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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Das heilige Lachen

verstößt seine Gattin; Herr Pessimvff wird Bürgermeister in Terra, Anlauf
begnügt sich mit der Stellung eines Standesbeamten.

Im vierten Bilde nimmt die Schönheit in nächtlicher Stunde Abschied
von der Stadt Terra; Pessinus, der im Widerspruch mit seinen Prinzipien
von Liebe zu ihr ergriffen ist, will ihr nahen, aber die Nacht schützt sie.
Nach einem Szenenwechsel sehen wir die Schönheit vor dem Lager ihres
schlafenden Gemahls: sie scheidet mit tiefem Schmerze, läßt ihm aber als Er-
innernngspfand ihren Schleier zurück.

Das fünfte Bild bringt die Wendung. Wir finden die Schönheit in
einer düstern Höhle, aber bei ihr ist Lachegvtt, der wunderbar schnell heran¬
gewachsen ist. Er weiß die düstern Gedanken seiner Mutter durch seinen
fröhlichen Humor zu verscheuchen; er kennt aber auch die Gedanken des Pessi¬
nus, sein Liebesverlangen nach der Schönheit und beschließt, ihn dadurch zu
verderben. Als Pessinus in die Höhle "herabgerntscht" ist, in der Meinung,
die Schönheit allein zu finden, während doch Lachegott immer an ihrer Statt
gesprochen hat, da bethört ihn dieser völlig, indem er begünstigt durch die
Düsterkeit der Höhle, immer unter dem Mantel der Mutter versteckt, deren
Rolle weiter spielt; er bringt ihn zu dem Glauben, daß die Schönheit ihm
günstig sei -- eigentliche Liebe wäre gegen die Prinzipien und giebt ihm
schließlich den Plan ein, der nahe bevorstehenden Heirat mit der Häßlichkeit
dadurch zu entgehn, daß er sie den Bürgern von Terra als in Widerspruch
mit seinen Prinzipien stehend schildre; höchstens eine zeitweilige Vereinigung
von Mann und Weib auf Kündigung sei zu gestatten. Pessinus ist entzückt
von diesem Gedanken der Schönheit, die er bisher für dumm gehalten hat,
er scheidet von ihr mit den: Versprechen, sie seinerzeit doch unter einem andern
Namen wieder auf Terra einzuschmuggeln.

Im sechsten Bilde: ,.Ehescheidungsfest" sehen wir zunächst den jetzigen
Standesbeamten Anlauf. Er fühlt sich sehr unglücklich. So oft er den
zurückgelaßueu Schleier der Schönheit in die Hand bekommt, steigt eine dunkle
Erinnerung vergangnen Glücks in ihm auf. Er soll eigentlich die Ehe¬
schließung zwischen Pessinus und der Häßlichkeit vollziehen; doch Pessinus
verfährt, wie ihm Lachegvtt eingegeben hat, die als Zeugen erschienenen Bürger
und Bürgerinnen jubeln ihm zu, lind um die Wut der Lüge und der Hä߬
lichkeit kümmert sich Pessinus nicht. Nur Anlauf, in dein die Erinnerung
an die Vergangenheit immer lebhafter wird, ruft aus: Aber das ist ja alles
Wahnsinn! Da bemerkt Pessinus in den Händen des Anlauf den Schleier
der Schönheit; dieser Anblick raubt ihm die Besonnenheit, er verrät seine
Liebe zu ihr und verwickelt sich in Widersprüche. Nun regt sich Opposition
und Gelächter, vor allem veranlaßt durch das Eingreife" des Provisors
Optimus. Dieser ist schon im fünften Bilde in tiefer Schwermut bei der
Schönheit und dem Lachegott erschienen; hat er doch seine Pflichten verletzt,


Das heilige Lachen

verstößt seine Gattin; Herr Pessimvff wird Bürgermeister in Terra, Anlauf
begnügt sich mit der Stellung eines Standesbeamten.

Im vierten Bilde nimmt die Schönheit in nächtlicher Stunde Abschied
von der Stadt Terra; Pessinus, der im Widerspruch mit seinen Prinzipien
von Liebe zu ihr ergriffen ist, will ihr nahen, aber die Nacht schützt sie.
Nach einem Szenenwechsel sehen wir die Schönheit vor dem Lager ihres
schlafenden Gemahls: sie scheidet mit tiefem Schmerze, läßt ihm aber als Er-
innernngspfand ihren Schleier zurück.

Das fünfte Bild bringt die Wendung. Wir finden die Schönheit in
einer düstern Höhle, aber bei ihr ist Lachegvtt, der wunderbar schnell heran¬
gewachsen ist. Er weiß die düstern Gedanken seiner Mutter durch seinen
fröhlichen Humor zu verscheuchen; er kennt aber auch die Gedanken des Pessi¬
nus, sein Liebesverlangen nach der Schönheit und beschließt, ihn dadurch zu
verderben. Als Pessinus in die Höhle „herabgerntscht" ist, in der Meinung,
die Schönheit allein zu finden, während doch Lachegott immer an ihrer Statt
gesprochen hat, da bethört ihn dieser völlig, indem er begünstigt durch die
Düsterkeit der Höhle, immer unter dem Mantel der Mutter versteckt, deren
Rolle weiter spielt; er bringt ihn zu dem Glauben, daß die Schönheit ihm
günstig sei — eigentliche Liebe wäre gegen die Prinzipien und giebt ihm
schließlich den Plan ein, der nahe bevorstehenden Heirat mit der Häßlichkeit
dadurch zu entgehn, daß er sie den Bürgern von Terra als in Widerspruch
mit seinen Prinzipien stehend schildre; höchstens eine zeitweilige Vereinigung
von Mann und Weib auf Kündigung sei zu gestatten. Pessinus ist entzückt
von diesem Gedanken der Schönheit, die er bisher für dumm gehalten hat,
er scheidet von ihr mit den: Versprechen, sie seinerzeit doch unter einem andern
Namen wieder auf Terra einzuschmuggeln.

Im sechsten Bilde: ,.Ehescheidungsfest" sehen wir zunächst den jetzigen
Standesbeamten Anlauf. Er fühlt sich sehr unglücklich. So oft er den
zurückgelaßueu Schleier der Schönheit in die Hand bekommt, steigt eine dunkle
Erinnerung vergangnen Glücks in ihm auf. Er soll eigentlich die Ehe¬
schließung zwischen Pessinus und der Häßlichkeit vollziehen; doch Pessinus
verfährt, wie ihm Lachegvtt eingegeben hat, die als Zeugen erschienenen Bürger
und Bürgerinnen jubeln ihm zu, lind um die Wut der Lüge und der Hä߬
lichkeit kümmert sich Pessinus nicht. Nur Anlauf, in dein die Erinnerung
an die Vergangenheit immer lebhafter wird, ruft aus: Aber das ist ja alles
Wahnsinn! Da bemerkt Pessinus in den Händen des Anlauf den Schleier
der Schönheit; dieser Anblick raubt ihm die Besonnenheit, er verrät seine
Liebe zu ihr und verwickelt sich in Widersprüche. Nun regt sich Opposition
und Gelächter, vor allem veranlaßt durch das Eingreife» des Provisors
Optimus. Dieser ist schon im fünften Bilde in tiefer Schwermut bei der
Schönheit und dem Lachegott erschienen; hat er doch seine Pflichten verletzt,


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[0504] Das heilige Lachen verstößt seine Gattin; Herr Pessimvff wird Bürgermeister in Terra, Anlauf begnügt sich mit der Stellung eines Standesbeamten. Im vierten Bilde nimmt die Schönheit in nächtlicher Stunde Abschied von der Stadt Terra; Pessinus, der im Widerspruch mit seinen Prinzipien von Liebe zu ihr ergriffen ist, will ihr nahen, aber die Nacht schützt sie. Nach einem Szenenwechsel sehen wir die Schönheit vor dem Lager ihres schlafenden Gemahls: sie scheidet mit tiefem Schmerze, läßt ihm aber als Er- innernngspfand ihren Schleier zurück. Das fünfte Bild bringt die Wendung. Wir finden die Schönheit in einer düstern Höhle, aber bei ihr ist Lachegvtt, der wunderbar schnell heran¬ gewachsen ist. Er weiß die düstern Gedanken seiner Mutter durch seinen fröhlichen Humor zu verscheuchen; er kennt aber auch die Gedanken des Pessi¬ nus, sein Liebesverlangen nach der Schönheit und beschließt, ihn dadurch zu verderben. Als Pessinus in die Höhle „herabgerntscht" ist, in der Meinung, die Schönheit allein zu finden, während doch Lachegott immer an ihrer Statt gesprochen hat, da bethört ihn dieser völlig, indem er begünstigt durch die Düsterkeit der Höhle, immer unter dem Mantel der Mutter versteckt, deren Rolle weiter spielt; er bringt ihn zu dem Glauben, daß die Schönheit ihm günstig sei — eigentliche Liebe wäre gegen die Prinzipien und giebt ihm schließlich den Plan ein, der nahe bevorstehenden Heirat mit der Häßlichkeit dadurch zu entgehn, daß er sie den Bürgern von Terra als in Widerspruch mit seinen Prinzipien stehend schildre; höchstens eine zeitweilige Vereinigung von Mann und Weib auf Kündigung sei zu gestatten. Pessinus ist entzückt von diesem Gedanken der Schönheit, die er bisher für dumm gehalten hat, er scheidet von ihr mit den: Versprechen, sie seinerzeit doch unter einem andern Namen wieder auf Terra einzuschmuggeln. Im sechsten Bilde: ,.Ehescheidungsfest" sehen wir zunächst den jetzigen Standesbeamten Anlauf. Er fühlt sich sehr unglücklich. So oft er den zurückgelaßueu Schleier der Schönheit in die Hand bekommt, steigt eine dunkle Erinnerung vergangnen Glücks in ihm auf. Er soll eigentlich die Ehe¬ schließung zwischen Pessinus und der Häßlichkeit vollziehen; doch Pessinus verfährt, wie ihm Lachegvtt eingegeben hat, die als Zeugen erschienenen Bürger und Bürgerinnen jubeln ihm zu, lind um die Wut der Lüge und der Hä߬ lichkeit kümmert sich Pessinus nicht. Nur Anlauf, in dein die Erinnerung an die Vergangenheit immer lebhafter wird, ruft aus: Aber das ist ja alles Wahnsinn! Da bemerkt Pessinus in den Händen des Anlauf den Schleier der Schönheit; dieser Anblick raubt ihm die Besonnenheit, er verrät seine Liebe zu ihr und verwickelt sich in Widersprüche. Nun regt sich Opposition und Gelächter, vor allem veranlaßt durch das Eingreife» des Provisors Optimus. Dieser ist schon im fünften Bilde in tiefer Schwermut bei der Schönheit und dem Lachegott erschienen; hat er doch seine Pflichten verletzt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/504>, abgerufen am 26.08.2024.