Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Su den öprachdumncheiten

Professor Karl Erbe, der Vorsitzende des deutsche" Sprachvereins in Stuttgart
und Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium.^)

Erbes "Randbemerkungen" sind in fünf Klassen geordnet: 1. Besonders
erfreuliche Abschnitte in W.s Wert 2. Unnötige Nachgiebigkeit W.s gegen
herrschende Fehler und mundartliche Ausdrücke. 3. Ungerechte Verdammung
von Schulregeln. 4. Ausdrücke, die W. ohne Grund für häßlich oder un¬
richtig erklärt. 5. Ungenaue und unrichtige Regeln in W.s Buch.

Der Titelzusatz, den Erbe seinen Randbemerkungen gegeben, hat, "Unter¬
suchungen über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre," scheint mir
nicht recht zu dem Inhalte seines Schriftchens zu passen. Die wichtigsten
"Gegenstände" sind es nun eben nicht, die er sich zur Behandlung ausge¬
wählt hat; mir wenigstens liegen andre Abschnitte meines Buches weit mehr
am Herzen, Abschnitte, die Erbe nicht unter die "besonders erfreulichen" ge¬
rechnet, aber anch nicht angefochten hat. Manche von seinen Einwänden und
Bedenken, z. B. daß man doch neben Mansardendach, Promenadenplatz
und Chvkvladenmädchen mich Modewort und Parademarsch sage, also
auch Chokolademädchen nicht für falsch erklärt werden dürfe, habe ich
mir selbst gemacht, und das gilt auch von vielen Einwänden und Bedenken,
die von andrer Seite, z. B. in den vortrefflichen Aufsätzen der Kölnischen
Zeitung, gegen einzelne meiner Aufstellungen erhoben worden sind. Manche
dieser Bedenken liegen ja so nahe, daß es komisch wäre, zu glauben, ich hätte
sie mir nicht selber gemacht. Auch was zur Erklärung und Entschuldigung
mancher Sprachfehler von Erbe (und ander") vorgebracht worden ist, wie daß
das neuerdings aufgekommne falsche Kohlezeichnung jedenfalls der Kreide¬
zeichnung zu verdanken sei, habe ich mir meist selber gesagt. Wenn ich es
trotzdem unterdrückt und verschwiegen habe, so geschah es, um die Wirkung
meiner Regeln nicht abzuschwächen. Warum haben denn so vortreffliche Bücher
wie das von Umdrehen n. a. verhältnismäßig so wenig genützt? Weil sie es
vor lauter Vedenklichkeit so oft zu keiner bestimmten Entscheidung bringen.
Gewiß hätte ich mein Buch mit unzähligen Anmerkungen behängen, von den
Beobachtungen, die ich hundertfältig gemacht hatte, auch die zwei oder drei
Ausnahmen vorbringen könne", wo die Beobachtung nicht zutrifft; aber mir
kam es vor allen, darauf an, die Haupterscheinung zu zeigen, sür die gar
niemand mehr Ange und Gefühl zu haben schien, die Fehler zu bekämpfen
und zu beseitigen, nicht sie zu erklären und zu entschuldigen. Wenn mir des¬
halb von einigen Seiten der Vorwurf der Übertreibung gemacht worden ist,
so kau" ich mich ja damit trösten, daß mir ein so vorsichtig abwägender Be¬
urteiler wie Erbe in einigen Fälle" "unnötige Nachgiebigkeit" vorwirft!



") Randbemerkungen zu Dr. Wlistinanns Allerhand Syra> chdnmmheiten.
Untersnchniu.en über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre von Professor Karl
Erbe. Stuugart, Adolf Bonz 6c Comp., lLS5i,
Su den öprachdumncheiten

Professor Karl Erbe, der Vorsitzende des deutsche» Sprachvereins in Stuttgart
und Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium.^)

Erbes „Randbemerkungen" sind in fünf Klassen geordnet: 1. Besonders
erfreuliche Abschnitte in W.s Wert 2. Unnötige Nachgiebigkeit W.s gegen
herrschende Fehler und mundartliche Ausdrücke. 3. Ungerechte Verdammung
von Schulregeln. 4. Ausdrücke, die W. ohne Grund für häßlich oder un¬
richtig erklärt. 5. Ungenaue und unrichtige Regeln in W.s Buch.

Der Titelzusatz, den Erbe seinen Randbemerkungen gegeben, hat, „Unter¬
suchungen über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre," scheint mir
nicht recht zu dem Inhalte seines Schriftchens zu passen. Die wichtigsten
„Gegenstände" sind es nun eben nicht, die er sich zur Behandlung ausge¬
wählt hat; mir wenigstens liegen andre Abschnitte meines Buches weit mehr
am Herzen, Abschnitte, die Erbe nicht unter die „besonders erfreulichen" ge¬
rechnet, aber anch nicht angefochten hat. Manche von seinen Einwänden und
Bedenken, z. B. daß man doch neben Mansardendach, Promenadenplatz
und Chvkvladenmädchen mich Modewort und Parademarsch sage, also
auch Chokolademädchen nicht für falsch erklärt werden dürfe, habe ich
mir selbst gemacht, und das gilt auch von vielen Einwänden und Bedenken,
die von andrer Seite, z. B. in den vortrefflichen Aufsätzen der Kölnischen
Zeitung, gegen einzelne meiner Aufstellungen erhoben worden sind. Manche
dieser Bedenken liegen ja so nahe, daß es komisch wäre, zu glauben, ich hätte
sie mir nicht selber gemacht. Auch was zur Erklärung und Entschuldigung
mancher Sprachfehler von Erbe (und ander») vorgebracht worden ist, wie daß
das neuerdings aufgekommne falsche Kohlezeichnung jedenfalls der Kreide¬
zeichnung zu verdanken sei, habe ich mir meist selber gesagt. Wenn ich es
trotzdem unterdrückt und verschwiegen habe, so geschah es, um die Wirkung
meiner Regeln nicht abzuschwächen. Warum haben denn so vortreffliche Bücher
wie das von Umdrehen n. a. verhältnismäßig so wenig genützt? Weil sie es
vor lauter Vedenklichkeit so oft zu keiner bestimmten Entscheidung bringen.
Gewiß hätte ich mein Buch mit unzähligen Anmerkungen behängen, von den
Beobachtungen, die ich hundertfältig gemacht hatte, auch die zwei oder drei
Ausnahmen vorbringen könne», wo die Beobachtung nicht zutrifft; aber mir
kam es vor allen, darauf an, die Haupterscheinung zu zeigen, sür die gar
niemand mehr Ange und Gefühl zu haben schien, die Fehler zu bekämpfen
und zu beseitigen, nicht sie zu erklären und zu entschuldigen. Wenn mir des¬
halb von einigen Seiten der Vorwurf der Übertreibung gemacht worden ist,
so kau» ich mich ja damit trösten, daß mir ein so vorsichtig abwägender Be¬
urteiler wie Erbe in einigen Fälle» „unnötige Nachgiebigkeit" vorwirft!



") Randbemerkungen zu Dr. Wlistinanns Allerhand Syra> chdnmmheiten.
Untersnchniu.en über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre von Professor Karl
Erbe. Stuugart, Adolf Bonz 6c Comp., lLS5i,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211763"/>
          <fw type="header" place="top"> Su den öprachdumncheiten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1744" prev="#ID_1743"> Professor Karl Erbe, der Vorsitzende des deutsche» Sprachvereins in Stuttgart<lb/>
und Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium.^)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1745"> Erbes &#x201E;Randbemerkungen" sind in fünf Klassen geordnet: 1. Besonders<lb/>
erfreuliche Abschnitte in W.s Wert 2. Unnötige Nachgiebigkeit W.s gegen<lb/>
herrschende Fehler und mundartliche Ausdrücke. 3. Ungerechte Verdammung<lb/>
von Schulregeln. 4. Ausdrücke, die W. ohne Grund für häßlich oder un¬<lb/>
richtig erklärt.  5. Ungenaue und unrichtige Regeln in W.s Buch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1746"> Der Titelzusatz, den Erbe seinen Randbemerkungen gegeben, hat, &#x201E;Unter¬<lb/>
suchungen über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre," scheint mir<lb/>
nicht recht zu dem Inhalte seines Schriftchens zu passen. Die wichtigsten<lb/>
&#x201E;Gegenstände" sind es nun eben nicht, die er sich zur Behandlung ausge¬<lb/>
wählt hat; mir wenigstens liegen andre Abschnitte meines Buches weit mehr<lb/>
am Herzen, Abschnitte, die Erbe nicht unter die &#x201E;besonders erfreulichen" ge¬<lb/>
rechnet, aber anch nicht angefochten hat. Manche von seinen Einwänden und<lb/>
Bedenken, z. B. daß man doch neben Mansardendach, Promenadenplatz<lb/>
und Chvkvladenmädchen mich Modewort und Parademarsch sage, also<lb/>
auch Chokolademädchen nicht für falsch erklärt werden dürfe, habe ich<lb/>
mir selbst gemacht, und das gilt auch von vielen Einwänden und Bedenken,<lb/>
die von andrer Seite, z. B. in den vortrefflichen Aufsätzen der Kölnischen<lb/>
Zeitung, gegen einzelne meiner Aufstellungen erhoben worden sind. Manche<lb/>
dieser Bedenken liegen ja so nahe, daß es komisch wäre, zu glauben, ich hätte<lb/>
sie mir nicht selber gemacht. Auch was zur Erklärung und Entschuldigung<lb/>
mancher Sprachfehler von Erbe (und ander») vorgebracht worden ist, wie daß<lb/>
das neuerdings aufgekommne falsche Kohlezeichnung jedenfalls der Kreide¬<lb/>
zeichnung zu verdanken sei, habe ich mir meist selber gesagt. Wenn ich es<lb/>
trotzdem unterdrückt und verschwiegen habe, so geschah es, um die Wirkung<lb/>
meiner Regeln nicht abzuschwächen. Warum haben denn so vortreffliche Bücher<lb/>
wie das von Umdrehen n. a. verhältnismäßig so wenig genützt? Weil sie es<lb/>
vor lauter Vedenklichkeit so oft zu keiner bestimmten Entscheidung bringen.<lb/>
Gewiß hätte ich mein Buch mit unzähligen Anmerkungen behängen, von den<lb/>
Beobachtungen, die ich hundertfältig gemacht hatte, auch die zwei oder drei<lb/>
Ausnahmen vorbringen könne», wo die Beobachtung nicht zutrifft; aber mir<lb/>
kam es vor allen, darauf an, die Haupterscheinung zu zeigen, sür die gar<lb/>
niemand mehr Ange und Gefühl zu haben schien, die Fehler zu bekämpfen<lb/>
und zu beseitigen, nicht sie zu erklären und zu entschuldigen. Wenn mir des¬<lb/>
halb von einigen Seiten der Vorwurf der Übertreibung gemacht worden ist,<lb/>
so kau» ich mich ja damit trösten, daß mir ein so vorsichtig abwägender Be¬<lb/>
urteiler wie Erbe in einigen Fälle» &#x201E;unnötige Nachgiebigkeit" vorwirft!</p><lb/>
          <note xml:id="FID_55" place="foot"> ") Randbemerkungen zu Dr. Wlistinanns Allerhand Syra&gt; chdnmmheiten.<lb/>
Untersnchniu.en über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre von Professor Karl<lb/>
Erbe. Stuugart, Adolf Bonz 6c Comp., lLS5i,</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0595] Su den öprachdumncheiten Professor Karl Erbe, der Vorsitzende des deutsche» Sprachvereins in Stuttgart und Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium.^) Erbes „Randbemerkungen" sind in fünf Klassen geordnet: 1. Besonders erfreuliche Abschnitte in W.s Wert 2. Unnötige Nachgiebigkeit W.s gegen herrschende Fehler und mundartliche Ausdrücke. 3. Ungerechte Verdammung von Schulregeln. 4. Ausdrücke, die W. ohne Grund für häßlich oder un¬ richtig erklärt. 5. Ungenaue und unrichtige Regeln in W.s Buch. Der Titelzusatz, den Erbe seinen Randbemerkungen gegeben, hat, „Unter¬ suchungen über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre," scheint mir nicht recht zu dem Inhalte seines Schriftchens zu passen. Die wichtigsten „Gegenstände" sind es nun eben nicht, die er sich zur Behandlung ausge¬ wählt hat; mir wenigstens liegen andre Abschnitte meines Buches weit mehr am Herzen, Abschnitte, die Erbe nicht unter die „besonders erfreulichen" ge¬ rechnet, aber anch nicht angefochten hat. Manche von seinen Einwänden und Bedenken, z. B. daß man doch neben Mansardendach, Promenadenplatz und Chvkvladenmädchen mich Modewort und Parademarsch sage, also auch Chokolademädchen nicht für falsch erklärt werden dürfe, habe ich mir selbst gemacht, und das gilt auch von vielen Einwänden und Bedenken, die von andrer Seite, z. B. in den vortrefflichen Aufsätzen der Kölnischen Zeitung, gegen einzelne meiner Aufstellungen erhoben worden sind. Manche dieser Bedenken liegen ja so nahe, daß es komisch wäre, zu glauben, ich hätte sie mir nicht selber gemacht. Auch was zur Erklärung und Entschuldigung mancher Sprachfehler von Erbe (und ander») vorgebracht worden ist, wie daß das neuerdings aufgekommne falsche Kohlezeichnung jedenfalls der Kreide¬ zeichnung zu verdanken sei, habe ich mir meist selber gesagt. Wenn ich es trotzdem unterdrückt und verschwiegen habe, so geschah es, um die Wirkung meiner Regeln nicht abzuschwächen. Warum haben denn so vortreffliche Bücher wie das von Umdrehen n. a. verhältnismäßig so wenig genützt? Weil sie es vor lauter Vedenklichkeit so oft zu keiner bestimmten Entscheidung bringen. Gewiß hätte ich mein Buch mit unzähligen Anmerkungen behängen, von den Beobachtungen, die ich hundertfältig gemacht hatte, auch die zwei oder drei Ausnahmen vorbringen könne», wo die Beobachtung nicht zutrifft; aber mir kam es vor allen, darauf an, die Haupterscheinung zu zeigen, sür die gar niemand mehr Ange und Gefühl zu haben schien, die Fehler zu bekämpfen und zu beseitigen, nicht sie zu erklären und zu entschuldigen. Wenn mir des¬ halb von einigen Seiten der Vorwurf der Übertreibung gemacht worden ist, so kau» ich mich ja damit trösten, daß mir ein so vorsichtig abwägender Be¬ urteiler wie Erbe in einigen Fälle» „unnötige Nachgiebigkeit" vorwirft! ") Randbemerkungen zu Dr. Wlistinanns Allerhand Syra> chdnmmheiten. Untersnchniu.en über wichtige Gegenstände der deutschen Sprachlehre von Professor Karl Erbe. Stuugart, Adolf Bonz 6c Comp., lLS5i,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/595
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/595>, abgerufen am 23.07.2024.