Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Jenny Lind wäre, würde sich kaum eine zweite Größe ans jenem Virtuosenkreise finden, die Ihre Hauptbedeutung als Sängerin liegt in ihrem Wirken in Deutschland. Es war eine eigentümlich geistige Schönheit in dieser Stimme, die ihren Berlioz, Orchcsterabmde U, Nil (Deutsch.! Ausgabe on>n H. Pohlj. **) Neue Zeitschrift sür Musik, Jahrgang 184".
Jenny Lind wäre, würde sich kaum eine zweite Größe ans jenem Virtuosenkreise finden, die Ihre Hauptbedeutung als Sängerin liegt in ihrem Wirken in Deutschland. Es war eine eigentümlich geistige Schönheit in dieser Stimme, die ihren Berlioz, Orchcsterabmde U, Nil (Deutsch.! Ausgabe on>n H. Pohlj. **) Neue Zeitschrift sür Musik, Jahrgang 184».
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Jenny Lind
wäre, würde sich kaum eine zweite Größe ans jenem Virtuosenkreise finden, die
mit soviel gutem Recht die allgemeine Verehrung und Teilnahme ihrer Zeit¬
genossen an sich gefesselt hätte. Zöge man aus ihrem Leben die bedeutende
Sängerin ab, so bliebe immer noch eine Frau, die ihrem Geschlecht als Muster
dienen kann.
Ihre Hauptbedeutung als Sängerin liegt in ihrem Wirken in Deutschland.
Hier traf sie im Jahre 1814, von Meyerbeer sür das „Feldlager in Schlesien"
uach Verliu berufe», zu einer sehr günstigen Zeit ein. Stimmen gab es die
Menge, und allerlei eigentiimliches Talent nebenbei, aber wenig von Kunst! Jeder
Vergleich mußte zu Gunsten der Jenny Lind ausfallen, und selbst die Besten
hatten zu ihr lernend aufzublicken. Der Henriette Sonntag war fie an Ge¬
schmack und im Maßhalten überlegen, der Schröder-Devrient an Herrschaft über
die Mittel und in der Singekuust voraus. In Frankreich würden die Leistungen
der jungen schwedische« Sängerin neben die der Pasta und der Grisi gesetzt
worden sein, und jedenfalls hätten sie unter dem Andenken der unvergleichlichen
Malibran zu leiden gehabt. In Deutschland war die Bahn frei. Schwächer
oder stärker lebte hier überall noch die Erinnerung an die Zeit, wo in Wien,
Dresden, München und Berlin die Italiener fangen. Diese Glanzzeit der
dramatischen Gesangskunst schien jetzt mit der Lind zurückkehren. Sie nahm alle
gefangen. So allgemeine Übereinstimmung, wie es nach der Biographie aus¬
sieht, herrschte allerdings nicht über ihre Bedeutung. Moltke z. B. schreibt in
jener Zeit seinem kuustfreundlichen Bruder Ludwig, daß er Fräulein von schätzet
der Schwedin vorziehe. Ja selbst in der einfachen Diagnose über die Natur
von Jenny Linth Stimme gehen die Ansichten auseinander. Berlioz"), der sie
nach dem Bonner Beethovenfest auf Schloß Briihl zum erstenmale hörte, nennt
diese Stimme kräftig und groß, der Berliner Berichterstatter der Neuen Zeit¬
schrift für Musik stellt nicht lange darauf sest, "') daß sie sür Meycrbeerfche Partien
nicht kräftig genng sei. Über die Schönheit der Stimme war man einig.
Es war eine eigentümlich geistige Schönheit in dieser Stimme, die ihren
sinnlichen Reiz noch überwog oder ersetzte. In der Mittellage klang sie etwas
bedeckt. Aber ihre Verehrer betrachteten diesen Fehler als Vorzug. Er gehörte
mit zur Individualität und ließ die seelische Macht, mit der die Sängerin
jeden Ton belebte, um so stärker hervortreten. Die Mitte der zweigestrichenen
Oktave war der Teil des Organs, der mit wahrem Sirenenzauber wirkte. Diese
Töne klingen denen, die Jenny Lind einst hörten, noch hente im Ohr. Mendels¬
sohn hat das Andenken an diese Klänge in der Sopranpartie seines „Elias"
verewigt; das in der Arie „Höre Israel" immer bedeutungsvoll wiederkehrende
war der Ton, den er an dieser Stimme über Alles liebte.
Berlioz, Orchcsterabmde U, Nil (Deutsch.! Ausgabe on>n H. Pohlj.
**) Neue Zeitschrift sür Musik, Jahrgang 184».
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