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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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der einzelnen Richter über das amtliche und außeramtliche Verhalten der
Unterbeamten zu besprechen und dem aufsichtführenden Richter mitzuteilen,
es würden Wünsche bezüglich des Amtslvkals und der sonstigen geschäftlichen
Einrichtungen zu äußern sein, auch wären die etwa vorgekommnen amtlichen
Differenzen zwischen den einzelnen Richtern zu besprechen und möglichst durch
Einigung auszugleichen. Solche Differenzen können sich selbstverständlich nur
auf den formellen Geschäftsgang beziehen, und auch auf diefen nur so weit,
als er durch Gesetz oder höhere Verfügungen nicht unzweifelhaft geordnet ist.
Außerdem wäre es jedem Richter überlassen, die Ansichten der Kollegen über
sonstige ihm zweifelhafte Fragen zu erbitten, sowie über außerordentliche Vor¬
kommnisse in seinem Geschäftskreise Mitteilung zu machen. Wir erachten der¬
artige amtliche Zusammenkünfte...... um nicht zu sagen Sitzungen -- besonders
da für notwendig, wo, wie bei allen größern Amtsgerichten, die Geschäfte
nicht nach Bezirken, sondern nach Sachen verteilt sind. Der Amtsrichter, der
einen Bezirk allein und nach allen Richtungen hin bearbeitet, lernt die sämt¬
lichen Eingesessene" allmählich kennen, er kennt die Vorgeschichte aller Leute,
weiß, ob und welche Prozesse sie fuhren, weiß, ob Straf- und Untersuchungs¬
sachen gegen sie schweben, kennt auch ihre Vermögensverhältnisse genau. Dem
nach Materien arbeitenden Richter, also dein Prvzeßrichter, dem Vormundschafts¬
richter, dem Grundbuchrichter geht diese vollständige Kenntnis der Perso¬
nalien ab, und doch kann sie für seine Geschäftsverwaltnng von entscheidender
Wichtigkeit sein. Wenn in den von uns vorgsschlagnen Zusammenkünften
mindestens die wichtigsten Vorkommnisse besprochen würden, wäre ein nicht zu
verachtender geschäftlicher Gewinn zu erwarten und eine persönliche Annäherung
der Richter erreicht. Wir meinen, daß die a" einem Orte thätigen Richter
vierteljährlich mindestens einmal, und sämtliche zu einem Landratskreise gehörigen
Richter jährlich mindestens einmal vereinigt werden müßten, die letztern am
besten durch den Landgerichtspräsidenten nach Beendigung aller Geschäfts¬
revisionen, wobei der Präsident Gelegenheit haben würde, einzelne allgemeine
Geschäftsangelegenheiten in fruchtbringender Weise zu besprechen. Die Zu¬
sammenkünfte würden ein kollegiales Bindemittel sein und würden mit der An¬
näherung der Richter auch zur Hebung ihres Ansehens führen.

An zweiter Stelle haben, wir nun den Gesetzentwurf zu besprechen, der
vergangnen Winter dem preußischen Landtage vorgelegt wurde und die Auf¬
sichtführung bei den Amtsgerichten abzuändern bestimmt war. Nach diesem
Entwürfe sollte bei den großen, mit zehn oder mehr Richtern besetzten Amts¬
gerichten die Aufsichtführung dem Landgerichtspräsidenten abgenommen und
von dem Justizini nister einem Amtsrichter übertragen werden. Dieser Gesetz¬
entwurf wurde im Herrenhause angenommen, im Abgeordnetenhaus aber viel¬
fach bemängelt und in einer Kommission begraben, aus der er hoffentlich dqs
Licht der Welt nicht wieder erblicken wird. Denn die durch den Entwurf beab-


Grenzboten I W

der einzelnen Richter über das amtliche und außeramtliche Verhalten der
Unterbeamten zu besprechen und dem aufsichtführenden Richter mitzuteilen,
es würden Wünsche bezüglich des Amtslvkals und der sonstigen geschäftlichen
Einrichtungen zu äußern sein, auch wären die etwa vorgekommnen amtlichen
Differenzen zwischen den einzelnen Richtern zu besprechen und möglichst durch
Einigung auszugleichen. Solche Differenzen können sich selbstverständlich nur
auf den formellen Geschäftsgang beziehen, und auch auf diefen nur so weit,
als er durch Gesetz oder höhere Verfügungen nicht unzweifelhaft geordnet ist.
Außerdem wäre es jedem Richter überlassen, die Ansichten der Kollegen über
sonstige ihm zweifelhafte Fragen zu erbitten, sowie über außerordentliche Vor¬
kommnisse in seinem Geschäftskreise Mitteilung zu machen. Wir erachten der¬
artige amtliche Zusammenkünfte...... um nicht zu sagen Sitzungen — besonders
da für notwendig, wo, wie bei allen größern Amtsgerichten, die Geschäfte
nicht nach Bezirken, sondern nach Sachen verteilt sind. Der Amtsrichter, der
einen Bezirk allein und nach allen Richtungen hin bearbeitet, lernt die sämt¬
lichen Eingesessene» allmählich kennen, er kennt die Vorgeschichte aller Leute,
weiß, ob und welche Prozesse sie fuhren, weiß, ob Straf- und Untersuchungs¬
sachen gegen sie schweben, kennt auch ihre Vermögensverhältnisse genau. Dem
nach Materien arbeitenden Richter, also dein Prvzeßrichter, dem Vormundschafts¬
richter, dem Grundbuchrichter geht diese vollständige Kenntnis der Perso¬
nalien ab, und doch kann sie für seine Geschäftsverwaltnng von entscheidender
Wichtigkeit sein. Wenn in den von uns vorgsschlagnen Zusammenkünften
mindestens die wichtigsten Vorkommnisse besprochen würden, wäre ein nicht zu
verachtender geschäftlicher Gewinn zu erwarten und eine persönliche Annäherung
der Richter erreicht. Wir meinen, daß die a» einem Orte thätigen Richter
vierteljährlich mindestens einmal, und sämtliche zu einem Landratskreise gehörigen
Richter jährlich mindestens einmal vereinigt werden müßten, die letztern am
besten durch den Landgerichtspräsidenten nach Beendigung aller Geschäfts¬
revisionen, wobei der Präsident Gelegenheit haben würde, einzelne allgemeine
Geschäftsangelegenheiten in fruchtbringender Weise zu besprechen. Die Zu¬
sammenkünfte würden ein kollegiales Bindemittel sein und würden mit der An¬
näherung der Richter auch zur Hebung ihres Ansehens führen.

An zweiter Stelle haben, wir nun den Gesetzentwurf zu besprechen, der
vergangnen Winter dem preußischen Landtage vorgelegt wurde und die Auf¬
sichtführung bei den Amtsgerichten abzuändern bestimmt war. Nach diesem
Entwürfe sollte bei den großen, mit zehn oder mehr Richtern besetzten Amts¬
gerichten die Aufsichtführung dem Landgerichtspräsidenten abgenommen und
von dem Justizini nister einem Amtsrichter übertragen werden. Dieser Gesetz¬
entwurf wurde im Herrenhause angenommen, im Abgeordnetenhaus aber viel¬
fach bemängelt und in einer Kommission begraben, aus der er hoffentlich dqs
Licht der Welt nicht wieder erblicken wird. Denn die durch den Entwurf beab-


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[0529] der einzelnen Richter über das amtliche und außeramtliche Verhalten der Unterbeamten zu besprechen und dem aufsichtführenden Richter mitzuteilen, es würden Wünsche bezüglich des Amtslvkals und der sonstigen geschäftlichen Einrichtungen zu äußern sein, auch wären die etwa vorgekommnen amtlichen Differenzen zwischen den einzelnen Richtern zu besprechen und möglichst durch Einigung auszugleichen. Solche Differenzen können sich selbstverständlich nur auf den formellen Geschäftsgang beziehen, und auch auf diefen nur so weit, als er durch Gesetz oder höhere Verfügungen nicht unzweifelhaft geordnet ist. Außerdem wäre es jedem Richter überlassen, die Ansichten der Kollegen über sonstige ihm zweifelhafte Fragen zu erbitten, sowie über außerordentliche Vor¬ kommnisse in seinem Geschäftskreise Mitteilung zu machen. Wir erachten der¬ artige amtliche Zusammenkünfte...... um nicht zu sagen Sitzungen — besonders da für notwendig, wo, wie bei allen größern Amtsgerichten, die Geschäfte nicht nach Bezirken, sondern nach Sachen verteilt sind. Der Amtsrichter, der einen Bezirk allein und nach allen Richtungen hin bearbeitet, lernt die sämt¬ lichen Eingesessene» allmählich kennen, er kennt die Vorgeschichte aller Leute, weiß, ob und welche Prozesse sie fuhren, weiß, ob Straf- und Untersuchungs¬ sachen gegen sie schweben, kennt auch ihre Vermögensverhältnisse genau. Dem nach Materien arbeitenden Richter, also dein Prvzeßrichter, dem Vormundschafts¬ richter, dem Grundbuchrichter geht diese vollständige Kenntnis der Perso¬ nalien ab, und doch kann sie für seine Geschäftsverwaltnng von entscheidender Wichtigkeit sein. Wenn in den von uns vorgsschlagnen Zusammenkünften mindestens die wichtigsten Vorkommnisse besprochen würden, wäre ein nicht zu verachtender geschäftlicher Gewinn zu erwarten und eine persönliche Annäherung der Richter erreicht. Wir meinen, daß die a» einem Orte thätigen Richter vierteljährlich mindestens einmal, und sämtliche zu einem Landratskreise gehörigen Richter jährlich mindestens einmal vereinigt werden müßten, die letztern am besten durch den Landgerichtspräsidenten nach Beendigung aller Geschäfts¬ revisionen, wobei der Präsident Gelegenheit haben würde, einzelne allgemeine Geschäftsangelegenheiten in fruchtbringender Weise zu besprechen. Die Zu¬ sammenkünfte würden ein kollegiales Bindemittel sein und würden mit der An¬ näherung der Richter auch zur Hebung ihres Ansehens führen. An zweiter Stelle haben, wir nun den Gesetzentwurf zu besprechen, der vergangnen Winter dem preußischen Landtage vorgelegt wurde und die Auf¬ sichtführung bei den Amtsgerichten abzuändern bestimmt war. Nach diesem Entwürfe sollte bei den großen, mit zehn oder mehr Richtern besetzten Amts¬ gerichten die Aufsichtführung dem Landgerichtspräsidenten abgenommen und von dem Justizini nister einem Amtsrichter übertragen werden. Dieser Gesetz¬ entwurf wurde im Herrenhause angenommen, im Abgeordnetenhaus aber viel¬ fach bemängelt und in einer Kommission begraben, aus der er hoffentlich dqs Licht der Welt nicht wieder erblicken wird. Denn die durch den Entwurf beab- Grenzboten I W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/529>, abgerufen am 23.07.2024.