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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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da dieser schon eine beträchtlich längere Reihe von Dicnstjcchren hinter sich hat.
Der Vergleich fällt also hier' ganz entschieden zu Gunsten der Offizierslauf¬
bahn aus.

Beim Theologen ist es ähnlich. Als Student und Einjahrig-Freiwilliger
braucht er genau dasselbe wie der Philologe. Vielleicht genügen ihm sieben
Semester auch trotz des Dienstjahres, sodaß, da auch die Promotion nicht er¬
forderlich ist, vielleicht nach beendeten Universitätsstudium noch etwa 909 Mark
vorhanden sind. Aber eine Anstellung winkt ihm nicht sobald. Es sind noch
zwei Examina zu machen, von denen das erste vielleicht am Ende des achten
Semesters abgelegt werden kann; bis zur Meldung zum zweiten, durch dessen
Bestehen die Wahlfähigkeit erlangt wird, muß aber mindestens wieder ein Jahr
vergehen, sodaß es sicher nicht vor dem Beginn des zwölften Semesters gemacht
werden kaun. Die Überfüllung ist aber heutzutage auch in der Theologie so groß,
daß sicher nach Erlangung der Wahlfähigkeit noch Jahre vergehen können, ehe der
junge Theologe die ersehnte Pfarre erhält. Wird aber der junge Theologe im
günstigen Falle vielleicht schon sechs Jahre nach dem Abiturientenexamen Pfarrer,
so bietet sich ihm keineswegs ein glänzendes Los. Ist doch (in Preußen! --
in den andern deutschen Landeskirchen nicht einmal) immer noch das vom
Staate gewährleistete niedrigste Einkommen eines Pfarrers 1800 Mark und
freie Wohnung, und davon sind noch Zahlungen für den Pensionsfonds und
die Witwenkasse zu leisten -- Abgaben, die für den Offizier längst nicht mehr
vorhanden sind. Erst nach fünf Jahren erhält der Pfarrer 2400 Mark. Und
die höchste zu erreichende Stufe bietet nur 3600 Mark. Wie viel mehr hat
da der Altersgenosse in der Armee! Und der wohnt in der Stadt, wo die
Sorge um die Schule für die Kinder nicht auf dem Herzen lastet. Mag der
Offizier den Pfarrer vielleicht um seine Ruhe und seinen Frieden beneiden,
wenn er bei der Felddienstübung oder im Manöver den Pfarrherrn im schattigen
Garten bei einem guten Buche sieht -- die Idylle hat ihre traurige Kehr¬
seite. Wo kein Vermögen in der Familie vorhanden oder die Stelle nicht gut
dotirt ist (Fälle, die wohl als Regel einzusehn sind), da ist Sorge und Kummer
im Pfarrhause oft reichlich vorhanden.

Und nun gar der Jurist! Das Studium und das Einjährig-Freiwilligen-
jahr fordern dasselbe wie bei den andern Fakultäten. Was aber erhält der
Referendar sür ein Einkommen? Nichts! Was giebt man dem Assessor?
Zunächst wieder nichts! Wo bleiben jene 900 Mark, die auch hier nach be¬
endeten Studium noch übrig waren? Sie reichen nicht weit. Das Semester
anzugeben, wo von dem sich dem Staatsdienst widmenden Juristen mit Be¬
stimmtheit auf ein auch nur bescheidnes Einkommen gerechnet werden kann,
ist augenblicklich kaum möglich. Die Tagesblätter betonen das ja nur zu oft,
dienen auch mit wahrhaft erschreckenden Zahlen, um die vorhandnen jungen
(oder schon alten?) Juristen zu bezeichne". Ob da Wohl, wie beim Philologen,


da dieser schon eine beträchtlich längere Reihe von Dicnstjcchren hinter sich hat.
Der Vergleich fällt also hier' ganz entschieden zu Gunsten der Offizierslauf¬
bahn aus.

Beim Theologen ist es ähnlich. Als Student und Einjahrig-Freiwilliger
braucht er genau dasselbe wie der Philologe. Vielleicht genügen ihm sieben
Semester auch trotz des Dienstjahres, sodaß, da auch die Promotion nicht er¬
forderlich ist, vielleicht nach beendeten Universitätsstudium noch etwa 909 Mark
vorhanden sind. Aber eine Anstellung winkt ihm nicht sobald. Es sind noch
zwei Examina zu machen, von denen das erste vielleicht am Ende des achten
Semesters abgelegt werden kann; bis zur Meldung zum zweiten, durch dessen
Bestehen die Wahlfähigkeit erlangt wird, muß aber mindestens wieder ein Jahr
vergehen, sodaß es sicher nicht vor dem Beginn des zwölften Semesters gemacht
werden kaun. Die Überfüllung ist aber heutzutage auch in der Theologie so groß,
daß sicher nach Erlangung der Wahlfähigkeit noch Jahre vergehen können, ehe der
junge Theologe die ersehnte Pfarre erhält. Wird aber der junge Theologe im
günstigen Falle vielleicht schon sechs Jahre nach dem Abiturientenexamen Pfarrer,
so bietet sich ihm keineswegs ein glänzendes Los. Ist doch (in Preußen! —
in den andern deutschen Landeskirchen nicht einmal) immer noch das vom
Staate gewährleistete niedrigste Einkommen eines Pfarrers 1800 Mark und
freie Wohnung, und davon sind noch Zahlungen für den Pensionsfonds und
die Witwenkasse zu leisten — Abgaben, die für den Offizier längst nicht mehr
vorhanden sind. Erst nach fünf Jahren erhält der Pfarrer 2400 Mark. Und
die höchste zu erreichende Stufe bietet nur 3600 Mark. Wie viel mehr hat
da der Altersgenosse in der Armee! Und der wohnt in der Stadt, wo die
Sorge um die Schule für die Kinder nicht auf dem Herzen lastet. Mag der
Offizier den Pfarrer vielleicht um seine Ruhe und seinen Frieden beneiden,
wenn er bei der Felddienstübung oder im Manöver den Pfarrherrn im schattigen
Garten bei einem guten Buche sieht — die Idylle hat ihre traurige Kehr¬
seite. Wo kein Vermögen in der Familie vorhanden oder die Stelle nicht gut
dotirt ist (Fälle, die wohl als Regel einzusehn sind), da ist Sorge und Kummer
im Pfarrhause oft reichlich vorhanden.

Und nun gar der Jurist! Das Studium und das Einjährig-Freiwilligen-
jahr fordern dasselbe wie bei den andern Fakultäten. Was aber erhält der
Referendar sür ein Einkommen? Nichts! Was giebt man dem Assessor?
Zunächst wieder nichts! Wo bleiben jene 900 Mark, die auch hier nach be¬
endeten Studium noch übrig waren? Sie reichen nicht weit. Das Semester
anzugeben, wo von dem sich dem Staatsdienst widmenden Juristen mit Be¬
stimmtheit auf ein auch nur bescheidnes Einkommen gerechnet werden kann,
ist augenblicklich kaum möglich. Die Tagesblätter betonen das ja nur zu oft,
dienen auch mit wahrhaft erschreckenden Zahlen, um die vorhandnen jungen
(oder schon alten?) Juristen zu bezeichne». Ob da Wohl, wie beim Philologen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/135>, abgerufen am 06.01.2025.