Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Sie Lcmfbcch" des (Offiziers der Offiziersberuf die Domäne der Reichen, so stünde es in der Zeit der Gefahr Alle Zweige der Beamtenschaft erinnern ihre Anwärter daran, daß ein Grenzboten IU 1892 1"
Sie Lcmfbcch» des (Offiziers der Offiziersberuf die Domäne der Reichen, so stünde es in der Zeit der Gefahr Alle Zweige der Beamtenschaft erinnern ihre Anwärter daran, daß ein Grenzboten IU 1892 1«
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212605"/> <fw type="header" place="top"> Sie Lcmfbcch» des (Offiziers</fw><lb/> <p xml:id="ID_356" prev="#ID_355"> der Offiziersberuf die Domäne der Reichen, so stünde es in der Zeit der Gefahr<lb/> traurig um das Vaterland. Die ungeheuern Menschenmassen, die heutzutage<lb/> im Fall eines Krieges aufgeboten werden, brauchen auch eine entsprechende<lb/> Anzahl Offiziere. Intelligenz, wissenschaftliche Bildung, Thatkraft und sittliche<lb/> Tüchtigkeit sind aber doch, wenn sie auch durch Wohlhabenheit unterstützt und<lb/> gefördert werden, nicht von ihr abhängig. Ja man findet diese Eigenschaften,<lb/> die allerdings dem Offizier unentbehrlich find, da er ja in hervorragendem<lb/> Sinne Erzieher des Volkes ist, wohl eher in den Volksschichten, die darauf<lb/> angewiesen sind, eine geachtete Stellung im Leben zu erringen, als in denen,<lb/> die diesen Kampf nicht kennen, weil ihnen Geld und Gut durch ihre Geburt<lb/> bereits zugefallen ist. Vor hundert Jahren konnte die preußische Armee den<lb/> Ersatz ihres Offizierkorps ans dein Adel allein nehmen. Seit den Befreiungs¬<lb/> kriegen ist das anders geworden; und in neuester Zeit erst recht. Deu Sekonde-<lb/> leutnant macht uns keiner nach, hat einmal Fürst Bismarck mit Recht gesagt.<lb/> Kein andres Volk hat so viel Intelligenz, wissenschaftliche Bildung und sittliche<lb/> Tüchtigkeit in den breiten Massen des Volkes wie das deutsche. Hierin vor<lb/> allem ist ein dauerndes Übergewicht begründet über Nachbarnntionen, die<lb/> vielleicht an Gold oder auch an Einwohnerzahl reicher sind. Kaiser Wilhelm II.<lb/> hat auch die Regimentskommandeure darauf hingewiesen, daß jede Engherzig¬<lb/> keit aufhören müsse, wenn es gelte, für tüchtigen Ersatz des Offizierkorps zu<lb/> sorgen. Aus alledem geht hervor, daß die so oft gehörte Äußerung: „Mein<lb/> Junge kann nicht Offizier werden, ich habe nicht die Mittel dazu," unberechtigt<lb/> sein muß, wenn anders die in Frage kommenden Verhältnisse gesund sind.<lb/> Die Äußerung ist auch sicherlich in deu meisten Fällen unberechtigt. Die für<lb/> den deutschen Offizier als schlechterdings unentbehrlich bezeichneten Eigen¬<lb/> schaften siud unstreitig im Beamteustande am häufigste» zu finden und gehen<lb/> natürlich auf die aus seinen Häusern hervorgehenden Söhne über. Und wir<lb/> möchten das nicht etwa bloß für die Söhne höherer Beamten behaupten,<lb/> sondern dafür weit unter die Linie gehen, durch die höhere von niedern oder<lb/> Unterbeamten getrennt werden. Intelligenz und sittliche Tüchtigkeit finden sich,<lb/> Gott sei Dank, auch bei Subalternen. Mutterwitz ist auch bei nicht akademisch<lb/> gebildeten zu Hause. Und wer sich, mit „Mutterwitz" ausgerüstet, als Auto¬<lb/> didakt fortbildet, überragt oft an „allgemeiner Bildung" deu, der durch Zeug¬<lb/> nisse akademischer Behörden weit mehr als das als sein geistiges Eigentum<lb/> verbrieft und versiegelt erhalten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_357" next="#ID_358"> Alle Zweige der Beamtenschaft erinnern ihre Anwärter daran, daß ein<lb/> jahrelanges Warten nötig ist, ehe selbst dem tüchtigen eine auskömmliche<lb/> Stellung winkt. Welche Unzahl von Juristen, die ihre Examina längst hinter<lb/> sich haben, warten auf Anstellung! Welches Elend geradezu herrscht uuter<lb/> den jungen stcllunglosen Philologen! Wie zahlreich sind die auf Anstellung<lb/> harrenden Kandidaten der Theologie! Welche Überfüllung herrscht auch im</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IU 1892 1«</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
Sie Lcmfbcch» des (Offiziers
der Offiziersberuf die Domäne der Reichen, so stünde es in der Zeit der Gefahr
traurig um das Vaterland. Die ungeheuern Menschenmassen, die heutzutage
im Fall eines Krieges aufgeboten werden, brauchen auch eine entsprechende
Anzahl Offiziere. Intelligenz, wissenschaftliche Bildung, Thatkraft und sittliche
Tüchtigkeit sind aber doch, wenn sie auch durch Wohlhabenheit unterstützt und
gefördert werden, nicht von ihr abhängig. Ja man findet diese Eigenschaften,
die allerdings dem Offizier unentbehrlich find, da er ja in hervorragendem
Sinne Erzieher des Volkes ist, wohl eher in den Volksschichten, die darauf
angewiesen sind, eine geachtete Stellung im Leben zu erringen, als in denen,
die diesen Kampf nicht kennen, weil ihnen Geld und Gut durch ihre Geburt
bereits zugefallen ist. Vor hundert Jahren konnte die preußische Armee den
Ersatz ihres Offizierkorps ans dein Adel allein nehmen. Seit den Befreiungs¬
kriegen ist das anders geworden; und in neuester Zeit erst recht. Deu Sekonde-
leutnant macht uns keiner nach, hat einmal Fürst Bismarck mit Recht gesagt.
Kein andres Volk hat so viel Intelligenz, wissenschaftliche Bildung und sittliche
Tüchtigkeit in den breiten Massen des Volkes wie das deutsche. Hierin vor
allem ist ein dauerndes Übergewicht begründet über Nachbarnntionen, die
vielleicht an Gold oder auch an Einwohnerzahl reicher sind. Kaiser Wilhelm II.
hat auch die Regimentskommandeure darauf hingewiesen, daß jede Engherzig¬
keit aufhören müsse, wenn es gelte, für tüchtigen Ersatz des Offizierkorps zu
sorgen. Aus alledem geht hervor, daß die so oft gehörte Äußerung: „Mein
Junge kann nicht Offizier werden, ich habe nicht die Mittel dazu," unberechtigt
sein muß, wenn anders die in Frage kommenden Verhältnisse gesund sind.
Die Äußerung ist auch sicherlich in deu meisten Fällen unberechtigt. Die für
den deutschen Offizier als schlechterdings unentbehrlich bezeichneten Eigen¬
schaften siud unstreitig im Beamteustande am häufigste» zu finden und gehen
natürlich auf die aus seinen Häusern hervorgehenden Söhne über. Und wir
möchten das nicht etwa bloß für die Söhne höherer Beamten behaupten,
sondern dafür weit unter die Linie gehen, durch die höhere von niedern oder
Unterbeamten getrennt werden. Intelligenz und sittliche Tüchtigkeit finden sich,
Gott sei Dank, auch bei Subalternen. Mutterwitz ist auch bei nicht akademisch
gebildeten zu Hause. Und wer sich, mit „Mutterwitz" ausgerüstet, als Auto¬
didakt fortbildet, überragt oft an „allgemeiner Bildung" deu, der durch Zeug¬
nisse akademischer Behörden weit mehr als das als sein geistiges Eigentum
verbrieft und versiegelt erhalten hat.
Alle Zweige der Beamtenschaft erinnern ihre Anwärter daran, daß ein
jahrelanges Warten nötig ist, ehe selbst dem tüchtigen eine auskömmliche
Stellung winkt. Welche Unzahl von Juristen, die ihre Examina längst hinter
sich haben, warten auf Anstellung! Welches Elend geradezu herrscht uuter
den jungen stcllunglosen Philologen! Wie zahlreich sind die auf Anstellung
harrenden Kandidaten der Theologie! Welche Überfüllung herrscht auch im
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