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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Die Laufbahn des Bffiziers

des Avantageurs erfolgt unmittelbar nach der Einkleidung. Der Jurist, der
Philolog u, s, w., wie viel übler sind sie dran! Tritt für einen Hauptmann
erster Klasse die Pensionirung el", so ist das ja in vielen Fällen sehr hart,
aber rücksichtslos wird hier nicht vorgegangen; und schließlich ist die Pension
auch hier nicht gering. Wer nach dem Gehaltssatz des Bataillonskommandeurs
Pensivnirt wird, hat sicherlich nicht zu klagen, auch wenn er noch nicht fünfzig
Jahre alt sein sollte; denn seine Pension ist so reichlich beimessen, daß gewiß
viele Altersgenossen in andern Berufszweigen bei doch recht angestrengtem
Dienst lange nicht derartig gestellt sind.

Aber noch etwas: die Leutuautszeit beläuft sich nach den gegenwärtigen
Avancementsverhältnisseu auf etwa vierzehn Jahre. Das ist eine lauge Zeit.
Wenn man auch das Einkommen eines Setvndeleutnants für nicht zu gering
erachten darf, so wird doch vielfach ein höheres Einkommen für den Premier-
lentnant als wünschenswert bezeichnet. Es kann nun freilich nicht geleugnet
werden, daß ein Einkommen von etwa 1709 Mark für einen Mann von
dreißig bis vierunddreißig Jahren sehr gering ist. Aber hierin liegt noch keine
Ungerechtigkeit, denn der vierunddreißigjährige Premierlentnant hat schon mit
zwanzig Jahren fast denselben Gehalt bezogen. Er hat eben zu früh ein ver¬
hältnismäßig hohes Einkommen gehabt und empfindet es nnn als drückend,
wenn dieses nach neun Jahren nur um 180 Mark gestiegen und auf diesem
wenig höhern Satze wieder Jahre hindurch geblieben ist. Wäre der Sekonde-
leutnant die ersten vier bis fünf Jahre seiner Dienstzeit auf ein ganz geringes,
nur etwa als Taschengeld zu erachtendes Einkommen gesetzt, so würde es der
Premierleutuant nicht so bitter empfinden, daß er trotz seiner zehn bis vier¬
zehn Dienstjahre immer noch ein so geringes Einkommen bezieht. Hier liegt
eine gewisse Unbilligkeit vor. Aber hierin liegt auch zugleich der Umstand,
der die Offizierslanfbahn leichter durchführbar erscheinen läßt als manche andre.

Um ganz klar zu sein, mag einmal berechnet werden, welche Opfer eine
Familie zu bringe" hat, die vier Söhne dem Staats- und Kirchendienst über¬
weist, den ältesten als Offizier, den zweiten als Philologen, den dritten als
Theologen, den vierten als Juristen. Wir nehmen an, sie bestehen alle mit
neunzehn Jahren ihr Abiturientenexamen. (Unter den genannten Berufsarten
ist übrigens nur für den Offizier dieser Grad der Schulbildung nicht durchaus
erforderlich. Und besonders in neuester Zeit wieder pflegen die Negiments-
tommandenre auch Nicht-Abiturienten gern anzunehmen.) Eine auskömmliche
Stellung und ein sparsamer Haushalt sollen es dem Vater möglich gemacht
haben, für jeden der vier Söhne ein Kapital von 5900 Mark zu sparen, das
etwa mit dem zwanzigsten Lebensjahre eiues jeden zum weitern Fortkommen
bereit steht. Fast genau ein Jahr nach dem Abiturientenexamen wurde der
älteste Sohn -- also nun zwanzig Jahre alt -- Offizier. Der notwendige
Zuschuß in der Fähnrichszeit sowie die erste Ausrüstung hatten nicht unde-


Die Laufbahn des Bffiziers

des Avantageurs erfolgt unmittelbar nach der Einkleidung. Der Jurist, der
Philolog u, s, w., wie viel übler sind sie dran! Tritt für einen Hauptmann
erster Klasse die Pensionirung el», so ist das ja in vielen Fällen sehr hart,
aber rücksichtslos wird hier nicht vorgegangen; und schließlich ist die Pension
auch hier nicht gering. Wer nach dem Gehaltssatz des Bataillonskommandeurs
Pensivnirt wird, hat sicherlich nicht zu klagen, auch wenn er noch nicht fünfzig
Jahre alt sein sollte; denn seine Pension ist so reichlich beimessen, daß gewiß
viele Altersgenossen in andern Berufszweigen bei doch recht angestrengtem
Dienst lange nicht derartig gestellt sind.

Aber noch etwas: die Leutuautszeit beläuft sich nach den gegenwärtigen
Avancementsverhältnisseu auf etwa vierzehn Jahre. Das ist eine lauge Zeit.
Wenn man auch das Einkommen eines Setvndeleutnants für nicht zu gering
erachten darf, so wird doch vielfach ein höheres Einkommen für den Premier-
lentnant als wünschenswert bezeichnet. Es kann nun freilich nicht geleugnet
werden, daß ein Einkommen von etwa 1709 Mark für einen Mann von
dreißig bis vierunddreißig Jahren sehr gering ist. Aber hierin liegt noch keine
Ungerechtigkeit, denn der vierunddreißigjährige Premierlentnant hat schon mit
zwanzig Jahren fast denselben Gehalt bezogen. Er hat eben zu früh ein ver¬
hältnismäßig hohes Einkommen gehabt und empfindet es nnn als drückend,
wenn dieses nach neun Jahren nur um 180 Mark gestiegen und auf diesem
wenig höhern Satze wieder Jahre hindurch geblieben ist. Wäre der Sekonde-
leutnant die ersten vier bis fünf Jahre seiner Dienstzeit auf ein ganz geringes,
nur etwa als Taschengeld zu erachtendes Einkommen gesetzt, so würde es der
Premierleutuant nicht so bitter empfinden, daß er trotz seiner zehn bis vier¬
zehn Dienstjahre immer noch ein so geringes Einkommen bezieht. Hier liegt
eine gewisse Unbilligkeit vor. Aber hierin liegt auch zugleich der Umstand,
der die Offizierslanfbahn leichter durchführbar erscheinen läßt als manche andre.

Um ganz klar zu sein, mag einmal berechnet werden, welche Opfer eine
Familie zu bringe» hat, die vier Söhne dem Staats- und Kirchendienst über¬
weist, den ältesten als Offizier, den zweiten als Philologen, den dritten als
Theologen, den vierten als Juristen. Wir nehmen an, sie bestehen alle mit
neunzehn Jahren ihr Abiturientenexamen. (Unter den genannten Berufsarten
ist übrigens nur für den Offizier dieser Grad der Schulbildung nicht durchaus
erforderlich. Und besonders in neuester Zeit wieder pflegen die Negiments-
tommandenre auch Nicht-Abiturienten gern anzunehmen.) Eine auskömmliche
Stellung und ein sparsamer Haushalt sollen es dem Vater möglich gemacht
haben, für jeden der vier Söhne ein Kapital von 5900 Mark zu sparen, das
etwa mit dem zwanzigsten Lebensjahre eiues jeden zum weitern Fortkommen
bereit steht. Fast genau ein Jahr nach dem Abiturientenexamen wurde der
älteste Sohn — also nun zwanzig Jahre alt — Offizier. Der notwendige
Zuschuß in der Fähnrichszeit sowie die erste Ausrüstung hatten nicht unde-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/133>, abgerufen am 08.01.2025.