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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zu den Sprachdummheiten

gesammelt hatten, haben dem Buche nicht bloß einen, sondern mehrere Aufsätze
gewidmet; ich nenne vor allen dankbar die sieben reichhaltigen, von großer
Sachkenntnis und feinem Sprachgefühl zeugenden Artikel der Kölnischen
Zeitung. Daß die juristischen Kreise keineswegs in ihrer Gesamtheit Anhänger
des Kanzleistils sind, daß es namentlich unter den höher gestellten juristischen
Beamten Männer genug giebt, die sich durch den Kanzleistil abgestoßen
fühlen und, soweit ihr Einfluß reicht, unaufhörlich bemüht sind, auf eine
einfache, natürliche, klare, verständliche, mit einem Wort: eine menschliche
Ausdrucksweise hinzuarbeiten, war mir wohlbekannt. Dennoch überstieg der
Beifall, mit denen die "Sprachdummheiten" gerade in juristische" Kreisen be¬
grüßt wurden, alle meine Erwartungen. Bon Empfindlichkeit keine Spur;
dagegen überall -- trotz mancher abweichenden Ansicht im einzelnen -- herz¬
liche Freude und warme Empfehlung. Einzelne Ministerien und Verwal¬
tungsbehörden bestellten das Buch in großer Anzahl, um es an ihre
Beamten zu verteilen, andre empfahlen es in besondern Erlassen aufs ein¬
dringlichste.

In den Kreisen der Schule hat das Buch verschiedne Aufnahme ge¬
sunden. In der umfangreichen Fachpresse, die aus den Kreisen der Volks¬
schule hervorgeht, hat es nicht an Beurteilern gefehlt, die schlechterdings nicht
imstande gewesen sind, sich zu einer unbefangnen Würdigung aufzuschwingen,
für die schon die Thatsache genügte, daß wiederholt darin ^ verächtlich, wie
sie meinten -- von den Schulmeistern die Rede war, es halbgelesen beiseite
zu legen; manche sind, wie ihre Besprechungen zeigen, thatsächlich nicht über
den Abschnitt zur Formenlehre hinausgekommen! Daneben aber doch auch wieder
ganz entgegengesetzte Urteile: wer als Schulmann ähnliche Beobachtungen
angestellt hatte wie ich, sich vielleicht als Lehrer des Deutschen schon jahrelang
über die Sprachunarten geärgert hatte, die die Jungen aus Zeitungen, Jugend¬
schriften, ja manchmal selbst aus den an ihrer eignen Schule eingeführten
Lehrbüchern in ihre deutschen Aufsätze hineinschleppen, begrüßte das Buch
mit Jubel. Viele Gymnasialdirektoren haben es unbedenklich ihren Primanern
und Sekundanern empfohlen, auch einige Seminardirektoren haben große
Bestellungen gemacht, offenbar um es allen Seminaristen der obern Klassen in
die Hände zu geben. Außerdem hat es in vielen Zweigvereinen des Allge¬
meinen deutschen Sprachvereins, wo ja auch die Lehrer die rührigsten Mit¬
glieder sind, Anregung zu lebhaftem Meinungsaustausch geboten; in einigen
Vereinen hat, wie ich aus Zeitungsausschnitten gesehen habe, die Beschäftigung
damit mehrere Abende gefüllt, man hat es Kapitel für Kapitel durchge¬
nommen.

Einer Beurteilung des Buches, die aus Schulkreisen gekommen ist, möchte
ich nun doch etwas eingehender gedenken, da sie in Buchform erschienen ist,
nämlich als ein ganzes Heftchen voll "Randbemerkungen." Der Verfasser ist


Zu den Sprachdummheiten

gesammelt hatten, haben dem Buche nicht bloß einen, sondern mehrere Aufsätze
gewidmet; ich nenne vor allen dankbar die sieben reichhaltigen, von großer
Sachkenntnis und feinem Sprachgefühl zeugenden Artikel der Kölnischen
Zeitung. Daß die juristischen Kreise keineswegs in ihrer Gesamtheit Anhänger
des Kanzleistils sind, daß es namentlich unter den höher gestellten juristischen
Beamten Männer genug giebt, die sich durch den Kanzleistil abgestoßen
fühlen und, soweit ihr Einfluß reicht, unaufhörlich bemüht sind, auf eine
einfache, natürliche, klare, verständliche, mit einem Wort: eine menschliche
Ausdrucksweise hinzuarbeiten, war mir wohlbekannt. Dennoch überstieg der
Beifall, mit denen die „Sprachdummheiten" gerade in juristische» Kreisen be¬
grüßt wurden, alle meine Erwartungen. Bon Empfindlichkeit keine Spur;
dagegen überall — trotz mancher abweichenden Ansicht im einzelnen — herz¬
liche Freude und warme Empfehlung. Einzelne Ministerien und Verwal¬
tungsbehörden bestellten das Buch in großer Anzahl, um es an ihre
Beamten zu verteilen, andre empfahlen es in besondern Erlassen aufs ein¬
dringlichste.

In den Kreisen der Schule hat das Buch verschiedne Aufnahme ge¬
sunden. In der umfangreichen Fachpresse, die aus den Kreisen der Volks¬
schule hervorgeht, hat es nicht an Beurteilern gefehlt, die schlechterdings nicht
imstande gewesen sind, sich zu einer unbefangnen Würdigung aufzuschwingen,
für die schon die Thatsache genügte, daß wiederholt darin ^ verächtlich, wie
sie meinten — von den Schulmeistern die Rede war, es halbgelesen beiseite
zu legen; manche sind, wie ihre Besprechungen zeigen, thatsächlich nicht über
den Abschnitt zur Formenlehre hinausgekommen! Daneben aber doch auch wieder
ganz entgegengesetzte Urteile: wer als Schulmann ähnliche Beobachtungen
angestellt hatte wie ich, sich vielleicht als Lehrer des Deutschen schon jahrelang
über die Sprachunarten geärgert hatte, die die Jungen aus Zeitungen, Jugend¬
schriften, ja manchmal selbst aus den an ihrer eignen Schule eingeführten
Lehrbüchern in ihre deutschen Aufsätze hineinschleppen, begrüßte das Buch
mit Jubel. Viele Gymnasialdirektoren haben es unbedenklich ihren Primanern
und Sekundanern empfohlen, auch einige Seminardirektoren haben große
Bestellungen gemacht, offenbar um es allen Seminaristen der obern Klassen in
die Hände zu geben. Außerdem hat es in vielen Zweigvereinen des Allge¬
meinen deutschen Sprachvereins, wo ja auch die Lehrer die rührigsten Mit¬
glieder sind, Anregung zu lebhaftem Meinungsaustausch geboten; in einigen
Vereinen hat, wie ich aus Zeitungsausschnitten gesehen habe, die Beschäftigung
damit mehrere Abende gefüllt, man hat es Kapitel für Kapitel durchge¬
nommen.

Einer Beurteilung des Buches, die aus Schulkreisen gekommen ist, möchte
ich nun doch etwas eingehender gedenken, da sie in Buchform erschienen ist,
nämlich als ein ganzes Heftchen voll „Randbemerkungen." Der Verfasser ist


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[0594] Zu den Sprachdummheiten gesammelt hatten, haben dem Buche nicht bloß einen, sondern mehrere Aufsätze gewidmet; ich nenne vor allen dankbar die sieben reichhaltigen, von großer Sachkenntnis und feinem Sprachgefühl zeugenden Artikel der Kölnischen Zeitung. Daß die juristischen Kreise keineswegs in ihrer Gesamtheit Anhänger des Kanzleistils sind, daß es namentlich unter den höher gestellten juristischen Beamten Männer genug giebt, die sich durch den Kanzleistil abgestoßen fühlen und, soweit ihr Einfluß reicht, unaufhörlich bemüht sind, auf eine einfache, natürliche, klare, verständliche, mit einem Wort: eine menschliche Ausdrucksweise hinzuarbeiten, war mir wohlbekannt. Dennoch überstieg der Beifall, mit denen die „Sprachdummheiten" gerade in juristische» Kreisen be¬ grüßt wurden, alle meine Erwartungen. Bon Empfindlichkeit keine Spur; dagegen überall — trotz mancher abweichenden Ansicht im einzelnen — herz¬ liche Freude und warme Empfehlung. Einzelne Ministerien und Verwal¬ tungsbehörden bestellten das Buch in großer Anzahl, um es an ihre Beamten zu verteilen, andre empfahlen es in besondern Erlassen aufs ein¬ dringlichste. In den Kreisen der Schule hat das Buch verschiedne Aufnahme ge¬ sunden. In der umfangreichen Fachpresse, die aus den Kreisen der Volks¬ schule hervorgeht, hat es nicht an Beurteilern gefehlt, die schlechterdings nicht imstande gewesen sind, sich zu einer unbefangnen Würdigung aufzuschwingen, für die schon die Thatsache genügte, daß wiederholt darin ^ verächtlich, wie sie meinten — von den Schulmeistern die Rede war, es halbgelesen beiseite zu legen; manche sind, wie ihre Besprechungen zeigen, thatsächlich nicht über den Abschnitt zur Formenlehre hinausgekommen! Daneben aber doch auch wieder ganz entgegengesetzte Urteile: wer als Schulmann ähnliche Beobachtungen angestellt hatte wie ich, sich vielleicht als Lehrer des Deutschen schon jahrelang über die Sprachunarten geärgert hatte, die die Jungen aus Zeitungen, Jugend¬ schriften, ja manchmal selbst aus den an ihrer eignen Schule eingeführten Lehrbüchern in ihre deutschen Aufsätze hineinschleppen, begrüßte das Buch mit Jubel. Viele Gymnasialdirektoren haben es unbedenklich ihren Primanern und Sekundanern empfohlen, auch einige Seminardirektoren haben große Bestellungen gemacht, offenbar um es allen Seminaristen der obern Klassen in die Hände zu geben. Außerdem hat es in vielen Zweigvereinen des Allge¬ meinen deutschen Sprachvereins, wo ja auch die Lehrer die rührigsten Mit¬ glieder sind, Anregung zu lebhaftem Meinungsaustausch geboten; in einigen Vereinen hat, wie ich aus Zeitungsausschnitten gesehen habe, die Beschäftigung damit mehrere Abende gefüllt, man hat es Kapitel für Kapitel durchge¬ nommen. Einer Beurteilung des Buches, die aus Schulkreisen gekommen ist, möchte ich nun doch etwas eingehender gedenken, da sie in Buchform erschienen ist, nämlich als ein ganzes Heftchen voll „Randbemerkungen." Der Verfasser ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/594>, abgerufen am 23.07.2024.