Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Dus heilige Lachen Moral oder irgend eine philosophische, so muß ihm das freistehn; ein auf¬ (Schluß folgt) Das heilige Lachen ach langer, sorgsamer und liebevoller Vorbereitung brachte das Dus heilige Lachen Moral oder irgend eine philosophische, so muß ihm das freistehn; ein auf¬ (Schluß folgt) Das heilige Lachen ach langer, sorgsamer und liebevoller Vorbereitung brachte das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211669"/> <fw type="header" place="top"> Dus heilige Lachen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> Moral oder irgend eine philosophische, so muß ihm das freistehn; ein auf¬<lb/> richtiger Epiknreer ist nicht allein für die Gesellschaft nützlicher sondern auch<lb/> wirklich sittlicher als ein heuchlerischer Christ. Die schöne Moral unsers ge¬<lb/> bildeten deutschen Bürgerstandes, die in der Zeit von den Befreiungskriegen<lb/> bis in die letzten Jahrzehnte geherrscht hat. beruhte auf einer glücklichen<lb/> Mischung christlicher und humanistischer Anschauungen und Motive. Seit<lb/> einiger Zeit droht sie nach drei oder vier verschiednen Richtungen anseinander-<lb/> zugehn. Auf der einen Seite sehen wir ein raffinirtes Genußleben mit ein<lb/> bißchen angefaulter Ästhetik verbrämt, auf einer andern die grobe, blinde,<lb/> tolle Geldgier, sodann eine Rohheit und Rücksichtslosigkeit, die sich unter dem<lb/> Namen der Schneidigkeit brüstet, ans der vierten Seite endlich Pietisterei und<lb/> Pnritanertum. Das ist doch wohl eher Zersetzung als heilsame Differenzirung<lb/> zu nennen. Auf diesem Gebiete muß eine neue Einigung angestrebt werden,<lb/> die jedoch weder vom Staate noch vou der Kirche zu erwarten ist. Wie im<lb/> vorigen Jahrhundert, muß wieder auf litterarischem Wege eine Republick der<lb/> Gebildeten gegründet werden, die über den Konfessionen und politischen<lb/> Parteien steht, und die auch die Moral wieder auf die einzig sichere, weil<lb/> natürliche Grundlage der sittlichen Ideen stellt. Dadurch muß im Volke el»<lb/> zuverlässiger sittlicher Takt erzogen werden, der natürlich niemals hinreicht,<lb/> für jede Einzelfrage auf kasuistischem Wege eine übereinstimmende und sür<lb/> alle bindende Entscheidung herbeizuführen, was auch gar nicht nötig ist, der<lb/> es aber merkt und entschlossen Widerstand leistet, wenn dem Volke entweder<lb/> erlaubter Genuß verkümmert, oder unerlaubter als erlaubt hingestellt, oder<lb/> ungerechte Gewaltthat als Mittel zu einem vermeintlich guten Zweck empfohlen<lb/> wird. Wunderbar ist die Heldenkraft, die der christliche Glaube in außer¬<lb/> ordentlichen Füllen verleiht, aber so allgemein brauchbar und wohlthätig ist<lb/> keine Charaktereigenschaft, als die aus Hellas stammende Gewohnheit, Maß<lb/> zu halten in allen Dingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1451"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das heilige Lachen</head><lb/> <p xml:id="ID_1452" next="#ID_1453"> ach langer, sorgsamer und liebevoller Vorbereitung brachte das<lb/> königliche Schauspielhaus zu Berlin am 16. Februar Wilden¬<lb/> bruchs Mürchenschwank in sechs Bildern: Das heilige Lachen<lb/> zum erstenmale zur Aufführung. Wildenbruch hat aus leicht<lb/> begreiflichen Gründen gerade in Berlin seine wärmsten Anhänger,<lb/> und man sah diesem Werke, von dem man jedenfalls etwas ganz Besondres</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Dus heilige Lachen
Moral oder irgend eine philosophische, so muß ihm das freistehn; ein auf¬
richtiger Epiknreer ist nicht allein für die Gesellschaft nützlicher sondern auch
wirklich sittlicher als ein heuchlerischer Christ. Die schöne Moral unsers ge¬
bildeten deutschen Bürgerstandes, die in der Zeit von den Befreiungskriegen
bis in die letzten Jahrzehnte geherrscht hat. beruhte auf einer glücklichen
Mischung christlicher und humanistischer Anschauungen und Motive. Seit
einiger Zeit droht sie nach drei oder vier verschiednen Richtungen anseinander-
zugehn. Auf der einen Seite sehen wir ein raffinirtes Genußleben mit ein
bißchen angefaulter Ästhetik verbrämt, auf einer andern die grobe, blinde,
tolle Geldgier, sodann eine Rohheit und Rücksichtslosigkeit, die sich unter dem
Namen der Schneidigkeit brüstet, ans der vierten Seite endlich Pietisterei und
Pnritanertum. Das ist doch wohl eher Zersetzung als heilsame Differenzirung
zu nennen. Auf diesem Gebiete muß eine neue Einigung angestrebt werden,
die jedoch weder vom Staate noch vou der Kirche zu erwarten ist. Wie im
vorigen Jahrhundert, muß wieder auf litterarischem Wege eine Republick der
Gebildeten gegründet werden, die über den Konfessionen und politischen
Parteien steht, und die auch die Moral wieder auf die einzig sichere, weil
natürliche Grundlage der sittlichen Ideen stellt. Dadurch muß im Volke el»
zuverlässiger sittlicher Takt erzogen werden, der natürlich niemals hinreicht,
für jede Einzelfrage auf kasuistischem Wege eine übereinstimmende und sür
alle bindende Entscheidung herbeizuführen, was auch gar nicht nötig ist, der
es aber merkt und entschlossen Widerstand leistet, wenn dem Volke entweder
erlaubter Genuß verkümmert, oder unerlaubter als erlaubt hingestellt, oder
ungerechte Gewaltthat als Mittel zu einem vermeintlich guten Zweck empfohlen
wird. Wunderbar ist die Heldenkraft, die der christliche Glaube in außer¬
ordentlichen Füllen verleiht, aber so allgemein brauchbar und wohlthätig ist
keine Charaktereigenschaft, als die aus Hellas stammende Gewohnheit, Maß
zu halten in allen Dingen.
(Schluß folgt)
Das heilige Lachen
ach langer, sorgsamer und liebevoller Vorbereitung brachte das
königliche Schauspielhaus zu Berlin am 16. Februar Wilden¬
bruchs Mürchenschwank in sechs Bildern: Das heilige Lachen
zum erstenmale zur Aufführung. Wildenbruch hat aus leicht
begreiflichen Gründen gerade in Berlin seine wärmsten Anhänger,
und man sah diesem Werke, von dem man jedenfalls etwas ganz Besondres
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