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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Ans dänischer Zeit

den Kopp abgeslcigen wurde! Neinemang ab! Und Mahlmann saß in Gliict-
stadt und hat kein Spier von Vohnsack sein Kopp gesehen!

Hast dn denn damals die Löcher in den Wagen gemacht?

Ich? Gott in Heilgen Himmel! In den feinen Wagen, den Herr Stizrat
damals für achtzehn Speziesthnler aus Aukschon gekauft hatte? Da sollte ich
ein Loch in machen?

Hinrich war förmlich erregt, er sprach viel rascher als sonst, und wir
murmelten eine Entschädigung, auf die er aber nicht hörte. Nee, fuhr er
fort, ich hatte da keine Schuld an. Der Herr hatte mich gesagt: Halt ein
büschen früh vor die Thür, bei sowas muß mau nich zu spät kommen, und
ich war fixig mit allens fertig. Mein besten Lafreervck hatte ich auch an,
denn das gehörte sich so. Er war von grüne Kalör, was mich besser kleidete,
als den grauen, den ich jetzt hab. Als ich nun von die Scheunendiele weg¬
fahr, da krieg ich abers einen bannigen Schreck, denn vor Herrn Stizrat sein
Hausthür standen woll son Stücker dreißig Frauenspersonen, alle mit Kinder"
anhin Arm und an die Hand. Kaum daß ich da halte, da klettern sie denn
auf diesen Wagen, und kein einzigen Weibsbild fällt es ein, mir um Permischon
zu frage". Ich sag: Was is hier los? Aber da krieg ich kein Antwort auf,
und ehe ich noch einmal den Mund aufmachen kann, is den ganzen Wagen
krimmclbimmcl voll. Bei mich aufn Stuhl sitzen vier Fruensminschen, und
zwei haben mich ihre Kinder aufn Schoß gesetzt, sodaß ich knappemang noch
Luft kriege. Und was der Junge von diese beiden Göhren is, der dreht
mich die blanken Knöpfe ab von Rock, weil daß er sie in Mund stecke"
null- oh, meine Zeit, was war das einmal schrecklich!

Hinrich stöhnte förmlich. Nahm denn Großvater alle die Leute mit?
fragten wir.

Der Herr? Nee, so dünnn war er anch nich! Wie er aus die Thür
kommt und zun Wagen nuftuckt -- ein büschen hoch war er ja immer, ich
mein den Wagen -- da fragt der Herr: Was wollen Sie hier? Und eine
von die Weibspersonen, die so dicht bei mich saß, daß ich jeden Knochen in
mein irdischen Leib fühlte, die sagte: O, Herr Stizrat, wir wollen man bloß
ein büschen nach Petersdorf!

Was wollen Sie dort? sagt der Herr.

Natürlicheweise nach die Hinrichtung, Herr Stizrat. Wenn son gräßlichen
Mann den Kopp abgeslcigen wird, da muß man doch bei sein. Hat ja sein
leibhaftigen Brodherrn in Niendorf mit'n Beil totgeslagen. Oh, was giebt es
doch einmal für Menschen! Und alle andern Frauenspersonen fangen an zu
jaulen und sagen dasselbe.

Herab vom Wagen! ruft der Herr, aber die Weihers -- herrsch, was
sind die dreist! -- die rühren sich garnich einmal, und die Frau, die bei mich


Ans dänischer Zeit

den Kopp abgeslcigen wurde! Neinemang ab! Und Mahlmann saß in Gliict-
stadt und hat kein Spier von Vohnsack sein Kopp gesehen!

Hast dn denn damals die Löcher in den Wagen gemacht?

Ich? Gott in Heilgen Himmel! In den feinen Wagen, den Herr Stizrat
damals für achtzehn Speziesthnler aus Aukschon gekauft hatte? Da sollte ich
ein Loch in machen?

Hinrich war förmlich erregt, er sprach viel rascher als sonst, und wir
murmelten eine Entschädigung, auf die er aber nicht hörte. Nee, fuhr er
fort, ich hatte da keine Schuld an. Der Herr hatte mich gesagt: Halt ein
büschen früh vor die Thür, bei sowas muß mau nich zu spät kommen, und
ich war fixig mit allens fertig. Mein besten Lafreervck hatte ich auch an,
denn das gehörte sich so. Er war von grüne Kalör, was mich besser kleidete,
als den grauen, den ich jetzt hab. Als ich nun von die Scheunendiele weg¬
fahr, da krieg ich abers einen bannigen Schreck, denn vor Herrn Stizrat sein
Hausthür standen woll son Stücker dreißig Frauenspersonen, alle mit Kinder»
anhin Arm und an die Hand. Kaum daß ich da halte, da klettern sie denn
auf diesen Wagen, und kein einzigen Weibsbild fällt es ein, mir um Permischon
zu frage». Ich sag: Was is hier los? Aber da krieg ich kein Antwort auf,
und ehe ich noch einmal den Mund aufmachen kann, is den ganzen Wagen
krimmclbimmcl voll. Bei mich aufn Stuhl sitzen vier Fruensminschen, und
zwei haben mich ihre Kinder aufn Schoß gesetzt, sodaß ich knappemang noch
Luft kriege. Und was der Junge von diese beiden Göhren is, der dreht
mich die blanken Knöpfe ab von Rock, weil daß er sie in Mund stecke»
null- oh, meine Zeit, was war das einmal schrecklich!

Hinrich stöhnte förmlich. Nahm denn Großvater alle die Leute mit?
fragten wir.

Der Herr? Nee, so dünnn war er anch nich! Wie er aus die Thür
kommt und zun Wagen nuftuckt — ein büschen hoch war er ja immer, ich
mein den Wagen — da fragt der Herr: Was wollen Sie hier? Und eine
von die Weibspersonen, die so dicht bei mich saß, daß ich jeden Knochen in
mein irdischen Leib fühlte, die sagte: O, Herr Stizrat, wir wollen man bloß
ein büschen nach Petersdorf!

Was wollen Sie dort? sagt der Herr.

Natürlicheweise nach die Hinrichtung, Herr Stizrat. Wenn son gräßlichen
Mann den Kopp abgeslcigen wird, da muß man doch bei sein. Hat ja sein
leibhaftigen Brodherrn in Niendorf mit'n Beil totgeslagen. Oh, was giebt es
doch einmal für Menschen! Und alle andern Frauenspersonen fangen an zu
jaulen und sagen dasselbe.

Herab vom Wagen! ruft der Herr, aber die Weihers — herrsch, was
sind die dreist! — die rühren sich garnich einmal, und die Frau, die bei mich


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[0651] Ans dänischer Zeit den Kopp abgeslcigen wurde! Neinemang ab! Und Mahlmann saß in Gliict- stadt und hat kein Spier von Vohnsack sein Kopp gesehen! Hast dn denn damals die Löcher in den Wagen gemacht? Ich? Gott in Heilgen Himmel! In den feinen Wagen, den Herr Stizrat damals für achtzehn Speziesthnler aus Aukschon gekauft hatte? Da sollte ich ein Loch in machen? Hinrich war förmlich erregt, er sprach viel rascher als sonst, und wir murmelten eine Entschädigung, auf die er aber nicht hörte. Nee, fuhr er fort, ich hatte da keine Schuld an. Der Herr hatte mich gesagt: Halt ein büschen früh vor die Thür, bei sowas muß mau nich zu spät kommen, und ich war fixig mit allens fertig. Mein besten Lafreervck hatte ich auch an, denn das gehörte sich so. Er war von grüne Kalör, was mich besser kleidete, als den grauen, den ich jetzt hab. Als ich nun von die Scheunendiele weg¬ fahr, da krieg ich abers einen bannigen Schreck, denn vor Herrn Stizrat sein Hausthür standen woll son Stücker dreißig Frauenspersonen, alle mit Kinder» anhin Arm und an die Hand. Kaum daß ich da halte, da klettern sie denn auf diesen Wagen, und kein einzigen Weibsbild fällt es ein, mir um Permischon zu frage». Ich sag: Was is hier los? Aber da krieg ich kein Antwort auf, und ehe ich noch einmal den Mund aufmachen kann, is den ganzen Wagen krimmclbimmcl voll. Bei mich aufn Stuhl sitzen vier Fruensminschen, und zwei haben mich ihre Kinder aufn Schoß gesetzt, sodaß ich knappemang noch Luft kriege. Und was der Junge von diese beiden Göhren is, der dreht mich die blanken Knöpfe ab von Rock, weil daß er sie in Mund stecke» null- oh, meine Zeit, was war das einmal schrecklich! Hinrich stöhnte förmlich. Nahm denn Großvater alle die Leute mit? fragten wir. Der Herr? Nee, so dünnn war er anch nich! Wie er aus die Thür kommt und zun Wagen nuftuckt — ein büschen hoch war er ja immer, ich mein den Wagen — da fragt der Herr: Was wollen Sie hier? Und eine von die Weibspersonen, die so dicht bei mich saß, daß ich jeden Knochen in mein irdischen Leib fühlte, die sagte: O, Herr Stizrat, wir wollen man bloß ein büschen nach Petersdorf! Was wollen Sie dort? sagt der Herr. Natürlicheweise nach die Hinrichtung, Herr Stizrat. Wenn son gräßlichen Mann den Kopp abgeslcigen wird, da muß man doch bei sein. Hat ja sein leibhaftigen Brodherrn in Niendorf mit'n Beil totgeslagen. Oh, was giebt es doch einmal für Menschen! Und alle andern Frauenspersonen fangen an zu jaulen und sagen dasselbe. Herab vom Wagen! ruft der Herr, aber die Weihers — herrsch, was sind die dreist! — die rühren sich garnich einmal, und die Frau, die bei mich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/651>, abgerufen am 23.07.2024.