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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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hielt die Behauptung seiner göttlichen Sendung stets aufrecht. Im ganzen
waren die Taipings schon bald nach der Einnahme von Nanking nicht viel
mehr als eine zuchtlose Räuberbande.

Die Ausländer thaten deshalb weise daran, schließlich der kaiserlichen
Partei ihre Hilfe zur Niederwerfung des Aufstands zu leihen. Denn mochte die
Regierung auch noch so viele Schwächen zeigen, sie war doch immer noch weit
besser als das Chaos, das ein Sieg der Taipings zur Folge gehabt hätte.
Die Nachrichten über den in Nanking herrschenden sonderbaren neuen Gewalt¬
haber hatten bei den in Shanghai wohnenden Ausländern schon frühzeitig
lebhaftes Interesse erregt, umso mehr, als unter ihnen schon lange, ehe die
Empörer den Aangtzekiang erreichten, verworrene Gerüchte über eine bevor¬
stehende Christianisirung von ganz China in Umlauf gewesen waren. Jetzt,
da mau diesen chinesischen Christen kennen lernte, war die Enttäuschung natür¬
lich groß. Gleichwohl gab es einige europäische Abenteurer, die gegen hohe
Bezahlung in den Dienst der Rebellen traten, aber die Sympathien der über¬
wiegenden Mehrzahl und vor allem des bessern Teils der Fremden neigten
sich sehr bald der kaiserlichen Seite zu. Als die Taipings Shanghai bedrohten,
schützten dieselben englischen und französischen Truppen, die gegen China Krieg
führten, die Stadt im Interesse des Kaisers gegen die Aufrührer, gewiß ein
sehr eigentümliches Verhältnis.

Eine Anzahl von Ausländern stellte sich den Chinesen ganz zur Ver¬
fügung, und da man das Glück hatte, tüchtige Führer uuter ihnen zu finden,
so verstummte allmählich der Spott des fremden Militärs über die im
Jahre 1860 errichtete gemischte Truppe, deren Offiziere alle Europäer oder
Amerikaner waren, während die Mannschaft aus Chinesen bestand. Der letzte
Anführer der "immer siegreichen Armee." wie diese Truppe bald von den
Chinesen genannt wurde, war zugleich der hervorragendste und selbstloseste,
nämlich der englische Oberst Gordon, derselbe, der später als General im
Sudan umkam. Er und Li Huug Tschang, der zur Zeit auch in europäischen
Zeitungen viel genannte in Tientsin wohnende Vizekönig, der damals einer
der kaiserlichen Generale war, erstürmten am Ende des Jahres 1863 das
nicht weit von Shanghai liegende Sutschau, eines der letzten Bollwerke der
Empörer. Bald darauf wurde die "immer siegreiche Armee" aufgelöst, weil
mau ihrer Dienste nicht mehr bedürfte. Offiziere und Mannschaften erhielten
Belohnungen, aber Gordon schlug das für ihn bestimmte ansehnliche Geld¬
geschenk aus. Mit der Eroberung von Nanking wurden die kaiserlichen
Truppen noch in demselben Jahre (1864) allein fertig. Wie der himmlische
König Hnng umgekommen ist, ist nicht genau bekannt geworden. Wahrschein¬
lich hat er sich kurz vor der Erstürmung seiner Hauptstadt vergiftet. Als die
Nachricht von seinem Tode nach Peking gelangt war, hieß es in einer kaiser¬
lichen Verordnung: Worte können keinen Begriff geben von der Menge des


Grenzbowi III 1892 15

hielt die Behauptung seiner göttlichen Sendung stets aufrecht. Im ganzen
waren die Taipings schon bald nach der Einnahme von Nanking nicht viel
mehr als eine zuchtlose Räuberbande.

Die Ausländer thaten deshalb weise daran, schließlich der kaiserlichen
Partei ihre Hilfe zur Niederwerfung des Aufstands zu leihen. Denn mochte die
Regierung auch noch so viele Schwächen zeigen, sie war doch immer noch weit
besser als das Chaos, das ein Sieg der Taipings zur Folge gehabt hätte.
Die Nachrichten über den in Nanking herrschenden sonderbaren neuen Gewalt¬
haber hatten bei den in Shanghai wohnenden Ausländern schon frühzeitig
lebhaftes Interesse erregt, umso mehr, als unter ihnen schon lange, ehe die
Empörer den Aangtzekiang erreichten, verworrene Gerüchte über eine bevor¬
stehende Christianisirung von ganz China in Umlauf gewesen waren. Jetzt,
da mau diesen chinesischen Christen kennen lernte, war die Enttäuschung natür¬
lich groß. Gleichwohl gab es einige europäische Abenteurer, die gegen hohe
Bezahlung in den Dienst der Rebellen traten, aber die Sympathien der über¬
wiegenden Mehrzahl und vor allem des bessern Teils der Fremden neigten
sich sehr bald der kaiserlichen Seite zu. Als die Taipings Shanghai bedrohten,
schützten dieselben englischen und französischen Truppen, die gegen China Krieg
führten, die Stadt im Interesse des Kaisers gegen die Aufrührer, gewiß ein
sehr eigentümliches Verhältnis.

Eine Anzahl von Ausländern stellte sich den Chinesen ganz zur Ver¬
fügung, und da man das Glück hatte, tüchtige Führer uuter ihnen zu finden,
so verstummte allmählich der Spott des fremden Militärs über die im
Jahre 1860 errichtete gemischte Truppe, deren Offiziere alle Europäer oder
Amerikaner waren, während die Mannschaft aus Chinesen bestand. Der letzte
Anführer der „immer siegreichen Armee." wie diese Truppe bald von den
Chinesen genannt wurde, war zugleich der hervorragendste und selbstloseste,
nämlich der englische Oberst Gordon, derselbe, der später als General im
Sudan umkam. Er und Li Huug Tschang, der zur Zeit auch in europäischen
Zeitungen viel genannte in Tientsin wohnende Vizekönig, der damals einer
der kaiserlichen Generale war, erstürmten am Ende des Jahres 1863 das
nicht weit von Shanghai liegende Sutschau, eines der letzten Bollwerke der
Empörer. Bald darauf wurde die „immer siegreiche Armee" aufgelöst, weil
mau ihrer Dienste nicht mehr bedürfte. Offiziere und Mannschaften erhielten
Belohnungen, aber Gordon schlug das für ihn bestimmte ansehnliche Geld¬
geschenk aus. Mit der Eroberung von Nanking wurden die kaiserlichen
Truppen noch in demselben Jahre (1864) allein fertig. Wie der himmlische
König Hnng umgekommen ist, ist nicht genau bekannt geworden. Wahrschein¬
lich hat er sich kurz vor der Erstürmung seiner Hauptstadt vergiftet. Als die
Nachricht von seinem Tode nach Peking gelangt war, hieß es in einer kaiser¬
lichen Verordnung: Worte können keinen Begriff geben von der Menge des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/121>, abgerufen am 06.01.2025.