am
14. Oktober 1332. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212654"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_551" prev="#ID_550"> getrieben, bin ich gesund, frisch und fröhlich. Was wollt' ich nicht? Immerfort<lb/> beschäftigt mit Gegenständen, die ich hochachte, liebe und denen ich gewachsen bin;<lb/> jeden Tag ihren und meiner Bemühungen guten, wahrhaft nützlichen und be¬<lb/> deutenden Einfluß vor Augen; Alles mit nur all zu verschwenderischer und dank¬<lb/> barer Freude erkannt und belohnt, was kann einem Manne, besonders höheren<lb/> Alters, Schöneres begegnen? was ihn stärker reizen, alle Kräfte dran zu setzen?<lb/> was ihm einen reicheren volleren Genuß gewähren?</p><lb/> <p xml:id="ID_552"> „Alle Kräfte"; eben darum aber muß ich — da das Maas der Eintheilung<lb/> nicht von mir abhängt und selbst nicht von denen Personen, welche mir vorzüglich<lb/> wohlwollen, wie nun die Dinge sich in einander verflechten — eben darum muß<lb/> ich, eingedenk meiner 62 Lebensjahre, den Faden, was mir auch die Hand halte,<lb/> so bald abreißen, als mir irgend thunlich. Und das soll auch geschehen und ist<lb/> schon angekündigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_553"> Jetzt nun vorerst meinen Dank, daß Dn am Dienstag offenbar meine Bitte<lb/> stattfinden lassen und mir den Daumen gehalten hast. In meinem ganzen Leben,<lb/> so viel ich irgend weiß, ist mir ein freyer mündlicher Vortrag über eine Stunde<lb/> lang und ohne ein Papierschuippselchen zur Nachhülfe jnicht'j so gelungen. Die Herr¬<lb/> schaften und ihr Hof, die Minister und was sonst in solche Versammlung gehört<lb/> — ungefähr 80 Personen, etwa zwey Drittheile Herren — haben mich, als ich<lb/> nur einmal gegenübersaß, nicht einen Augenblick genirt. Dein ist dies Gelingein<lb/> das liegt am Tage. Darum o liebes Kind, mach' es doch heute wieder so —<lb/> mit dem Daumen nämlich! und die folgenden zwey Abende desgleichen!</p><lb/> <p xml:id="ID_554"> Von dem, was eine Erzählung abgeben kann, führe ich den gestrigen „Tag<lb/> in Tiefurt" vor Allem an. Und hiermit für heute: Amen; denn nun will ich<lb/> meine Thür verschließen und mich zu besinnen anfangen, wovon um sechs Uhr<lb/> gepredigt werden soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_555"> Sonnabend, d. töten.</p><lb/> <p xml:id="ID_556"> Nun ja! gepredigt ist worden und eher zu viel als zu wenig. Gesungen ist<lb/> worden, und gleichfalls eher zu viel als zu wenig. Angestrengt haben wir uns<lb/> nach Möglichkeit: und doch — Ach. liebe Frau, ich fürchte sehr, Du bist verge߬<lb/> lich oder zerstreut oder wer weiß was gewesen und hast deu Daumen nicht ge¬<lb/> halten! Es war wohl Alles recht gut und alle Leute waren auch recht wohl zu¬<lb/> frieden: aber es verlief ein Jedes nicht so frisch und rund, und der Enthusiasmus<lb/> war nicht so licht und laut, wie neulich. Den geheimen Grund und Zusammen¬<lb/> hang weiß, außer mir, Niemand. Man schiebt es auf die alle Kraft auflösende<lb/> Gewitterhitze, die durch Menschenzahl und viele Lichter noch vermehrt wurde und<lb/> wahrlich kaum erträglich war, die Köpfe betäubte, die Stimmen ermattete; und ich<lb/> lasse die Leute dabey. Aber — aber! Nun vergiß mir nur die beyden Tage der<lb/> künftigen Woche deu Daumen nicht!</p><lb/> <p xml:id="ID_557" next="#ID_558"> Den Goethescher Angelegenheiten widme ich täglich mehrere Vormittagsstunden<lb/> und fange nun an durchzublicken. Alles dies würde mir sehr erleichtert worden<lb/> seyn, hätte sich nicht getroffen, daß ich den alten würdigen, mit Recht berühmten<lb/> Meyer nahe am Todte gefunden hätte. Zwar bessert es sich nun mit ihm: aber<lb/> er darf noch immer Niemand sprechen,") Die Dinge zeigen sich im Ganzen weit<lb/> anders als ich und alle Andere, von denen ich weiß, sie sich gedacht haben. Der<lb/> Goethe hat auch in seinem Sammeln mit der unwandelbaren Consequenz gehandelt,</p><lb/> <note xml:id="FID_11" place="foot"> *) Heinrich Meyer, der „Kunscht-Meyer" Goethes, erholte sich nicht, er starb am<lb/> 14. Oktober 1332.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
getrieben, bin ich gesund, frisch und fröhlich. Was wollt' ich nicht? Immerfort
beschäftigt mit Gegenständen, die ich hochachte, liebe und denen ich gewachsen bin;
jeden Tag ihren und meiner Bemühungen guten, wahrhaft nützlichen und be¬
deutenden Einfluß vor Augen; Alles mit nur all zu verschwenderischer und dank¬
barer Freude erkannt und belohnt, was kann einem Manne, besonders höheren
Alters, Schöneres begegnen? was ihn stärker reizen, alle Kräfte dran zu setzen?
was ihm einen reicheren volleren Genuß gewähren?
„Alle Kräfte"; eben darum aber muß ich — da das Maas der Eintheilung
nicht von mir abhängt und selbst nicht von denen Personen, welche mir vorzüglich
wohlwollen, wie nun die Dinge sich in einander verflechten — eben darum muß
ich, eingedenk meiner 62 Lebensjahre, den Faden, was mir auch die Hand halte,
so bald abreißen, als mir irgend thunlich. Und das soll auch geschehen und ist
schon angekündigt.
Jetzt nun vorerst meinen Dank, daß Dn am Dienstag offenbar meine Bitte
stattfinden lassen und mir den Daumen gehalten hast. In meinem ganzen Leben,
so viel ich irgend weiß, ist mir ein freyer mündlicher Vortrag über eine Stunde
lang und ohne ein Papierschuippselchen zur Nachhülfe jnicht'j so gelungen. Die Herr¬
schaften und ihr Hof, die Minister und was sonst in solche Versammlung gehört
— ungefähr 80 Personen, etwa zwey Drittheile Herren — haben mich, als ich
nur einmal gegenübersaß, nicht einen Augenblick genirt. Dein ist dies Gelingein
das liegt am Tage. Darum o liebes Kind, mach' es doch heute wieder so —
mit dem Daumen nämlich! und die folgenden zwey Abende desgleichen!
Von dem, was eine Erzählung abgeben kann, führe ich den gestrigen „Tag
in Tiefurt" vor Allem an. Und hiermit für heute: Amen; denn nun will ich
meine Thür verschließen und mich zu besinnen anfangen, wovon um sechs Uhr
gepredigt werden soll.
Sonnabend, d. töten.
Nun ja! gepredigt ist worden und eher zu viel als zu wenig. Gesungen ist
worden, und gleichfalls eher zu viel als zu wenig. Angestrengt haben wir uns
nach Möglichkeit: und doch — Ach. liebe Frau, ich fürchte sehr, Du bist verge߬
lich oder zerstreut oder wer weiß was gewesen und hast deu Daumen nicht ge¬
halten! Es war wohl Alles recht gut und alle Leute waren auch recht wohl zu¬
frieden: aber es verlief ein Jedes nicht so frisch und rund, und der Enthusiasmus
war nicht so licht und laut, wie neulich. Den geheimen Grund und Zusammen¬
hang weiß, außer mir, Niemand. Man schiebt es auf die alle Kraft auflösende
Gewitterhitze, die durch Menschenzahl und viele Lichter noch vermehrt wurde und
wahrlich kaum erträglich war, die Köpfe betäubte, die Stimmen ermattete; und ich
lasse die Leute dabey. Aber — aber! Nun vergiß mir nur die beyden Tage der
künftigen Woche deu Daumen nicht!
Den Goethescher Angelegenheiten widme ich täglich mehrere Vormittagsstunden
und fange nun an durchzublicken. Alles dies würde mir sehr erleichtert worden
seyn, hätte sich nicht getroffen, daß ich den alten würdigen, mit Recht berühmten
Meyer nahe am Todte gefunden hätte. Zwar bessert es sich nun mit ihm: aber
er darf noch immer Niemand sprechen,") Die Dinge zeigen sich im Ganzen weit
anders als ich und alle Andere, von denen ich weiß, sie sich gedacht haben. Der
Goethe hat auch in seinem Sammeln mit der unwandelbaren Consequenz gehandelt,
*) Heinrich Meyer, der „Kunscht-Meyer" Goethes, erholte sich nicht, er starb am
14. Oktober 1332.
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